Bericht 2021

 

„Oktober 1950. Heinz studiert im Gebetbuch, Johanna ist mit ihrem Holzschuh beschäftigt. Auf unserer kleinen Wiese.“ Asperden, Hervorster Str. 13 c. Ich habe das Hütchen auf, das Vater von seiner Wallfahrt nach Rom im Heiligen Jahr 1950 mitgebracht hatte. Um diese Reise zu finanzieren, musste er ein Schaf verkaufen.

Nun endlich kam ich dazu, den lange geplanten XX. Band der Studien zur russischen Spiritualität zu schreiben. Manchmal werde ich gefragt: „Haben Sie das aus dem Netz gezogen?“ Da offenbart sich Ahnungslosigkeit. Ich habe diese Menge an Büchern eigenhändig aus Russland hergeschleppt und viel Zeit gebraucht, um die Zitate zu finden, welche die russischen Autoren ungenau zitieren. Dennoch war es bei diesem Buch reizvoll, das Zusammenspiel und die Gegensätze zwischen einem niederländischen Benediktiner und einem russischen Metropoliten nachzuzeichnen. Es ging um Barock-Embleme. Sie dienen dazu, die Worte zu illustrieren, aber auch zum Nachdenken und zur Betrachtung anzuregen.

In zweiter Auflage erschienen: Das Leben spendende Kreuz sowie Starzinnen, Fürstinnen und Törinnen. Ich finde es gut, dass nicht nur Nachfrage nach Wellness, sondern auch nach einer begründeten Kreuztheologie besteht. Bei dem anderen Buch werde ich nach wie vor gefragt: Gibt es Starzinnen? – Dies zeigt, wie wenig sie bekannt sind.

 

Die Netzseite sollte von einer unsicheren zu einer verschlüsselten umgewandelt werden. Das war nicht ganz einfach. Es handelt sich immerhin um 551 Dateien und 422 Verzeichnisse. Erst allmählich stellte der Server alle erforderlichen Werkzeuge zur Verfügung. Nachdem das geschafft war, galt es, mit einem anderen Programm das Hochladen neuer oder geänderter Dateien zu ermöglichen. Auch dabei gab es etliche Hindernisse, bis dieses Werk vollbracht war.

 

Manchmal werde ich gefragt, welche Sprachen ich spreche. In der Schule hatte ich Englisch, Griechisch, Lateinisch und Niederländisch gelernt. An Hochschulen in Bonn, Köln, Münster, Rom und Würzburg hatte ich Akkadisch (Keilschrift), Mittelägyptisch (Hieroglyphen), Altkirchenslavisch, Arabisch, Aramäisch (Targum, die Übersetzung des Alten Testamentes ins Aramäische), Hebräisch (altes und neues), Koptisch, Russisch und Syrisch studiert. In einem Spracheninstitut lernte ich Italienisch und an der Volkshochschule Türkisch. Privat habe ich mich mit Altäthiopisch (Geʿez), Französisch, Jiddisch, Sanskrit und Spanisch beschäftigt. Allerdings spreche ich die allermeisten dieser Sprachen nicht, sondern lese sie.

Nichts in meinem Leben hat so viel Früchte getragen wie meine Beschäftigung mit den Sprachen. Selbst wenn ich nur über rudimentäre Kenntnisse verfügte, war auch das nützlich. Am meisten Ärger entfachte meine Beschäftigung mit Russisch, da dies während meiner jüngeren Jahre als Sprache des Feindes galt. Doch siehe da: Ein russischer Pilger erzählte mir im Kloster Chevetogne aus seinem Leben. Nun wandten sich die anwesenden Wallonen an mich und fragten, was er gesagt habe und ich übersetzte es. Dann sah ich die bittenden Augen der Flamen und übersetzte auch für sie.

 

In die Kirche konnten das Schwarze Bild, das sechs Jahre lang in Dresden restauriert worden war, sowie sechs Figuren, die aus ihr stammen, zurückkehren. Sie alle sind Skulpturen aus der Barockzeit: Zwei Leidensengel (mit Speer und Zange sowie mit Schwamm und Geißelsäule), Immaculata, Nepomuk, Maria und Johannes.

 

Das Gedicht von Simone Adolphine Weil (1909-1943) La porte (Die Pforte), geschrieben im Oktober 1941, begleitet mich seit Jahrzehnten:

 

Ouvrez-nous donc la porte et nous verrons les vergers,
Nous boirons leur eau froide où la lune a mis sa trace.
La longue route brûle ennemie aux étrangers.
Nous errons sans savoir et ne trouvons nulle place.

 

Öffnet uns doch die Pforte und wir werden Gärten sehen,
Ihr kühles Wasser trinken. auf dem der Mond seine Spur hinterließ.
Die lange Straße brennt, feindlich gesinnt den Fremden.
Wir irren in Unwissenheit und finden keinen Ort.

Nous voulons voir des fleurs. Ici la soif est sur nous.
Attendant et souffrant, nous voici devant la porte.
S’il le faut nous romprons cette porte avec nos coups.
Nous pressons et poussons, mais la barrière est trop forte.

Wir wollen Blumen sehen. Hier lastet Durst auf uns.
Hoffend und leidend, stehen wir vor der Pforte.
Wenn es sein muss, erbrechen wir diese Pforte mit unseren Schlägen.
Wir drücken und stoßen, doch die Schranke ist zu fest.

Il faut languir, attendre et regarder vainement.
Nous regardons la porte; elle est close, in­ébranlable.
Nous y fixons nos yeux; nous pleurons sous le tourment;
Nous la voyons toujours; le poids du temps nous accable.

 

Wir müssen sehnen, warten und vergebens schauen.
Wir betrachten die Pforte; sie ist verschlossen, unüberwindlich.
Wir heften unsere Augen auf sie, wir weinen unter der Qual;
Wir sehen sie ständig; das Gewicht der Zeit lastet auf uns.

La porte est devant nous; que nous sert-il de vouloir?
Il vaut mieux s’en aller abandonnant l’espérance.
Nous n’entrerons jamais. Nous sommes las de la voir.
La porte en s’ouvrant laissa passer tant de silance

 

Die Pforte ist vor uns; was nützt uns das Wünschen?
Es ist besser wegzugehen und die Hoffnung aufzugeben.
Wir werden niemals eintreten. Wir sind es müde, sie zu sehen.

Die Pforte öffnet sich und lässt soviel Stille hindurch,

Que ni les vergers ne sont parus ni nulle fleur;
Seul l’espace immense où sont le vide et la lumière
Fut soudain présent de part en part, combla le c
œur,
Et lava les yeux presque aveugles sous la poussière.

dass weder Gärten noch eine Blume erschienen;
Nur der unendliche Raum, in dem Leere und Licht sind,
war plötzlich vollkommen da, erfüllte das Herz
Und wusch die Augen, fast erblindet unter dem Staub.[1]

 

 

Mit dem Fahrrad besuchte ich Hof Grube, Tetekum 39, Seppenrade, ältestes Bauernhaus Westfalens, außerdem Löringhof, Schwansbell, Wilbringen, Niering, Sandfort, Sythen, Brabeck, Brünninghausen, Hohensyburg, Hörde, Hove, Husen, Buddenburg, Dahl, Laer, Bladenhorst, Bodelschwingh, Botzlar, Mark, Fuchsspitze, Rodenberg, Steinhausen, Vondern, Strünkede, Isenberg und Weitmar.

 

Schloß Herten am 25. 12. 2020


 

Neues aus dem Garten: Wie jedes Jahr war die Schlacht gegen das Unkraut zu schlagen: Klettenlabkraut (Galium aparine), Ackerwinde (Convolvulus arvensis), wilde Brombeerranken (Rubus), Brennesseln (Urtica). Die Hortensie hatte sich in den vergangenen Jahren wacker geschlagen; sie entwickelte riesige Blüten. Doch infolge der Trockenheit schaltete sie in den Sparmodus: Sie ließ ein Drittel der Blätter vertrocknen, und als der ersehnte Regen kam, entwickelten sich die restlichen Blätter gut. Sie blühte dankbar. – Eine Stechpalme (Ilex aquifolium) war fast ganz vertrocknet. Doch auch sie hatte das getan, was ich bei der Hortensie beobachtet hatte: Die Pflanze ließ einen Teil der Zweige verdorren, um die anderen zu retten. Jetzt sind die meisten der Zweige belaubt. – Vom Fünffingerkraut (Potentilla reptans) gingen einige Sträucher ein. – Efeu (Hedera helix) ist anfangs zart und weich, wird aber aufdringlich, wenn  es einen Baum umschließt. Die neuere Fachliteratur bemüht sich zwar nachzuweisen, dass Efeu einen großen Baum nicht erdrosseln könne;[2] dennoch habe ich die alten Triebe aus Tannen und aus der Scheinzypresse entfernt, da sie sehr umfangreich geworden waren. Bei der Akazie waren die Haftwurzeln des Efeus tief in die Rinde hineingewachsen. Dann  kamen die Thuja-Bäume an die Reihe. Ja, es gibt nicht nur Hecken dieser Zypressengewächse! – Der Garten wurde um einige Schneeballhortensien (Hydrangea arborescens grandiflor) bereichert. Sie stehen in der Nähe der rotvioletten Bauernhortensien (Hydrangea macrophylla). Das Pfaffenhütchen (Euonymus europæus) gruppierte sich um: Die inneren Stämme verdorrten, aber außen herum trieben die Zweige frisches Grün. – Die Aukube (Aucuba iaponica) hatte starke Frostschäden erltten. Als ich die verdorrten Blätter abschnitt zeigte es sich, dass auch früher schon Schäden vorgekommen waren; denn einige stärkere Zweige waren vor Jahren abgeschnitten worden. Der Strauch sah hinterher zwar etwas gerupft aus, aber es waren noch reichlich grün-goldene Blätter vorhanden. – Die Kalmiendeutzien (Deutzia Kalmiflora) hatten sich von den Entbehrungen der letzten Jahre gut erholt. – Ein Jasminstrauch (Philadelphus virginalis) war wohl im Winter erfroren. Ich schnitt ihn zurück, in der Hoffnung, dass er wieder austreibt. – Das Hornkraut (Cerasminum tomentosum) wurde bei den Baumaßnahmen in Mitleidenschaft gezogen, wird aber demnächst wieder prächtig dastehen. – Zum Geburtstag erhielt ich einen Hibiscus rosa sinensis, den ich allsogleich im Garten einpflanzte. Er blühte prächtig.

 

 

© Pfr. Dr. Heinrich Michael Knechten, Horneburg 2021

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[1] Vgl. Simone Weil, Cahiers, I. Band, Paris 1970; hg. u. übersetzt v. E.Edl u. W.Matz, München u. Wien o.J., 366f.

[2] Vgl. Georg Wilhelm, Efeu an Bäumen – ein Problem? Was wir über die Wirkungen einer außergewöhnlichen Pflanze wissen, Hannover 2010; John Berg, Efeu an Bäumen. Notwarner der Natur, Norderstedt 2018.