Das russische orthodoxe Leben in Paris (K.Bambauer), Schluss

 

Vom 10.-12. Februar 2001 fand aus Anlass des 70jährigen Jubiläums der Kirche der Heiligen Drei Hierarchen ein Besuch des Metropoliten Kirill, Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchates in Paris statt. Er wurde begleitet von Metropolit Amfilochij, Bischof Luka (Serbisches Patriarchat), Erzbischof Antolij (Vikarbischof des Moskauer Patriarchates in Großbritannien), Erzbischof Sergij und seinen Vikarbischöfen Paul und Michael (Bischöfe für die russischen Gemeinden unter dem Patriarchat von Konstantinopel), Bischof Innokentij (Patriarchat Moskau). Ebenso war anwesend Metropolt Jeremij (Patriarchate Konstantinopel).

Sie hoben die Jubiläumsfeierlichkeiten der Gemeinde hervor und unterstrichen die Wichtigkeit der Christen, die die Orthodoxie in Gestalt der russischen Tradition nach Westen gebracht hatten. Alle Ansprachen, eine Botschaft von Patriarch Aleksij und eine Zusammenkunft von Metropolit Kirill am Sitz von Erbischof Sergij unterstrichen die Notwendigkeit, die Wunden der Vergangenheit zu heilen und gemeinsam die orthodoxe Christenheit in der Welt zu bekennen.

Zur Zeit ist die Gemeindekirche der Sitz von Bischof Innokentij, sie ist Diözese des Moskauer Patriarchats für Frankreich, die Schweiz, Italien und Spanien mit 5 Klöstern und 17 Gemeinden. Der Sekretär ist Professor Dimitrij Schachowskoj. Die Wichtigkeit dieser Gemeinde liegt darin, dass sie ein tägliches lebendiges Zeugnis im Zentrum des modernen Paris ist. Die Orthodoxie durch strenge Beachtung aller täglichen Kirchen-Gottesdienste wurde dokumentiert durch ein Konzert ihres Chores, der seit 45 Jahren von George Kisselhoff geleitet wird und durch die Veröffentlichung eines Almanachs der bedeutendsten Ikonographen L.A.Ouspenskij und Mönch Grigorij (Krug), die wichtigsten Ikonographen des 20. Jahrhunderts.

Anmerkungen

1) Vgl. N.A.Poltoratsky, Jubilee of the Three Holy Hierarchs Podvorye in Paris, in: The Journal of the Moscow Patriarchate 3/1982, S. 17-23. Zit. Poltoratsky.

2) Mutter Maria (Skobtsowa) war eine orthodoxe Nonne, die sich als Dichtern, Künstlerin und Sozialarbeiterin betätigte. Einst Sekretärin von Trotzkij, war sie die Gründerin und bewegender Geist der orthodoxen Aktion, einer sozialen Hilfsorganisation, die den Glauben der orthodoxen Kirche zum Ausdruck bringen wollte. Niemand, der ihr begegnete, wird sie je vergessen. Als deutsche Truppen Frankreich besetzten, wurde sie wegen des "Verbrechens", mit Juden befreundet gewesen zu sein, in ein Konzentrationslager gebracht, wo sie verstarb. Vgl. zu ihrer Lebensgeschichte auch: E.M.Bachmann, Mutter Marias Weg, Stimme der Orthodoxie Heft 3/1986, S. 32-37.

3) Diese Bibliographie erschien in der Reihe der Veröffentlichungen des "Institut d’études slaves" in der YMCA-Press, Paris, im Jahre 1978. Vgl. dazu auch: N.Berdjajew, Wahrheit und Offenbarung, Waltrop 1998, S.1.

4) V.Losskij wurde am 8. Juni 1903 in Göttingen geboren als Sohn von N.O.Losskij, einem bekannten russischen Philosophen, der zu dieser Zeit mit seiner Familie zu Studienzwecken in Göttingen wohnte. V.Losskij trat nach seiner Schulzeit in die historisch-philologische Fakultät der Universität Moskau ein. Im Jahre 1922 emigrierte Familie Losskij, und er setzte sein Studium in Prag fort. Im Jahre 1924 schrieb er hier sein erstes Manuskript über Franz v. Assisi. Seine Ausbildung vervollständigte er an der Sorbonne/Paris, wo er die Vorlesungen des bekannten Prof E.Gilson hörte. Er hörte Gilson auch nach dem Krieg, bis dieser sich nach Kanada verabschiedete. V.Losskij verlegte dann vom Mittelalter sein Interesse speziell auf Meister Eckehart, mit dem er sich bis zu seinem letzten Lebenstag beschäftigte. Seit den 1930er Jahren begann der junge Theologe Losskij, eine aktive Rolle in der orthodoxen Kirche des Westens zu spielen. Als Metropolit Evlogij die Jurisdiktion des Moskauer Patriarchts verließ, schloss sich auch Losskij (mit Berdjajew) der kleinen Gruppe an, die der Mutterkirche treu blieben. Als S.Bulgakow im Jahre 1933 sein Buch Das Lamm Gottes veröffentlichte, wies Losskij, der auch in einer Privatkorrespondenz mit dem Patriarchen Sergij, Moskau stand, ihm (Bulgakow) einige Irrtümer nach, obwohl er Bulgakow als Theologen und Philosophen sehr schätzte. Er verstand seine Aufgabe darin, den Westen mit dem theologischen Reichtum des orthodoxen Ostens bekannt zu machen. Es kann hier abschließend auf sein Werk Schau Gottes, Zürich 1964, sowie auf seine weiteren Studien zur westlichen und östlichen Patristik nur nachdrücklich hingewiesen werden. Seine Werk Schau Gottes basierte auf Vorträgen, die er als gewähltes Mitglied der École des Hautes Etudes über das Thema "Die Schau Gottes in patristischer und byzantinischer Sicht" hielt, und die posthum veröffentlicht wurden. Nach dem Krieg arbeitete er weiter an seiner Studie, die 1960 in Paris veröffentlicht wurde: Negative Theologie und Erkenntnis Gottes bei Meister Eckehart. Nachdem ihm die theologische Akademie Moskau den Ehrendoktor verlieren hatte, nahm er an den Konferenzen des Collège Philosophique teil, wo er u.a. Vorträge hielt über: "Dunkelheit und Licht in der Gotteserkenntnis", "Apophatismus und trinitarische Theologie", "Der Aufstieg und der Abgrund" (Der Begriff des Seins bei Meister Eckehart), "Die Theologie der lkonen". V.Losskij starb in Paris am 7. Februar 1958 und ruht auf dem Friedhof St.-Geneviève-des-Bois. Vgl. über ihn: V.Reschikowa, G.Makow, Vladimir Lossky, in: Journal of the Patriarchate Moscow, Nr. 7/1978, S. 68-77.

5) L.Zander, Russische Religionsphilosophen II, S, 13f. Vgl. L.Zander, Was ist Orthodoxie, in: Evangelisches und orthodoxes Christentum in Begegnung und Auseinandersetzung, Hamburg 1952, S. 46-60, sowie Ders.: Das geistig-religiöse Antlitz der Ostkirche, in: Das Christentum des Ostens und die christliche Einheit, Würzburg 1965, S. 61-78.

6) L.Zander, Die Westliche Orthodoxie, München 1959 (Theologische Existenz heute Nr. 73), S. 6. Zit. Zander, Westliche Orthodoxie.

7) Der prominente Theologe und Ikonenmaler L.Uspenskij wurde 1902 geboren. Nach dem Schulbesuch in der Stadt Zadonsk wurde er 1918 in die Rote Armee eingezogen. Danach ging er in die Emigration nach Bulgarien und anschließend nach Frankreich. Ab 1929 besuchte er die Kunstakademie von Paris, die er 1932 beendete. In dieser Zeit eignete er sich die Kunst des lkonenmalens an. Im Jahre 1930 schloss er sich der St.-Photius-Bruderschaft an, wo er mit V.Losskij, der seit 1928 der Bruderschaft angehörte, gut bekannt wurde. Es kam zu einer sehr fruchtbaren Zusammenarbeit. Während der deutschen Besetzung Frankreichs ging er in den Untergrund und wurde Mitglied der französischen Widerstandsbewegung. Nach dem 2. Weltkrieg arbeitete er als lkonenmaler und lkonenrestaurator, auch beschäftigte er sich mit Holzarbeiten. Auf Initiative von L.Uspenskij wurde bald nach dem Ende des 2. Weltkrieges ein Kursus für orthodoxe lkonenmalerei in der russischen Gemeinde von Paris angeboten. Er wollte nicht nur Ikonenmaler heranbilden, sondern auch Menschen aus dem Westen mit der Orthodoxie vertraut machen. 40 Jahre lang gab Uspenkij Kurse über lkonenmalerei bei pastoraltheologischen Kursen des Westeuropäischen Exarchats des Moskauer Patriachats. Eines seiner Hauptwerke ist das im Jahre 1960 herausgegebene Buch "Die Theologie der Ikone". Zusammen mit V.Losskij veröffentlichte er 1952 das Buch "Der Sinn der lkonen". Im Jahre 1969 gab er eine Vortragsreihe an der Leningrader Theologischen Akademie. Er verstarb am 11. Dezember 1987 und wurde auf dem Friedhof von St.-Geneviève-des-Bois außerhalb von Paris bestattet.

8) Der hier erwähnte Novize Serafim (Rodionow) wurde am 24. April 1905 in Moskau geboren. Der an der Kunstakademie Paris und an der Sorbonne ausgebildete Serafim [mit weltlichem Namen Wladimir Iwanowitsch], der dort auch Archimandrit Sofronij, den späteren Biographen des Starez Siluan kennen lernte, hatte mit dem Starez seit seiner Anwesenheit (1925) auf dem Berg Athos engen Kontakt. Im Jahre 1934 trat er in das orthodoxe theologische St.-Sergius-Institut Paris ein. An der Universität Paris studierte er anschließend Philosophie, Byzantinistik und Patristik. Im Jahre 1952 weihte Patriarch Alexeij I. den Igumen Serafim zum Archimandriten, er studierte an den Universitäten Genf (1947) und von 1950-53 an der protestantischen Fakultät der Universität Zürich. Der Hl. Synod der russischen orthodoxen Kirche ernannte ihn am 19. Oktober 1971 zum Bischof von Zürich und zum Vikar des Metropoliten Antonij v. Surosh sowie am 19. Mai 1989 zum Erzbischof. Er verstarb am 14. Dezember 1997 im Alter von 92 Jahren. Vgl. zu ihm: Journal des Moskauer Patriarchts Heft 5/1998 (russ. Ausgabe), S.47-49.

9) Er nahm am Begräbnis Berdjajews teil (Lowrie, Berdyaev, S. 278).

10) A.Bloom, später Metropolit Antonij von Sourosch wurde am 19.6. 1914 in Lausanne geboren, er verbrachte seine Kindheit in Russland und Persien. Während der russischen Revolution musste die Familie Russland verlassen und kam nach Paris, wo A.Bloom seine Ausbildung in Physik, Chemie, Biologie (1942 beendet) und Medizin (Studium in Paris beendet) erhielt. Während seiner Arzttätigkeit in Paris legte er am 16. April 1943 das Mönchsgelübde vor Archimandrit Afanasij ab und erhielt den Namen Antonij. Er wurde am 27. Oktober 1948 von Metropolit Seraphim zum Mönchsdiakon geweiht, am 12. November 1948 zum Mönchspriester. Er kam 1949 als Geistlicher Vater der orthodoxen Kirche in die Gemeinde St. Alban und Sergius. Seit dem 1. November 1950 wurde er Vikar des Russischen Patriarchen und Vorsteher der Patriarchatskirche zum hl. Apostel Philipp in London. Er empfing 1953 den Rang des Abtes, 1956 den des Archimandriten und am 30. November 1957 die Bischofsweihe, wurde 1962 Erzbischof, 1963 Exarch des Patriarchen von Moskau, 1966 Metropolit und seit dem 5. April 1974 Exarch des Patriarchen in Westeuropa. Bei den Tagungen des Weltkirchenrates in Neu-Delhi 1961 und in Genf 1966 war er Mitglied der Russisch-Orthodoxen Kirche, die sich im November 1961 dem Weltkirchenrat angeschlossen hatte. Am 3. Februar 1983 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Moskauer Geistlichen Akademie (vgl. Stimme der Orthodoxie 10/1983, S. 8-10). Er starb am 4.8.2003.

11) Nach Lowrie, Berdyaev, hielt anlässlich des Begräbnisses von N.A.Berdjajew Vater E.Kowalewskij eine Ansprache über "Das Suchen der Wahrheit" (S. 278).

12) Vater Kazem-Bek schrieb Artikel über ökumenische Fragen. Vgl. dazu von ihm: "Über die Geschichte der Basis des Weltkirchenrates", in: The Journal of the Moscow Patriarchate, 1969, Nr. 8, S. 79-82, sowie "Ökumene", "Katholizität", und moderner Ökumenismus, in: The Journal of the Moscow Patriarchate 1962, Nr. 7, S. 68-71. Vgl. außerdem: Historische Zeugnisse einer Ökumenischen Gesinnung von Metropolit Philaret, in: Stimme der Orthodoxie 6/1978, S. 37-56.

13) Auch Vater Schewitsch nahm am Begräbnis von N.Berdjajew teil.

14) Boris Stark hatte bei S.Bulgakow in Paris studiert.

15) Erzpriester A.Turintsev wurde am 16. April 1896 in Puschkino geboren und starb am 25. Dezember 1984 im 89. Lebensjahr. Er studierte von 1927 bis 1931 am orthodoxen theologischen Institut in Paris, das er als Kandidat der Theologie verließ. Es wurde ihm angeboten, seine Studien in Theologie und Philosophie in Bonn fortzusetzen, ein Angebot, dem er nicht folgen konnte, weil er zurückgesandt wurde, um Metropolit Evlogij zu unterstützen. In dieser Funktion war er einer der Gründer der Kirche der Drei Heiligen Hierarchen zu Paris. Vgl. zu seinem Lebenslauf: The Journal of the Moscow Patriachate Nr 8/1985, S. 36-37.

16) Archimandrit Sofronij wurde 1896 in Moskau geboren, wo er Kunstmaler war. Im Jahre 1921 ging er nach Italien, hatte einen kurzen Aufenthalt in Berlin und wandte sich nach Paris, um am dort gerade eröffneten Institut St. Serge zu studieren. Hier erhielt er Anerkennung als Maler, doch die dortige Theologie zeigte ihm nicht den Weg zum erwünschten Ziel, sodass er Paris verließ, um zum Berg Athos zu gehen, wo er 22 Jahre blieb und dort in Kontakt mit Starez Siluan (1866-1938) kam. Das Ergebnis dieser achtjährigen Schülerschaft stellen die von Archimandrit Sofronij herausgegebenen Bücher "Starez Siluan-Mönch vom Berg Athos", 2 Bde., Düsseldorf 1980/1981, dar. Nach dem Tode von Starez Siluan, der am 24. September 1988, seinem 50. Todestag, vom Ökumenischen Patriarchat heilig gesprochen wurde, lebte Archimandrit Sofronij sieben Jahre auf dem Berg Athos als Eremit. Fünf Jahre war er Spiritual mehrerer Athos-Klöster, bis er den Berg Athos im Jahre 1947 verließ. Über seine Zeit auf dem Berg Athos berichtet auch R.Edmonds in dem von ihr aus dem Russischen übersetzten Buch von Archimandrit Sofronij "His Life is Mine", London 1977, S. 7-13. Archimandrit Sofronij ging dann nach England, um in Essex das stauropegiale Kloster des hl. Johannes des Täufers zu gründen. Zur Zeit der Heiligsprechung von Starez Siluan war Archimandrit Sofronij 92 Jahre alt. Unter ihm war die Kirche des Hl. Siluan vom Berge Athos beim dortigen Kloster in Essex errichtet worden. Im Jahre 1985 erschien, herausgegeben vom stauropegialen Kloster des hl. Johannes des Täufers und geschrieben von Archimandrit Sofronij, sein Buch: Das Schauen Gottes wie er ist (in russischer Sprache). Vgl. dazu die Hinweise im Journal of the Moscow Patriarchate 7/1989, S. 80. Schiarchimandrit Sofronij starb am 11. Juli 1993 im Alter von 97 Jahren. Vgl. über ihn "Journal des Moskauer Patriarchates" (russ. Ausgabe) 4/5, 1996, S. 45f. Er veröffentlichte Werke in russischer, französischer, griechischer und englischer Sprache. Sein großer literarischer Nachlass befindet sich im Johannes d. Täufer - Kloster in Essex/England.

17) Vgl. N.P.Poltoratsky, Das russische religionsphilosophische Denken des 20. Jahrhunderts, Artikelsammlung (russ.), Pittsburgh 1975.

 

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