Der hl. Johannes von Damaskus

Heinrich Michael Knechten

 

Johannes wird um 650 in Damaskus geboren. Er stammt aus der wohl syrischstämmigen Familie Mansur ("der Siegreiche"). Sein Vater Sargun ibn Mansur ist Finanzminister unter dem Kalifen Muawija I. (660-680). Nach einer gediegenen griechischen und arabischen Ausbildung ist Johannes im Staatsdienst, aber auch als Schriftsteller und Dichter tätig.

Der Kalif Abdul Malek (685-705) jedoch verfolgt einen antichristlichen Kurs. Eine Legende erzählt, er habe Johannes wegen "Landesverrats" eine Hand abhauen lassen, die ihm aber von der Gottesmutter wieder angefügt wurde. Die "Gottesmutterikone mit den drei Händen" geht darauf zurück.

Johannes verlässt Damaskus und geht in das Kloster des hl. Sabas (Mar Saba), das sich in der Judäischen Wüste, südlich von Jerusalem befindet. Patriarch Johannes V. von Jerusalem (706-735) ermöglicht ihm eine theologische Ausbildung und weiht ihn zum Priester. Er zieht ihn wiederholt zu wichtigen Aufgaben heran. Auch andere Bischöfe wenden sich an Johannes. Dieser verfasst für sie zahlreiche kleinere Schriften.

Johannes stirbt im hohen Alter im Sabas-Kloster (vor 754). Dort befinden sich bis zum 12. Jahrhundert seine Gebeine. Danach werden sie nach Konstantinopel überführt, und zwar in das Kecharitomene-Kloster. Er wird wegen seiner orientalischen Herkunft oft mit Turban dargestellt. Sein Fest wird am 4. Dezember gefeiert. Die "Gottesmutterikone mit den drei Händen" wird im Sabas-Kloster bis zum 13. Jahrhundert verehrt, dann in Serbien und schließlich im Hilandari-Kloster auf dem Heiligen Berge Athos.

Johannes lebt zur Zeit der Auseinandersetzung um die heiligen Ikonen. Die Ikonoklasten argumentieren: Göttliches sei nicht darstellbar. Das Kreuz und die Liturgie verdeutlichen viel eindeutiger als jedes Bild, wer Christus ist. Die Befürworter der Ikonenverehrung weisen jedoch darauf hin, daß Christus Mensch geworden ist. Er ist das Abbild des Vaters (vgl. Joh 14,9: "Wer mich sieht, sieht den Vater"). Johannes verdeutlicht das Verhältnis von Prototyp (Urbild) zum Antityp (Abbild) sowie den Unterschied von Proskýnesis (Verehrung) und Latreía (Anbetung).

Da Johannes zu Lebzeiten für die Verehrung der Ikonen eintrat, wird er von der Synode zu Hiereia 754 anathematisiert. Das 7. Ökumenische Konzil, das 787 in Nikaia stattfindet, rehabilitiert ihn jedoch als verehrungswürdig.

Seine Hauptschrift "Die Quelle der Erkenntnis" ist dreiteilig. Die philosophischen Kapitel folgen im wesentlichen der "Einführung" des Neuplatonikers Porphyrios. Im zweiten Teil, dem Buch über die Irrlehren, beschäftigt er sich u.a. mit dem Manichäismus, aber auch mit dem Islam. Der dritte Teil, "Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens", gibt die kirchliche Lehre wieder.

Johannes folgt dem Grundsatz, nichts Eigenes zu sagen, sondern treuer Vermittler der Tradition zu sein. Dennoch hat er sie eigenständig verarbeitet und aus vielen einzelnen und recht unterschiedlichen Gedanken ein zusammenhängendes Werk geschaffen. Da Johannes ein Heiliger und Lehrer der ungeteilten Kirche ist, lässt sich sein Einfluss im Osten wie im Westen nachweisen.

Johannes ist ein universaler Gelehrter. Es gibt von ihm neben den dogmatischen Schriften auch Kommentare zu den Briefen des hl. Paulus. Er verfasst Predigten und asketische Werke. Ein Florilegium (Ta Hierá, Sacra Parallela) wird sehr bekannt.

Johannes hat einen mystischen Ansatz. Für ihn besteht das Ziel des Lebens in der Schau Gottes. Dazu ist es allerdings notwendig, an sich selbst zu arbeiten. Zorn, Neid und Hass verhindern jeglichen Fortschritt im geistlichen Leben. Die Aufgabe, welche freilich nur mit dem Beistand Gottes bewältigt werden kann, besteht darin, die verdunkelte Ebenbildlichkeit wiederherzustellen. Dies ist gleichbedeutend damit, der Gnade der Vergöttlichung gewürdigt zu werden. Eine solche Theologie nimmt die biblische Aussage ernst, dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen ist. Auch durch die Sünde geht diese Schöpfungsgnade nicht gänzlich verloren.

Von den hagiographischen Schriften des Johannes sei besonders der ansprechende und viel gelesene Mönchsroman über die heiligen Barlaam und Joasaph genannt. Das Besondere: Hier sind indische Parabeln und Teile der Buddha-Legende wiedergegeben. Im Sabas-Kloster leben auch georgische Mönche. Daher ist es nicht überraschend, dass der Barlaam-Roman des Johannes durch ein georgisches Werk beeinflusst ist, und zwar durch das Balavariani. Die spätere Fassung dieses Werkes ist heute noch in Georgien bekannt: Sibrdzne Balahvarisa, Weisheit des Barlaam.

Für den liturgischen Gesang steht die dichterische Arbeit des Johannes im Mittelpunkt. Er verfaßt die Kanones zum Hohen Osterfest, zu Antipascha, Himmelfahrt Christi, Pfingsten und Verklärung Christi sowie zu Theophanie (6. Januar) und Weihnachten. Johannes folgt in seiner Dichtung ästhetischen Grundgesetzen, die über die Einfachheit seiner Vorgänger, Romanos den Meloden und Andreas von Kreta, weit hinausgehen. Die Ostkirchen führen den Oktoechos (liturgische Texte zu den acht byzantinischen Kirchentönen außerhalb der Festzeiten) auf ihn zurück. Dieses Buch ist im Ganzen aber späteren Ursprungs.

Aus dem Osterkanon des hl. Johannes von Damaskus, 1. Ton

Der Auferstehung Tag! Licht lasset uns werden, ihr Völker! Das Pascha des Herrn, das Pascha! Denn vom Tode zum Leben und von der Erde zum Himmel führte uns Christus Gott. Wir singen Ihm ein Siegeslied: Christ ist erstanden von den Toten!

Göttlichen Sinnes eilen myrontragende Frauen Dir nach. Sie suchten Ihn als Sterblichen unter Tränen, nun verehren sie Ihn mit Freuden als lebendigen Gott. Sie bringen die Frohe Botschaft vom Mysterium des Pascha, Christus, Deinen Jüngern.

Werde Licht, werde Licht, Neues Jerusalem! Denn die Herrlichkeit des Herrn ging auf über dir. Tanze jetzt im Reigen, Sion, und jauchze! Du aber, reine Gottesmutter, freue dich über die Erweckung deines Sohnes.

Literaturhinweise

· Die Schriften des Johannes von Damaskos, hg. v. B.Kotter, 5 Bände, Patristische Texte und Studien 7.12.17.22.29, Berlin und New York 1969-1988.

· Jammers, E., Die jambischen Kanones des Johannes von Damaskus. Eine paläographische und stilistische Studie, in: Ders., Schrift Ordnung Gestalt. Gesammelte Aufsätze zur älteren Musikgeschichte, Neue Heidelberger Studien zur Musikwissenschaft 1, Bern und München 1969, 195-256.

· Kallis, A., Handapparat zum Johannes-Damaskenos-Studium, in: Ostkirchliche Studien 16 (1967), 200-213.

· Kallis, A., Der menschliche Wille in seinem Grund und Ausdruck nach der Lehre des Johannes Damaskenos, Diss. Münster 1964; Druck 1965.

· Nikolaou, T., Die Ikonenverehrung als Beispiel ostkirchlicher Theologie und Frömmigkeit nach Johannes von Damaskos, in: Ostkirchliche Studien 25 (1976), 138-165.

· Volk, R., Urtext und Modifikationen des griechischen Barlaam-Romans. Prolegomena zur Neuausgabe, in: Byzantinische Zeitschrift 86/87 (1993/1994), 442-461.

 

 

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