Leben und Werk von Semjon L.Frank

Christoph Bambauer

Der äußere Anlass dieser Betrachtung des Lebensweges und der Grundzüge der Philosophie Semjon L.Franks ist der 50. Todestag des russischen Religionsphilosophen am 10. Dezember 2000. An diesem Datum verstarb vor 50 Jahren ein Denker, dessen Name zu Unrecht ein Schattendasein innerhalb der allgemeinen Philosophiegeschichte fristet (1) und dessen philosophische Impulse, sowohl auf dem Gebiet der praktischen als vor allem auch der theoretischen Philosophie, bisher kaum rezepiert wurden. Dies ist der innere bzw. systematische Anlass für diese Würdigung des russischen Denkers. Um einen gewissen Eindruck von seinem Leben sowie seinem Charakter und seiner eng damit verbundenen Religionsphilosophie zu vermitteln, wird in den folgenden Ausführungen in einem ersten, historisch orientierten Teil auf die äußeren Lebensdaten eingegangen, während in einem darauf folgenden systematischen Teil die Grundideen von Franks Religionsphilosophie anhand seines Hauptwerkes "Das Unergründliche" (Nepostishimoe) zur Darstellung kommen.

Das Leben Semjon L.Franks

Semjon Ljudvigowitsch Frank wurde am 16.1.1877 (2) in Moskau geboren, wo er im Mjasniki-Distrikt bei seinen Eltern aufwuchs. Sein Vater, Ljudwig Semjonowitsch Frank, war ein jüdischer Arzt (auch Militärarzt im türkischen Krieg 1877) und sorgte nicht zuletzt aufgrund seiner gesellschaftlich angesehenen Stellung dafür, dass die Familie Frank in Relation zu den meisten Juden im damaligen Moskau gut situiert war und sich frei im Umkreis der russischen Intelligenzia bewegen konnte. Ljudwig Semjonowitsch, 1844 geboren, starb nach langer Krankheit (Leukämie) im März 1882, sodass der gerade erst fünfjährige Frank sich nur wenige und unklare Erinnerungen an ihn bewahren konnte. Felizija Frank, Ljudwigs Mutter, war vor allem künstlerisch interessiert und übte in dieser Hinsicht einen starken Einfluss auf Semjon aus. Sie starb in hohem Alter Anfang des 20. Jahrhunderts in Warschau. Semjons Mutter, Rosalija Moisejewna, wurde im Januar 1856 geboren. Frank führte seine intellektuellen Fähigkeiten insbesondere auf sie zurück. Nach dem frühen Tode seines Vaters wurde Frank vor allem durch Rosalijas Vater, den Teeverkäufer Moisej Rossijanskij, beeinflusst, welcher sich durch gründliche Kenntnisse der jüdischen Theologie sowie der politischen Geschichte des 19. Jahrhunderts auszeichnete. Man kann sagen, dass Moisej, einer der Begründer der Jüdischen Gesellschaft im Moskau der 1860er Jahre, der erste Erzieher von Semjon Frank war. Neben den beiden Geschwistern Sofija und Michail hatte Frank noch einen Halbbruder namens Lew Zak. Semjon wuchs zweisprachig auf (russisch und deutsch), was unter anderem durch den Umstand beeinflusst wurde, dass Felizija Franks Familie aus Deutschland kam. Er war als Kind eher ernsthaft als verspielt und fiel schon früh durch seine Bestimmtheit auf. Ab Herbst 1886 besuchte Frank fast 6 Jahre lang das Lasarewskij Institut für orientalische Sprachen, wobei nicht überliefert ist, dass Frank eine der dort angebotenen orientalischen Sprachen lernte (die 1815 gegründete Schule war zur Zeit Franks schon von einer allgemeineren Ausrichtung geprägt). Im Frühjahr 1891 heiratete seine Mutter erneut; ihr neuer Mann, Wasilij Iwanowitsch Zak, war der nächste bedeutende geistige Einfluss für Frank. W.I.Zak war von extremen sozialistischen Idealen durchdrungen und führte den jungen Frank durch seine Ausrichtung zum politischen Denken, welches sich mit den konkreten sozialen Problemen der Menschen befasst. Im Jahre 1894 schrieb Frank sich an der juristischen Fakultät der Universität Moskau ein (er studierte bei dem bekannten Prof. A.I.Tschuprow), wobei er zu dieser Zeit politisch aktiv war, indem er mit Arbeitern diskutierte und Propagandareden hielt. Zwei Jahre nach Studienbeginn hatte Frank jedoch die Begeisterung für diese politisch-praktischen Tätigkeiten verloren, sodass er mit seinen Freunden brach und sich umso mehr seines eher theoretisch orientierten Wesens bewusst wurde. Sein ursprünglich handlungsorientiertes Interesse am Marxismus verwandelte sich zunehmend in das Bedürfnis, die Grundstrukturen dieser Ideologie einer rein theoretischen Prüfung zu unterziehen. Aufgrund seiner Sympathie mit den marxistisch-humanistischen Idealen verfasste er eine dementsprechend inspirierte Proklamation, die ihm 1899 neben seiner Teilnahme an den damaligen Studentenunruhen unmittelbar vor seinem Staatsexamen ein zweijähriges Universitätsverbot einbrachte. Da Frank über gute Deutschkenntnisse verfügte, konnte er diese Zeit nutzen und schrieb sich im Herbst 1899 an der Berliner Universität in Ökonomie und Philosophie ein. Dort hörte er z.B. Simmel, Windelband sowie Riehl und schrieb darüber hinaus eine systematische Abhandlung über den Marxismus, womit er ein Anliegen verwirklichte, dessen Notwendigkeit er bereits in Moskau empfunden hatte. Im Jahr 1900 wurden seine Überlegungen unter dem Titel "Marx’ Werttheorie und ihre Bedeutung – eine kritische Studie" veröffentlicht, worauf 1901 seine Zulassung zum Staatsexamen erfolgte. Die nächsten Jahre bezeichnete Frank als seine "Lehr- und Wanderjahre", an deren Beginn eine gewisse innere Orientierungslosigkeit stand: Durch seine ernsthaften theoretischen Zweifel an Marx sowie sein schwindendes Interesse an der Ökonomie tat sich eine Leere auf, die jedoch schon bald durch Franks Nietzsche-Lektüre verdrängt werden sollte. Schon zu seiner Gymnasialzeit hatte er sich mit Spinoza beschäftigt, der bekanntlich von Nietzsche als sein geistiger Vorgänger angesehen wurde. Nachdem Frank im Jahr 1901/1902 mit seiner Mutter und Lew Zak nach Jalta gekommen war, las er in einem Zustand äußerster Anregung Nietzsches "Also sprach Zarathustra", das ihn insbesondere durch die ihm eigene Intensität in der Freilegung der seelischen Tiefendimension in den Bann schlug. Das existentielle Pathos, das aus diesem Werk sprach, bewirkte eine verstärkte Wendung von einer nur theoretisch-distanzierten Haltung hin zu einer aus der konkreten Existenz vollzogenen Philosophie, wobei freilich immer beide Aspekte das geistige Schaffen Franks prägten. In der Folgezeit hatte Frank keine feste Arbeit und hielt sich mit dem Schreiben von Artikeln und mit Übersetzungen aus dem Deutschen ins Russische über Wasser. Er vertiefte die schon 1898 geschlossene und lebenslang andauernde Freundschaft mit Peter Struwe, für den er auch Artikel anfertigte. An Übersetzungen sind vor allem Kuno Fischers "Geschichte der neuen Philosophie", Windelbands "Präludien" sowie Schleiermachers "Reden über die Religion" zu nennen. 1906 wurde er schließlich am Stojunina-Gymnasium als Lehrer für Philosophie angestellt (3), womit vorerst eine gewisse materielle Sicherheit verbunden war. Mit diesem Ereignis endeten Franks Lehrjahre, und die Petersburger Jahre nahmen ihren Anfang. Das offene geistige Klima in Petersburg hatte einen durchaus positiven Einfluss auf Frank, der in dieser Zeit (1908) auch seine ehemalige Hörerin Tatjana Sergejewna Barzewa heiratete. Darüber hinaus trat Frank der religiös-philosophischen Gesellschaft bei, der u.a. Berdjajew, Bulgakow und einige Symbolisten (Blok, Gippius, Iwanow etc.) angehörten. Durch seine Mitarbeit an der von seinem Freund Struwe redigierten Zeitschrift "Russkaja mysl’" verfügte Frank auf der einen Seite über ein Ausdrucksmedium, während er auf der anderen Seite mit Denkern in Kontakt kam, die aus der geistigen Welt Solowjows heraus lebten. Diese spirituelle und philosophische Atmosphäre ließ Frank zu seinen grundlegenden philosophischen Positionen kommen: Sowohl seine Vorliebe zur Intuition als auch sein Ontologismus finden hier erstmals ihre klare Ausbildung (4). Zu dieser Zeit setzte er sich besonders mit Platon, Hegel, Plotin und Husserl auseinander, darüber hinaus beschäftigte er sich mit Goethe und Tjutschew. Wichtig war ebenso das Erscheinen der Aufsatzsammlung "Wjetschi" (Wegmarken), an der Frank zusammen mit Denkern wie Berdjajew, Struwe und Bulgakow mit einem Beitrag beteiligt war. Der Inhalt des Werkes kann als Kritik an den Ideen der russischen Intelligenz beschrieben werden, und Frank wurde durch "Wegmarken" in der literarisch-politischen Öffentlichkeit bekannt. 1910 wurde sein erster Aufsatzsammelband "Filosofija i shisn’" (Philosophie und Leben) veröffentlicht, wonach Frank 1911/1912 sein Magisterexamen absolvierte. 1912 ist auch in anderer Hinsicht ein bewegtes und wichtiges Jahr für Frank: Er trat zur orthodoxen Kirche über und wurde Privatdozent an der Universität Petersburg. Dort beschäftigte Frank sich besonders mit dem Problem des Wissens und erhielt ein Stipendium, um in Deutschland, genauer in Marburg und München, forschen zu können. In diese Zeit fällt die intensive Ausarbeitung seines Werkes "Der Gegenstand des Wissens. Über die Grundlagen und Grenzen des begrifflichen Wissens" (Predmjet znanija. Ob osnowach i predjelach otwletschennowo znanija), welches schließlich 1915 veröffentlicht und von Frank als Magisterdissertation verteidigt wird (5). Mit diesem Buch hatte er sich endgültig auch bei den Philosophen einen Namen gemacht, und zwei Jahre später stellte Frank seine Doktorarbeit "Die Seele des Menschen" (Duscha tschelowjeka) fertig, die er allerdings aufgrund der politischen Wirren nicht mehr verteidigen konnte. Trotz dieses Umstandes kam sie im selben Jahr zur Publikation. Neben diesen Ereignissen erhielt Frank einen Ruf als Ordinarius und Dekan an die neu errichtete Universität in Saratow, der Heimatstadt von Franks Frau. Vier Jahre später wurde er von der Universität in Moskau zum Professor ernannt und siedelte nach Moskau über. Hier gründete er mit Berdjajew zusammen die sogenannte Kulturakademie, eine Akademie für geistige Bildung, die in Form von Abendkursen eine Art geistiger Bildung für alle Bevölkerungsschichten bereit stellte. Aufgrund der sich nun immer stärker Bahn brechenden Revolution wurden im August/September 1922 viele Intellektuelle verhaftet und ins Exil geschickt. Deutschland hatte sich zur Aufnahme von Russen bereit erklärt. Neben Berdjajew, Losskij, Bulgakow und Stepun wurde auch Semjon Frank Opfer dieser unheilvollen Ereignisse, sodass er nach Berlin ging. Die Revolution zeitigte bei Frank eine immense Wirkung; mehr denn je fühlte er sich zu einer kritischen Betrachtung der Lebensverhältnisse und ihrer Deutung veranlasst und widmete sich intensiv der Welt des Geistes (6). In Berlin arbeitete er nun als Lektor für russische Literatur und Philosophie an der slawistischen Fakultät. Doch stellte sich Frank und den verbannten Russen das Problem ihrer Emigrationssituation: Man musste nun auf seine Kultur aufpassen und sie pflegen, um sie an die jüngere Generation weiter geben zu können. Um also die russische Geistesart zu erhalten und auszudrücken, wurde in Berlin unter Beteiligung Franks ein Russisches Wissenschaftliches Institut gegründet, was natürlich einen gewissen zeitlichen Aufwand bedeutete. Trotzdem widmete Frank sich nebenher noch dem Studium der westeuropäischen Philosophie (besonders Scheler) und der philosophischen Deutung der russischen Literatur. Des weiteren hielt er viele Vorlesungen und Vorträge u.a. in Deutschland, Frankreich, Holland, Italien, der Tschechoslowakei, der Schweiz, Polen und auf dem Balkan. 1934 nahm Frank auch am Internationalen Philosophenkongress in Prag teil. Diese geistige Aktivität Franks manifestiert sich auch in den zahlreichen Beiträgen, die vor allem in den Zeitschriften "Hochland", "Zeitschrift für slawische Philologie" und "Germanoslavica" veröffentlicht wurden. Zu dieser Zeit tat sich insbesondere der Psychiater Ludwig Binswanger als jemand hervor, der stets ein freundschaftliches Verhältnis zu Frank hatte. Da Frank Jude war, verlor er 1933 seine Stellung und musste 1938 erneut in ein Exil. Knapp zwei Jahre zuvor hatte er ein zweites großes Werk, "Das Unergründliche", beendet, doch die politischen Umstände in Deutschland machten seinen Druck unmöglich. Mit seiner Frau und seinem zweiten Sohn flüchtete Frank nach Südfrankreich, während seine drei anderen Kinder nach London gingen. Ungeachtet der enormen psychischen Belastung durch die geschehene Trennung der Familie arbeitete Frank "Das Unergründliche" um und übersetzte es ins Russische, sodass es 1939 unter dem leicht abgewandelten Titel "Das Unbegreifbare" in Paris erscheinen konnte (7). Noch im selben Jahr begann er mit der Ausarbeitung eines weiteren Werkes, "Licht im Dunkel" (Swjet wo tmje), welches 1941 zur Veröffentlichung kommt. Und als wäre das nicht genug, verfasste Frank in nur vier Monaten das Werk "Gott mit uns" (S nami Bog), den Entwurf einer in der Existenz gründenden Religionsphilosophie. Im November 1945 ging Frank nach London, sodass die Familie Frank wieder vereinigt werden konnte. Dort erlebte der Schaffensdrang Franks einen erneuten Aufschwung, wobei zunehmend die Macht des Bösen als Gegenstand seines philosophischen Denkens in den Mittelpunkt rückte. Verstärkt wandte Frank sich den Werken Solowjows zu, in denen er einen ihm verwandten Geist erblickte. Neben der Veröffentlichung verschiedener Aufsätze über Solowjow arbeitete Frank ab 1949 an seinem letzten großen Werk, "Realität und Mensch" (Realnost' i tschelowjek). Frank litt schon seit Jahren an einer Herzkrankheit und wurde durch seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen immer wieder im Laufe seines Lebens gebremst. Doch als im September 1950 Lungenkrebs diagnostiziert wurde, konnte Frank dieser mehrfachen Belastung körperlich nichts mehr entgegensetzen und starb am 10.12.1950. Er wurde auf dem russischen Friedhof in Hendon im Nordwesten von London begraben. Trotz eines bewegten und unruhigen Lebens, trotz ständiger Geldnot (8) und gesundheitlicher Beschwerden wandte Frank seinen geistigen Blick stets auf das Wahre und hielt an seinen als evident erkannten Prinzipien der Philosophie fest, auch wenn er dafür zeitweise in geistiger Isolation leben musste.

Nach dieser allgemeinen Darstellung der äußeren Lebensdaten und der wichtigsten Einflüsse Franks soll nun im systematischen Teil dieser Würdigung des russischen Denkers auf die geistigen Inhalte eingegangen werden, denen sich Frank in seiner Philosophie gewidmet hat.

Die Philosophie Semjon L.Franks

Es ist nicht ganz unumstritten, welche Arbeit von Frank als sein Hauptwerk bezeichnet werden sollte. Während Bobbyer das Spätwerk "Reality and Man" als maßgeblich ansieht (9), hält Tannert vielmehr seinen Erstling "Der Gegenstand des Wissens" für Franks wichtigste Veröffentlichung (10). In diese Diskussion soll mit den vorliegenden Ausführungen nicht eingegriffen werden, doch kann man mit einer gewissen Rechtfertigung auch "Das Unergründliche" als das Zentrum und den Höhepunkt von Franks geistigem Schaffen ansehen, da es in systematischer Hinsicht eine Zwischenstellung bezüglich der eher logisch-erkenntnistheoretisch orientierten Erstlingsschrift und den späten, primär existentiell geprägten Werken einnimmt und somit die Stärken beider Denkweisen vereint. Um diese Herangehensweise zu belegen, wird im Folgenden eine Betrachtung des in "Das Unergründliche" eingeschlagenen Gedankenganges vorgenommen und anhand der in diesem Werk ausgearbeiteten Ontologie die Weltsicht Franks näher erläutert.

"Attingitur inattingibile inattingibiliter". Dieses Zitat aus Nikolaus von Kues’ "Idiota de mente" hat Semjon Frank seinem umfangreichen, 1939 in Paris auf russisch veröffentlichten Hauptwerk vorangestellt und damit zugleich eine der in "Das Unergründliche" erarbeiteten Grunderkenntnisse in prägnante Worte gefasst. Nach Franks Ausführungen im Vorwort wurde "Das Unergründliche" von ihm als synthetische Neukonfiguration seiner bisherigen Überlegungen zur Psychologie, Sozialphilosophie (11) und Religionsphilosophie konzipiert (12) und sollte seine Weltanschauung auf den systematischen Kulminationspunkt der Religionsphilosophie hin zuspitzen und konkretisieren. Sofern das "inattingibile" mit Gott identifiziert wird, ist mit dem Zitat des Cusaners natürlich der Kern der im Ausgang vom Areopagiten entwickelten Tradition der apophatischen Theologie getroffen, wobei sich diesbezüglich die Frage stellt, was genau mit diesem Begriff in der Philosophie Franks bezeichnet ist. Nicht zuletzt unter diesem Gesichtspunkt wird sich unsere Nachzeichnung der Gedankenentwicklung des Werkes vollziehen.

Gleich zu Beginn des Werkes zeigt sich ein charakteristischer Zug des frankschen Philosophierens, wenn er auf die Relation von Wissenschaft und alltäglicher Lebenswelt eingeht: Wissenschaft und Leben können nicht getrennt werden, da schon die wissenschaftliche Begrifflichkeit auf die alltägliche Sprache zurückzuführen ist und das Prinzip der Welterforschung letztlich nichts anderes ist als die schon im Kind vorfindliche Neugier und der ursprüngliche Erkenntnisdrang des Menschen. Dies betrifft auch die vermeintlich abgehobene Metaphysik, die sich mit den höchsten und teilweise sehr abstrakten Dingen beschäftigt. Das wissenschaftliche Denken darf nicht vom Leben isoliert, sondern muss vielmehr als dessen Funktion verstanden werden, woraus wiederum eine Praxisrelevanz auch logischer und metaphysischer Erkenntnisse resultiert. Von dieser einführenden Analyse aus geht Frank dazu über, eine logisch-phänomenologische Betrachtung der menschlichen Weltwahrnehmung zu entwerfen: Die Welt ist für die Menschen strikt eingeteilt in das Bekannte und das Unbekannte, wobei diese Dichotomie im menschlichen Bewusstsein ursprünglich durch die trennende Arbeitsweise des Verstandes erzeugt wird. Dabei haben die logisch-metaphysischen Begriffe wie z.B. "Substanz" oder "Gott" den funktionalen Status einer Erklärung inne und suggerieren dem Menschen, dass 1. das begrifflich Gefasste einfach als bekannt und inhaltlich erschöpft angesehen werden kann, und dass 2. prinzipiell alles erkennbar sei, wenn man nur lang genug forschen bzw. genügend Begriffe bilden würde. Aus dieser Sichtweise des Universums wird ein ganz spezifischer Weltbegriff generiert: "Das Sein erstarrt für uns zur bekannten Welt, sofern die Realität – um einen Ausdruck Descartes’ zu gebrauchen – ‚klar und deutlich’ erfaßt wird und auch nur als so erfaßbar gedacht wird, d.h. als bestehend aus entsprechenden klaren und distinkten Inhalten, sofern sie sich uns – mit anderen Worten – als eine gegenständliche Welt zeigt, als eine dem erkennenden Blick vorliegende und für ihn überschaubare Einheit von faßbaren, im Prinzip ‚durchsichtigen’ Inhalten und Daten, die eine begriffliche Fixierung zulassen" (13).

Im Rekurs auf das platonisch-aristotelische Diktum des θαυμάζειν als Beginn des philosophischen Denkens weist Frank auf das noch zum Staunen fähige Bewusstsein des Kindes hin, dessen Welt seinen Zauber nicht durch bloße Benennung der in ihr befindlichen Gegenstände verliert. Das Problem besteht nun darin, dass der Mensch diese Fähigkeit im Laufe des Erwachsenwerdens zunehmend einbüßt und schließlich keinen Sinn mehr für das Wunderbare und Unbekannte im vermeintlich Bekannten besitzt. Doch auch der nüchterne Sachmensch kennt das Gefühl, vor einem Mysterium oder etwas Unbekanntem zu stehen, wenn bestimmte Ereignisse in sein alltägliches Leben einbrechen: Dieses Gefühl kann einerseits durch besonders eindrucksvolle ästhetische Erfahrungen oder auch durch negative Erlebnisse wie z.B. den schockierenden Verlust eines geliebten Menschen zustande kommen, andererseits jedoch ebenso über die Erfahrung von unbändigen Naturgewalten vermittelt sein. In diesen Momenten erlebt der Mensch einen Zustand, der gewissermaßen an das kindliche Staunen erinnert, er spürt, dass die Welt eben nicht aus nur aktuell oder potentiell erkennbaren Fakten besteht, sondern dass die vermeintliche Bekanntheit der Weltdinge vielmehr eine rein oberflächliche und somit philosophisch unzureichende ist. Dies ist die genuin philosophische forma mentis: Das Selbstverständliche wird zum Fraglichen und zu Befragenden, das Sichere und Bekannte wandelt sich zum Unsicheren und Unbekannten, wobei sich dieser Werdeprozess als ein rein psychologischer vollzieht, denn tatsächlich geht dem Menschen nach Frank in solchen Momenten die Wahrheit über die ontologische Tiefe der Welt und über sein eigenes Wesen auf, welche schon bestand, bevor der Mensch auf sie gestoßen ist bzw. wurde. Frank zielt mit diesen Überlegungen auf ein Gewahrwerden der Sphäre der religiösen Erfahrung in der Psyche des Lesers ab, da er auch von ihm erwarten muss, dass er durch das alltägliche Denken verlernt hat, seinen etwaigen mystischen Erfahrungen und Wahrnehmungen des Unergründlichen einen wahrheitsrelevanten Status einzuräumen oder sie wenigstens einen Moment lang möglichst frei von kategorischen Verstandesurteilen zu betrachten. Der Mensch muss vorstoßen zum Reich "hinter" der Gegenstandswelt, in den letztgültigen Sinnbereich, der nicht mehr ohne weiteres in das Verstandesschema des Entweder-Oder eingezwängt werden kann, sondern als darüber erhaben erfahren wird.

Doch warum hat nicht der Verstand recht, und all diese Intuitionen sind nichts als für die Erkenntnis wertlose Phantasiegebilde? An dieser Stelle argumentiert Frank gegen die Absolutheit des Verstandes mit einem Zirkeleinwand: Wenn der Verstand sich selbst zum Richter macht, urteilt der Verstand über sich selbst und es liegt der Fall einer petitio principii vor. Diese ist bekanntlich formallogisch untersagt, da man im anderen Fall alles (und somit nichts) beweisen kann, wenn man das zu Beweisende bereits willkürlich in die Prämissen hineinlegt. Es scheint, als ob sich in dieser Frage der Verstand und die Intuition unversöhnlich gegenüberstehen würden und dass keine Auflösung dieser Situation möglich sei, doch gibt Frank sich damit nicht zufrieden. Auch die skeptische Position, die beide Ansichten als gleichberechtigt einstuft, hat problematische Implikationen, da auch sie aufgrund ihrer verstandesmäßigen Struktur letztlich nur eine inadäquate Lösungsstrategie anbieten kann. Frank greift von diesen in die Aporie führenden Überlegungen aus die für sein Denken grundlegende Frage auf, die bezüglich des Unergründlichen nach einer philosophischen Antwort verlangt: "Kann man behaupten, daß es in der Realität selber tatsächlich nichts gibt, was nicht in das Schema des ‚Bekannten’, ‚Verständlichen’ oder ‚Begreifbaren’ eingeordnet werden könnte? Oder, umgekehrt, läßt sich die objektive Präsenz des ‚Unergründlichen’ im Bestand der Realität selber aufzeigen? (14)" Um sich einer Klärung dieser Frage annähern zu können, geht Frank in seinen weiteren Ausführungen genauer auf den Begriff des Unergründlichen ein und unterscheidet es in einem ersten Schritt streng von dem "Ding-an-sich" der theoretischen Philosophie Kants, das bekanntlich ein konstitutives Resultat der Selbstkritik der Vernunft darstellt (15). Während bei Kant die Wirklichkeit in ihrer unverzerrten Selbstheit nicht erkannt und nicht erfahren werden kann, ist das Unergründliche Franks zwar für die begreifende Erkenntnis unzugänglich, doch dem menschlichen Bewusstsein in der Erfahrung nicht vollkommen transzendent. Vielmehr ist es dem Menschen durch transrationale Intuition möglich, das Unergründliche auf verschiedene Weisen und Ebenen der Realität wahrzunehmen. Frank differenziert den Begriff des Unergründlichen im weiteren Verlauf seiner Analyse in das Unergründliche für uns und das Unergründliche an sich, wobei ersteres durch die faktische Begrenzung des menschlichen Erkenntnisvermögens, letzteres aufgrund der prinzipiellen Beschaffenheit des Unergründlichen selbst gegeben ist. Das Unergründliche für uns entspricht der Erfahrung des Unergründlichen, während das Unergründliche an sich primär durch seinen nicht logifizierbaren Inhalt charakterisiert ist. Obwohl das Unergründliche für uns leichter zu analysieren ist, weist Frank zu Recht auf die Tatsache hin, dass das nur subjektiv Unergründliche über eine nur geringe prinzipielle Aussagekraft bezüglich der Wirklichkeit verfügt, sodass das philosophische Interesse besonders auf das Unergründliche an sich gerichtet sein sollte. Dabei gilt es, drei distinkte Seinsebenen auseinander zu halten, auf denen das Unergründliche in der entsprechenden Gegebenheitsform anzutreffen ist: 1. Die Ebene des gegenständlichen Seins (die uns umgebende Welt), 2. unser eigenes, inneres Sein (sowohl das Selbstbewusstsein als auch die Intersubjektivität), und 3. diejenige Ebene der Realität, welche beiden genannten ontologischen Regionen umfasst und ihnen als All-Einheit zugrunde liegt. Diese Einteilung dient Frank für den Rest des Werkes als systematischer Leitfaden, an dem er sich in seinen weiterführenden Analysen reflektierend entlangbewegt (16). Dementsprechend widmet sich die jener Systematisierung folgende Analyse zuerst dem Unergründlichen im gegenständlichen Sein, wobei Frank direkt auf Resultaten aus seinem Werk "Der Gegenstand des Wissens" aufbaut.

Die Grundbedingung jeder Erkenntnis ist die Explikation gegenständlichen Wissens in der Form eines Urteils, wobei der Gegenstand des Wissens als ein inhaltlich bestimmtes oder unbestimmtes "etwas" gefasst wird. Aus der frankschen Analyse der Urteilsformen ergibt sich, dass jedes synthetische Urteil der Form "A ist B" auf ein thetisches der Form "A ist" zurückgeführt werden kann, was in diesem Fall bedeuten würde, dass man "A ist B" als "AB ist" schreiben könnte. Während "A" den logisch bestimmten Inhalt des Urteilobjekts darstellt, liegt in der Kopula "ist" die unbestimmte Tiefe des Bereichs des gegenständlichen Wissens verborgen. Das "A" wird quasi aus dem Bereich des Seins überhaupt ausdifferenziert und zu diesem in eine spezifische Relation gesetzt, wodurch das allgemeine Sein in die Form der Kopula umgeformt wird, da das unbestimmte Sein zu einem seiner vorher noch impliziten Inhalte durch dessen begriffliche Explikation eine definite Relation eingegangen ist. Die adäquate Formel für gegenständliches Wissen wäre also "X ist A", wobei "X" unbekannt und "A" als der bekannte Aspekt von "X" verstanden werden muss. Evident ist hier, dass der logische Inhalt "A" nicht vom unbekannten "X" getrennt werden kann, da das "X" die sinnhafte Region ist, aus der heraus das Erkennen von "A" überhaupt erst ermöglicht wurde und da somit das "A" in gewisser Weise in "X" gegründet ist. Es ist also unzulässig, das Erkannte vom Unerkannten oder Unbekannten zu abstrahieren, da das Unbekannte den notwendigen urteilslogischen Hintergrund eines jeden gegenständlichen Wissens darstellt. Damit macht Frank deutlich, dass die Blickrichtung auf das Unbekannte die unhintergehbare Bedingung der Möglichkeit eines jeden Wissens ist und untermauert mit diesen theoretischen Überlegungen insofern seine zu Anfang getätigte Behauptung der gefühlsmäßigen Bedeutsamkeit des Unergründlichen, indem er die Problematik auf der rationalen Ebene neu durchdenkt. Auch derjenige Mensch, der sich nur an das sichere und bekannte Wissen halten will, ist in Wirklichkeit nur temporärer Gast auf der winzigen Insel des oberflächlich Bekannten und treibt unbewusst auf dem unendlichen und dunklen Meer des Nichtwissens. Das unbekannte "X" ist einerseits in jedem bekannten "A" implizit und auf geheimnisvolle Weise mitgegeben und macht andererseits durch seine Abwesenheit in der inhaltlichen Explikation jede Art von bestimmter Bedeutung erst möglich.

Gegenüber der grenzenlosen Weite des mystischen Bewusstseins, das nicht an die engen und statischen Grenzen des Verstandes gekettet und für das Unergründliche offen ist, stellt sich der am Endlichen und vermeintlich Bekannten orientierte Geist geradezu als wahnhaft dar, da er nicht aus seiner kleinen und letztlich künstlichen Eigenwelt ausbrechen kann und somit von der wahren, d.h. unendlichen und vielfältigen Realität isoliert ist. Er sieht nicht nur die einzelnen gegenständlichen Inhalte der Objektwelt als fest und mehr oder weniger bekannt an, sondern trennt sich als ein der Welt gegenüberstehendes Einzelsubjekt von dem Rest der Wirklichkeit ab. Nur so kann der Mensch auf die unlogische und irrsinnige Geisteshaltung des Egoismus verfallen und sich für den Mittelpunkt der Welt halten. Freilich ist hierzu die von Frank hervorgehobene Bemerkung notwendig, dass das menschliche Bewusstsein die Unendlichkeit nur potentiell umfasst und ihm kein aktueller Zugriff auf alle unbekannten endlichen Inhalte sowie auf das Unbekannte als solches möglich ist. Jedes Seiende als ein als solches in den Wissensbestand des menschlichen Wissens eingegangene gehört immer schon zum unendlichen und unbekannten Sein, welches zwar immer den unbewussten Boden für jede Erkenntnis darstellt und insofern dem Menschen als geistiger Besitz immer schon mitgegeben ist, zugleich jedoch aufgrund seiner wesenhaft ungegenständlichen (d.h. den Verstand prinzipiell transzendierenden) Beschaffenheit nie Gegenstand eines verobjektivierenden Urteils werden kann.

Bei dieser Erörterung des für den Menschen Unergründlichen stellt Frank an dieser Stelle der Analyse, die Position des Skeptikers einnehmend, die kritische Frage, ob denn das bisher als das Unbekannte Bezeichnete wirklich mit dem Unergründlichen zusammenfalle, da man doch immer noch von einer prinzipiellen Erschöpfbarkeit der Inhalte des Unbekannten ausgehen könnte. Dieser Punkt ist insofern von immenser erkenntnistheoretischer und logischer Relevanz, als mit der apriorischen Annahme eines objektiv geltenden, also mit Anspruch auf transsubjektive Gültigkeit verbundenen Wissens der Grund für die Einstufung eines Urteilsinhaltes als objektiv geltend uns somit als wahre Aussage über die subjektunabhängige Wirklichkeit gegeben ist: "Für Gott – für ein unendliches Bewußtsein und ein unendliches Erkenntnisvermögen – kann es in dieser Hinsicht, wie es scheint, nichts Unbegreifliches geben" (17). Doch zeigt Frank im Fortgang seiner Analyse, dass dieser skeptische Einwand noch von einem kategorischen Unterschied von Ergründlichem und Unergründlichem ausgeht, der sich jedoch in Franks Aufweisung der Notwendigkeit einer Zusammenschau beider Begriffe in seiner starren Form als obsolet erwiesen hat und in einen graduellen Unterschied transformiert werden musste. Phänomenologisch zeigt sich das für uns Unergründliche als an der Unermesslichkeit des Raumes und der temporalen Unendlichkeit erfahrbar, wobei nicht nur das unendlich Große, sondern auch das unermesslich Kleine eine Art Abgrund für den menschlichen Geist darstellt. Darüber hinaus erweist sich die zeitliche Dimension der Zukunft als ein dem Menschen unbekanntes "X", welches sich erst nach und nach in ein "A" verwandelt, welches seinerseits wieder wissenstheoretisch auf dem unendlichen "X" des Seins basiert. Den abgetrennten Gegenstand "A", über den man potentiell alles wissen könnte, gibt es gar nicht, sondern alles vermeintlich vollkommene Wissen über "A" ist in Wirklichkeit immer nur ein partielles Wissen von "X", dem für uns Unergründlichen. Besonders eindrücklich kann das für uns Unergründliche in dem eigenen Innenleben, in den Untiefen der menschlichen Seele erfasst werden: Die unbeantworteten Fragen nach der Herkunft, der wahren Identität und der Betroffenheit unseres Ichs durch den Tod lassen auch und gerade in der Sphäre der anscheinend vertrauten Unmittelbarkeit der individuellen Subjektivität das Rätselhafte und Mysteriöse aufscheinen (18). Folglich ist alles Erkannte zugleich unbekannt und das Unbekannte als solches zugleich bekannt, doch ist dem Menschen nur die Existenz, nicht jedoch die Essenz des für uns Unergründlichen gegeben.

Nach der Betrachtung des Unergründlichen in Relation zur menschlichen Erkenntnisfähigkeit wendet sich Frank dem wesensmäßig Unergründlichen im gegenständlichen Sein zu und greift in diesem Kontext die vorher schon erwähnte Problematik auf, ob alles Sein prinzipiell erkennbar sei. Diesbezüglich macht er geltend, dass das Sein nicht als Inbegriff bestimmter Inhalte gedacht werden kann, sondern vielmehr diese nur in einem Urteil explizierbaren Inhalte hat, aber diese Inhalte nicht ist und sich nicht darin erschöpft. Wenn das Sein selber nur einen bestimmten Inhalt repräsentieren würde, wäre es ja ein Seiendes und somit gegenständlich und endlich: "Das Sein ist nicht ein Inhalt, ein Enthaltenes, sondern ein Enthaltendes – oder es ist zumindest die Einheit des einen und des anderen" (19). Aufgrund dieses Seinsverständnisses als einer über das Seiende in einem wesenhaften Überschuss an ontologischer Reichweite und Intensität hinausgehenden Sphäre wird das logisch Fassbare als das dem Verstand Zugängliche transzendiert, und das Sein erhält einen metalogischen Charakter. Die metalogische Struktur des Seins wird von Frank anhand einer Analyse der logischen Urteilsform untersucht und insbesondere durch eine genaue Betrachtung der Prinzipien der Bestimmtheit und der Begründetheit erhellt: Sowohl analytische als auch synthetische Urteile (in der Terminologie Kants) sind nach Frank synthetische Urteile, da alle auf die Formel "A ist B" zurückgeführt werden können. Wenn nun "A" identisch mit "B" wäre, könnte man beide nicht miteinander identifizieren, was jedoch in der schematischen Urteilsform "A ist B" getan wird. Also ergibt sich die paradoxe Situation, dass "A" nicht "B" sein darf, damit beide Elemente im Urteil "A ist B" verknüpft werden können. Warum kann man unter diesen Bedingungen ("A" ist nur "A" und "B" ist nur "B") einen notwendigen Zusammenhang zwischen beiden konstatieren, wenn beide ideellen Entitäten nur mit sich selbst identisch sind? Wie in aller Welt ist Begründung überhaupt möglich, wenn das zu Begründende mit dem Begründenden nicht verbunden ist? Diese Überlegungen zeigen die Unmöglichkeit auf, von als genuin isoliert verstandenen Inhalten zu logisch strukturierten Begründungsrelationen zu gelangen und verweisen somit auf die Notwendigkeit einer ursprünglichen, all-einheitlichen Ganzheit des Seins, aus welcher die jeweiligen Inhalte in ihrer Konkretion durch Abstraktion gewonnen, also die Einzelobjekte in ihrer spezifischen Geltung aus dem Umfassenden deduziert werden. Die Begründungsstrukturen zwischen den jeweiligen Entitäten sind nur durch die implizite und als logischer Verweisungshorizont in Erscheinung tretende Ganzheit möglich. Von dieser Erkenntnis aus spannt Frank den Bogen zum Prinzip der Bestimmtheit, um dessen Relation zum Begründungsproblem zu verdeutlichen: Alle begriffliche Determination kommt durch die Anwendung der formallogischen Gesetze der Identität, des verbotenen Widerspruchs und des ausgeschlossenen Dritten zustande. Das allgemeine Prinzip der Bestimmung ist also durch eine triadische Binnendifferenzierung charakterisiert und erfüllt die Aufgabe der Analyse, der Zergliederung einer ursprünglich vorliegenden Einheit in distinkte Elemente. Doch muss man daraus folgern, dass sich die bei der Analyse vorausgesetzte Einheit den Zergliederungsprinzipien entzieht: "Ist dem aber so, dann ist diese Einheit selber – dieser Schoß, aus dem aufgrund des Prinzips der Bestimmtheit die gegliederte Gesamtheit von Bestimmtheiten hervorgeht – den angezeigten logischen Prinzipien oder Gesetzen nicht unterworfen, sondern erhebt sich über sie, besser gesagt, liegt tiefer als sie, bildet eine ursprünglichere Schicht der Realität. Diese Schicht nennen wir die metalogische Einheit" (20). Damit hat Frank gezeigt, dass sowohl die analytische Differenzierung als auch die begründende Relation nur durch die Einheit des Seins ermöglicht wird und dass diese aufgrund ihrer geltungstheoretischen Vorläufigkeit metalogisch strukturiert ist, also den formallogischen Bestimmungsprinzipien nicht untersteht, da sie diese erst möglich macht. Im Gegensatz zum abstrakten Wissen steht die ganzheitliche Schau der metalogischen Einheit des Seins, die als Quelle alles abstrakten Wissens den Grund und Boden für alles gegenständliche Wissen darstellt. Frank kommt auf diese Weise zur Annahme von zwei Arten des Wissens: Einerseits gibt es das logisch-begriffliche Wissen von einem Gegenstand, welches sich aus der Tätigkeit der Analyse speist, andererseits kann der Gegenstand durch metalogische Intuition im Kontext der absoluten Ganzheit geschaut werden. Die Relation beider Erkenntnisebenen ist jedoch nicht diejenige der logischen Identität, sondern eine metalogische Ähnlichkeit, woraus folgt, dass man immer nur über die metalogische Einheit nachdenken, nicht aber sie selbst aussprechen kann.

Franks Analyse der Struktur von logischer Bestimmung und Begründung mit dem Resultat der Notwendigkeit einer apriorischen Präsupposition einer über die dualistische Bestimmung hinausgehenden Einheit führt somit zum Begriff des Unergründlichen an sich, das objektiv im Wesen des Seins und des Denkens durch Intuition vorfindlich ist. Diese Unergründlichkeit liegt also nicht im begrenzten menschlichen Erkenntnisvermögen, sondern in der Realität selbst begründet: Das Irrationale bzw. Transrationale in Form der metalogischen Einheit ist die substrathafte Grundlage metalogischer Konkretheit. In diesem Zusammenhang wendet sich Frank gegen den starren Begriff der Substanz, da dieser fälschlicherweise eine unproblematische Isolierbarkeit einzelner Inhalte von der All-Einheit des Seins suggeriert. Auch Gott ist nach Frank nicht als Substanz zu denken, da auch er immer nur in Relation zur Schöpfung begriffen werden kann, was insofern Anspruch auf Konsistenz erheben kann, als Frank zuvor gezeigt hat, dass begriffliches Denken wesensmäßig auf Bestimmung und Begründung, also auf strukturellen Relationen beruht.

Die metalogische Einheit stellt nach Frank eine Synthese von Rationalem und Irrationalem dar; das transfinite Wesen der Realität impliziert in begrifflicher Sicht ihre Transdefinitheit, sodass man in dieser Sphäre des Bewusstseins nicht mehr mit dem Verstand, sondern nur noch mit mystischer Anschauung und dialektischem Denken der Ganzheit erkennen kann. Da das Wesen der Realität in einer unanalysierbaren Einheit besteht, kommt ihr und, aufgrund des impliziten "X" in jedem "A", auch jedem in ihr vorfindlichen Aspekt die Eigenschaft der Einzigartigkeit zu, durch welchen Gedankenschritt Frank das Prinzip der Individualität in die Diskussion einführt und auf diese Weise seine teilweise recht theoretischen Analysen an die personal-menschliche Existenz rückbindet. Alles Konkrete ist individuell und durch diese Seinsweise unendlich wertvoll und unersetzbar. Dementsprechend ist die Liebe zum Einzelnen bzw. zu allem Existierenden die einzig adäquate Geisteshaltung, um dem Unergründlichen der Realität und dem einzelnen Seienden zu begegnen.

Im weiteren Verlauf der Gedankenbewegung untersucht Frank die Frage, wie denn die metalogische Einheit letztlich adäquat zu denken ist, ohne ihrem Inhalt zu widersprechen. Dabei ergibt sich, dass das Sein in seiner Totalität zwar die Prinzipien der Bestimmtheit beinhaltet, ihnen jedoch nicht selber unterworfen ist: Das metalogische Sein ist die Einheit von Bestimmtheit und Unbestimmtheit, und als Einheit dieser gegensätzlichen Bestimmungen ein lebendiges und kontinuierliches Ganzes. Die Unergründlichkeit der Realität kann weder gedacht, noch geschaut werden, sondern ist nur über den Weg des unmittelbaren Erlebens zugänglich und ergibt sich aus dem ihr eigenen Wesen, das in einer ständigen, durch eine dynamische Unabgeschlossenheit ermöglichten Selbsttranszendierung besteht. Die Realität ist "die seiende Möglichkeit auch dessen, was sie nicht ist" (21). Im Anschluss an Bergsons Kritik am gängigen Verständnis der Bewegung und ihrer Erfassung durch das Denken weist Frank im weiteren auf die rationale Unbegreiflichkeit des Werdens hin, welcher Umstand auf die undynamische Beschaffenheit des Verstandes zurückzuführen ist. Mit Platon sieht Frank daher die Zeit in großer Nähe zur Ewigkeit, da beide das Prinzip der Abgeschlossenheit und des unbeweglichen Objekts transzendieren. Von diesem Standpunkt aus existiert die ganze Welt und auch das menschliche Wesen gar nicht wirklich, da alles immer nur wird und sich kontinuierlich verändert und modifiziert, aber nie im emphatischen Sinne ist: "Unser ganzes Sein vollzieht sich, als sei es von einem Wirbel erfaßt, es ist Flucht – aus einem unergründlichen Abgrund in den anderen" (22).

Sein, das Werden beinhaltet, ist demnach Potentialität: Es ist immer potentiell mehr, als was aktuell verwirklicht ist, sodass sich im Phänomen des Werdens ein grundlegendes Vermögen, ein spezifisches Seinkönnen manifestiert. Da die Potentialität unbestimmt ist, findet man nach Frank im Seinkönnen eine Art kreativer Freiheit. Schon Böhme sprach in seiner Lehre vom Ungrund von einem formlosen, aber formenden Chaos, welches dem Seienden eine unendliche Dynamik der Selbstmodifikation verleiht. Dementsprechend nimmt auch Frank an dieser Stelle auf Böhme Bezug und fasst das ganzheitliche Sein als transrationale Einheit von Rationalem und Irrationalem, was in diesem Kontext der Einheit von Notwendigkeit und Freiheit entspricht. Sein als ein Ganzes verfügt darüber hinaus über die Eigenschaft, sich selber zu schaffen und nichts außer sich zu haben. Diese Überlegungen bezüglich des Werdens und der Potentialität lesen sich durchgehend als eine scharfe Kritik an derjenigen rationalistischen Sicht, die alle Wirklichkeit in klar bestimmte und eindeutig identifizierbare Inhalte und dementsprechend auch die sich selbst bewegende Zeit in einzelne, aufeinanderfolgende Zeitpunkte aufteilen wilL.Frank zeigt in seinen Analysen mit aller nötigen Präzision und phänomenologischen Kraft, dass sich Bewegung als solche nicht auf analytischem Weg, sondern vielmehr nur im Ausgang von einer metalogisch-synthetischen Einheit adäquat verstehen lässt.

In einer nachfolgenden Betrachtung des idealen Seins kommt Frank zum Ergebnis, dass die Ideensphäre weder durch Zeitlichkeit, noch durch die abstrakte Negation der Zeit charakterisiert ist, sondern dass das Wesen der Ideen in einer konkreten Überzeitlichkeit besteht. Das Denken der Idee setzt ein Sein im Denken voraus, eine universale Denkpotenz, welche selbst nicht als einzelner Gedanke in sich bzw. für sich selbst repräsentiert ist, da die Potenz des Denkens das Aktualisierte (die Gedanken) prinzipiell transzendiert und somit das Denken der Idee an sich eine allumfassende Konkretheit ist, die selber nicht rein ideell eingeholt werden kann. Die ideelle Sphäre steht nun zur Wirklichkeit analog zur Relation von Möglichkeit und Wirklichkeit: Indem das Ideelle nicht das Reale ist, besteht gerade durch die Negation eine dialektische Verbundenheit beider Bereiche, sodass weder der logische Realismus, noch der Empirismus, sondern einzig eine beide Bereiche gelten lassende Position der allumfassenden Realität gerecht wird. Diese Position nennt Frank treffend "Ideal-Realismus". In ideal-realistischer Sicht besitzt das Reich der Ideen keine absolute, sondern nur eine relative Autonomie, da sich nur die absolute All-Einheit selbst genügt. Dies trifft natürlich ebenso auf die Welt der empirischen Gegenständlichkeit zu, die einerseits mit der ideellen Welt, andererseits mit der All-Einheit des ganzheitlichen Seins verbunden ist. So stellt das Sein überhaupt die Totalpotenz der empirischen und ideellen Welt dar, während die ideelle Welt wiederum als spezifische Teilpotenz der empirischen Schicht der Realität fungiert. Der Bezug der Ideenwelt zum Problem des Unergründlichen wird von Frank dahingehend aufgewiesen, dass auch das Reich der ideellen Objekte nicht flächenartig vor uns ausgebreitet liegt, sondern – gemäß der bisherigen Analysen von Gegenständlichkeit überhaupt – eine unausschöpfliche Tiefendimension besitzt. Gegen eine traditionell idealistische Sicht (z.B. die Position Berkeleys), die im Sinne eines radikalen subjektiven Idealismus die Realität aus dem Denken deduzieren will, argumentiert Frank mit dem Sein des Denkens. Da auch das Denken auf eine bestimmte Art und Weise ist, muss es auch als den dynamischen Gesetzen des Seins unterstellt betrachtet und darf daher nicht als absoluter Grund verstanden werden. Aus diesem Grund besitzt das Sein oder die Realität eine umfassendere und tiefere ontologische Geltung und Reichweite als das Denken oder Bewusstsein. Dieses unbedingte Sein ist das seinem Wesen nach Unergründliche, da es als allumfassendes "X" selber keiner Determination unterworfen werden kann. Im unbedingten Sein fallen Essenz und Existenz zusammen, aus welchem Umstand sich das Sein auch nicht bestimmen lässt. Vielmehr fasst Frank das unbedingte Sein als antinomische coincidentia oppositorum, wobei er betont, dass es sich bei der transrationalen Realität in ihrer all-einheitlichen Fülle und Potentialität nicht um etwas absolut Fernes und Abstraktes, sondern um das uns in jeder Sekunde umgebende und in letzter Evidenz gegebene Realitätsbewusstsein handelt.

In konsequentem Anschluss an die bisher entwickelten systematischen Gedanken zum Problem des ideellen Seins greift Frank dieses Thema nun von einer anderen Seite als zuvor auf und verweist auf die Notwendigkeit, dass das Sein auch gedacht werden muss und insofern auf Denken bzw. Bewusstsein angewiesen ist. Dementsprechend muss auch die Universalpotenz des Denkens als dem unbedingten Sein inhärent betrachtet werden, was Frank zur Problematik der Relation von Subjektivität und Erkenntnis weiterleitet. Im Ich des Menschen zeigt sich ein Merkmal des unbedingten Seins, nämlich das Sich-selber-Haben. Im Ich hat sich das Sein gewissermaßen selber, was insofern logisch ist, als das Sein ja absolut ist und daher nichts außer sich haben kann. Frank verbindet durch diesen Gedankenschritt die beiden anscheinend unversöhnlichen Sphären das neutralen "ist" und des persönlichen "bin": "’Ich bin’ ist nicht eine in sich abgeschlossene, autonome und sich selbst genügende Sphäre des Seins; es ist die Selbstenthüllung des Momentes des ‚Besitzens’ und des ‚Habens’ in uns, das selbst mit zum unbedingten Sein gehört; deshalb ist mit jedem ‚ich bin’ eo ipso unmittelbar auch ein ‚es ist’ (‚das Sein des Objektes ist’) als zweites korrelatives Moment des Seins gegeben – nicht meines Seins, sondern des allumfassenden Seins überhaupt" (23). Das unbedingte Sein ist unser homogenes Medium, in dem und aus dem wir leben, denken und handeln. Nur durch die Selbstenthüllung des Seins in und für sich selbst können wir unser selbst als seiendes Bewusstsein gewahr werden. Um dieses unbedingte Sein von dem gängigen und missverständlichen Seinsbegriff abzuheben, nennt Frank dieses Sein die "Realität", wobei mit diesem Begriff die letztgültige, wahre All-Einheit bezeichnet ist bzw. sich selbst bezeichnet. Das unmittelbare Sichwissen der Realität auf all ihren inhärenten ontischen Ebenen bedeutet zugleich die endgültige Überwindung des primitiven, naiv-realistischen Gegenstandsbewusstseins, da auch jedwede Gegenständlichkeit in der Realität versenkt ist und somit nur eine bestimmte Schicht der All-Einheit darstellt, nie aber diese selbst. Doch ist diese Realität nicht im bloßen "ich bin" erschöpft, da in diesem Ausdruck nur die allgemein subjektive Dimension erfasst ist. Vielmehr wird nur ein universales "bin-ist" dieser unergründlichen All-Einheit gerecht, weil man der im absoluten Sein beschlossenen Synthese von Subjektivität und Objektivität einen möglichst adäquaten Ausdruck verleihen muss.

Im 4. Kapitel des Werkes ("Über die belehrte Unwissenheit") unternimmt Frank in explizitem Anschluss an die Denkweise des Cusaners eine genaue methodologische Analyse seines Vorgehens und widmet sich insbesondere der Funktion und Potenz der Negation sowie des transzendentalen Denkens. Die Kernfrage bezüglich der paradoxen Erkenntnissituation hinsichtlich des Unergründlichen besteht nach Frank in der Tatsache, dass die gesamte Tradition der mystischen Philosophie einerseits das unsagbare Wesen Gottes in den Mittelpunkt stellt, auf der anderen Seite jedoch ausführlich und anhand subtilster Spekulation genau über dieses Unsagbare spricht. Um der rationalen Erkennbarkeit der Unerkennbarkeit des Unergründlichen eine philosophische Untermauerung zukommen zu lassen, untersucht Frank das Zustandekommen dieser Problemlage und setzt bei der Negation als universalem Erkenntnisinstrument an. Dabei ergibt sich, dass die Negation als Bestimmungsprinzip sogar in der Selbstanwendung ihre ursprüngliche Macht behält, da sie sich selbst voraussetzt: Bestimmung als solche bedarf natürlich ihrerseits ebenfalls einer Bestimmung – der Bestimmung (Negation) der Bestimmung (Negation). D.h. also, dass wir die Negation nur vermittelst ihrer selbst begreifen können. Da wiederum die Negation das Prinzip der Andersheit ist, bedeutet die Negation der Negation nach Frank nichts anderes als der cusanische Begriff der Nicht-Andersheit (non aliud). Hierin sieht Frank die bestimmte Erfassung des Unbestimmten, die rationale Einsicht in denjenigen Seins- und Denkbereich, der nur durch ein Transzendieren des einseitig bestimmten, d.h. des rationalen Denkens erschlossen wird. Doch ist dieser Begriff des Absoluten als Negation der Negation, welcher bekanntlich in der Philosophie Hegels eine systematische und begründungstheoretische Schlüsselstellung einnimmt, letztlich ein leeres "Weder-Noch", welches man kaum mit der Fülle des Unergründlichen identifizieren kann. In der Tat besteht kein formaler Unterschied zwischen den beiden Begriffen der einfachen (irreflexiven) Negation und der absoluten (reflexiven, also selbstbezüglichen) Negation, da auch die absolute Negation eine Bestimmung darstellt und das Basisproblem nicht lösen kann. Franks Negationsanalysen haben also die Unnegierbarkeit der Negation zum Resultat: "Das Verneinte wird gar nicht aus der Gesamtsphäre der Realität vertrieben, vielmehr wird ihm durch negierendes Bestimmen ein bestimmter Platz im Bestand der Realität zugewiesen" (24). Aus diesen Überlegungen zur Notwendigkeit der sich sogar noch in der Negation selbst erhaltenden Negation schließt Frank, dass man die Negation und die durch sie konstituierten Gehalte bejahen muss und die von der Negation innerhalb des logischen Denkens übernommene Rolle eher in der Strukturierung und Ordnungsstiftung als in der Vernichtung sehen muss. Vor dem Hintergrund der All-Einheit verliert die Negation ihren absoluten und destruktiven Charakter und erweist sich aufgrund ihrer Fähigkeit zur Distinktion vielmehr als die dem Unergründlichen immanente Bedingung der Seinsfülle.

In seinen auf die Analyse der Negation folgenden Ausführungen erläutert Frank die Idee des transzendentalen Ansatzes, die allgemein in dem Aufweis der Bedingungen der Möglichkeit von Gegenständlichkeit überhaupt besteht und die Gegenstände nicht, wie die vorkantische Erkenntnistheorie, fraglos als unabhängig von dem erkennenden Subjekt gegebene Objekte betrachtet. Im Ausgang von den bisher erarbeiteten Erkenntnissen wendet sich Frank jedoch gegen die kantische Ausprägung der Transzendentalphilosophie, da diese nicht von der All-Einheit, sondern von den Erkenntnisbedingungen des Subjekts ausgeht und somit gar nicht zu der Dimension des Seins vordringen kann, an deren philosophischer Durchdringung Frank interessiert ist. Dies ergibt sich evidentermaßen schon aus Franks anfänglichen Analysen der Relation von Denken und Sein sowie des ideellen Seins. Da alles gegenständliche Sein und auch dessen Erkennen der sich selbst schaffenden Realität entspringt, muss jede transzendentale Logik als eine Logik des Seins bzw. Ontologie gedacht und Philosophie – in Rekurs auf den von Heidegger geprägten Terminus – als Fundamentalontologie verstanden werden. Wenn die transzendentale Einstellung Gegenständlichkeit als solche hinterfragen will, muss sie sich über diese zu durchleuchtende Sphäre der Realität erheben, d.h. sie transzendieren, da nur so das Prinzip der Gegenständlichkeit selbst als ideelle Entität gefasst werden kann. Da jedoch die Gegenständlichkeit als Inbegriff wohlbestimmter Inhalte die Sphäre des Rationalen ist, folgt für das Wesen der transzendentalen Logik deren letzte Fundierung im Transrationalen, Nicht-Gegenständlichen. Frank ordnet die transzendentale Logik dementsprechend als vermittelnde Instanz zwischen dem Gegenständlichen und dem Unergründlichen ein: Sie transzendiert das Gegenständliche und arbeitet dennoch mit Bestimmungen, wobei ihre eigene Quelle, das Transrationale, selbst nicht mehr in positiven Bestimmungen transzendentallogisch explizierbar ist. Als höchste begriffliche Ausdrucksform sieht Frank daher die Form der Antinomie an, welche allgemein aus der gleichzeitigen Behauptung gegensätzlicher Bestimmungen konstituiert wird (25). Das bedeutet, dass das transzendentale Denken zwar nicht das Unergründliche als solches fassen kann, jedoch dazu in der Lage ist, die im Unergründlichen beschlossene Unendlichkeit in Form der Antinomie mit der ihr eigenen Synthese der Gegensätze und somit der Selbstaufhebung der begrenzten Urteile widerzuspiegeln. Frank fasst die Erkenntnisse aus seiner transzendentalen Grenzerforschung auf pointierte Art folgendermaßen zusammen: "Jede endgültige, sich der Realität voll bemächtigende und ihr angemessene Synthese kann niemals rational, sondern immer nur transrational sein" (26). Das belehrte Nichtwissen ist demnach der höchste Punkt der Erkenntnis, und die seinem Wesen entsprechende ontologische Position ist diejenige des antinomistischen Monodualismus (27). Grundlage dieses Standpunktes ist die Erkenntnis, dass alle Gegensätze sich gegenseitig durchdringen und dabei ihre Identität behalten, sodass sich Identität und Differenz trotz ihrer expliziten Gegensätzlichkeit implizit gegenseitig bedingen und wechselseitig ermöglichen. Die Einheit von Identität und Differenz ist ihrerseits durch eine triadische Beschaffenheit charakterisiert, wobei sich Frank an dieser Stelle dezidiert von Hegels trinitarisch strukturiertem Absoluten distanziert, da dieses eine systematisierte Begrifflichkeit auch für das Unergründliche implizieren würde. Der Begriff eines triadischen Absoluten beseitigt nach Frank den transrationalen Charakter, der gerade für das Absolute kennzeichnend sein soll. So ist die Antinomie der unergründlichen und lebendigen Realität nur durch ein freies Schweben über den Gegensatzpaaren zu beschreiben, was sich ontologisch in dem dynamischen Kontinuum des selbstbewegten Werdens als Selbstoffenbarung des unbedingten Seins manifestiert.

Im zweiten Teil des Werkes lenkt Frank den Blick auf verschiedene Verwirklichungen dieses fundamentalontologischen Prinzips. In Anknüpfung an seine Ausführungen zur Selbstoffenbarung des "bin-ist" betrachtet Frank zuerst das psychische Sein des Menschen, wobei er anstatt der Bezeichnung "inneres" oder "psychisches" Sein lieber den Begriff des "unmittelbaren Selbstseins" benutzt, um traditionelle Assoziationen zu vermeiden. Frank sieht vor allem ein Problem in der Tatsache, dass die seelische Realität durch die Bezeichnung "inneres Sein" als Gegensatz zum äußeren Sein der Gegenstände implizit in die äußerlich-gegenständliche Seinsregion eingeordnet und somit ihr wahres Wesen verkannt wird. Dementsprechend macht Frank zu Recht auf die mit dieser begrifflichen Fassung der Seele verbundene Reifikation aufmerksam und betont dagegen die Transzendenz des unmittelbaren Selbstseins gegenüber der Gegenstandswelt. Im unmittelbaren Selbstsein gibt es keinen Unterschied zwischen Subjekt und Objekt, sodass es nicht mit dem schon durch Dualität charakterisierten Bewusstsein gleichgesetzt werden kann. Im Gegensatz zur herkömmlichen Intentionalität ist das unmittelbare Selbstsein das Unergründliche in seiner Unmittelbarkeit, sofern es sich als Bin-Form des Seins sich selbst gegenüber offenbart. Dabei ist die Bin-Form nur eine der verschiedenen Seinsmodalitäten, in der sich die Unergründlichkeit ausdrückt. Das Selbst des unmittelbaren Selbstseins ist durch seinen unmittelbaren Selbstbezug gewissermaßen absolut und stellt unter diesem Aspekt eine relative All-Einheit dar, allerdings nicht die eine All-Einheit. Die umfassende All-Einheit hat jedoch ihre Subeinheiten nicht außer sich, sondern kann nur als selber durch die relativen, sich antinomisch durchdringenden All-Einheiten der verschiedenen Selbste konstituiert verstanden werden, da sich die allumfassende All-Einheit auch in ihren individuierten Aspekten manifestiert. Das unmittelbare Selbstsein stellt also die konkrete All-Einheit dar, in der sich die seiende Potentialität selbst erfährt. Die universale All-Einheit ist durch eine ebenfalls all-einheitliche Binnendifferenzierung charakterisiert, sodass ihr Wesen in einer antinomischen und transrationalen Relation von Sonderung und Durchdringung besteht. Unmittelbares Selbstsein bedeutet insofern seiende Freiheit, als es aufgrund seiner inhärenten Potentialität wesenhaft unabgeschlossen ist und sich ständig selbst transzendiert. Dabei ist die prozessuale Freiheit des unmittelbaren Selbstseins nicht die wahre, unbedingte Freiheit, da die Selbsterhaltung des Selbst immer mit einem Kampf um die eigene Identität verbunden ist. Damit das Selbst sein antinomisches Wesen verwirklichen kann, ist es prinzipiell auf andere Selbste, auf das "Du" als gleichartiges Gegenüber verwiesen. Das Selbst muss über seine eigenen Grenzen hinausgehen, um zu sich selbst, zu seiner wahren umfassenden Identität zu finden und um auf diese Weise seinen finalen Sinn zu verwirklichen.

Die Ich-Du-Relation ist für die franksche Religionsphilosophie von zentraler Bedeutung, da sie in fundamentaler Form die existentielle Relevanz seiner theoretischen Analysen des transrationalen Unergründlichen zu zeigen in der Lage ist: Ebenso wie im "Ich" findet sich auch im "Du" die unendliche und unerkennbare Potentialität des Seins und begegnet mir als mysterium tremendum. Wenn das "Du" mich anspricht, richtet sich die unergründliche Realität direkt auf mich, was letztlich bedeutet, dass sich im realen Kontakt zweier Menschen eine ursprüngliche und unübertreffbare Selbstoffenbarung und Selbsterkenntnis des Unergründlichen vollzieht. "Ich" und "Du" sind nur Abstraktionen vom ontologisch primären "Wir", das als die umfassende reale All-Einheit alle Individuen impliziert und auch konstituiert. Genauso, wie sich rein theoretisch die begrifflichen Gegensätze antinomisch erzeugen, gibt es diesen wechselseitigen Konstituierungsprozess auch zwischen dem realen "Ich" und dem realen "Du". Frank überträgt in einem nächsten Schritt konsequenterweise das Ergebnis seiner Analysen der Negation als dialektisches Verbindungsglied zwischen den Gegensätzen auf diese Situation der personalen Begegnung, woraus sich das "Du" als reales "Nicht" ergibt. Das reale "Nicht" wiederum wird, wie schon in der transzendentallogischen Wesensbetrachtung, als positiv zu wertende Bedingung der Möglichkeit von sich ereignender Interpersonalität eingestuft. Im "Wir" sind "Ich" und "Du" im hegelschen Sinne aufgehoben, was bedeutet, dass das "Ich bin" und das "Du bist" sowohl als gesonderte, als auch als untrennbare Aspekte des "Wir" existieren. Frank schließt mit dieser soziomorphistischen Ontologie direkt an die Seinsauffassung von Denkern wie Heraklit, Plotin und Paulus an, die das Telos der spirituellen Entwicklung der Menschheit niemals in der sich abkapselnden und somit absolut setzenden Subjektivität, sondern primär im all-einheitlichen Reich der Geister gesehen haben. Der höchste reale Ausdruck der antinomischen Relation innerhalb des "Wir" ist die Liebe, wobei Frank unter "Liebe" nicht die romantische Liebe, sondern die coincidentia oppositorum als Zusammenfall der Gegensätze meint. Die Realität besitzt die Grundstruktur der Liebe, da das Sein des "Ich" nicht von dem des "Du" getrennt werden kann und doch, als dem Prinzip der Identität unterworfen, von der Realität des "Du" verschieden ist. Indem ich also bei dem anderen bin, bin ich, dialektisch gesehen, erst wirklich bei mir, da meine wahre Identität im mystischen "Wir" begründet ist und ich als psychisches Individuum nur eine von diesem "Wir" abgeleitete Existenz besitze. Dementsprechend besteht das Geheimnis der Persönlichkeit im Ausdruck des Allgemeinen im Besonderen, in der Durchlässigkeit des Endlichen für das Unendliche. Zugleich ist jedoch auch das subjektive, unmittelbare Selbstsein von eigener Wichtigkeit, da es das Tor zum genuin geistigen Sein darstellt und dem gegenständlichen Sein gegenüber eine ontologische Priorität besitzt.

Der dritte Teil ("Das schlechthin Unergründliche: ‚Das Heilige’ oder ‚die Gottheit’") erörtert u.a. das Problem des letzten Wahrheit, das Problem des Bösen und die Frage nach der Relation von Gottheit und persönlicher Existenz des Menschen. Frank dringt hier noch einmal mit ganzer Geisteskraft in die letzten Tiefen des Unergründlichen vor und geht dazu von der Einheit des realen und des idealen Grundes aus, welche er als "Urgrund" bezeichnet. Der Urgrund ist gewissermaßen die Gültigkeit selbst ("Prawda") und stellt daher die Letztbegründung und den Sinn des gesamten Lebens dar, wobei er kein wirkliches Sein mehr ist: Die letzte Urrealität geht über das Sein hinaus, da ihr gegenüber das Sein schon etwas Abgeleitetes und zu Begründendes ist. Diese Charakterisierung der Urrealität fällt nach Frank mit der "Gottheit" in der mystischen Philosophie Meister Eckharts zusammen, sodass sich die Gottheit als letzte coincidentia oppositorum fassen lässt. In der Philosophie Franks steht die Gottheit für die höchste Einheit von Wert und Realität, für den nur mit dem Herzen als Zentrum der Erkenntnisfähigkeit und somit auch der Vernunft erfahrbaren Urquell des Lebens. Frank lehnt diesbezüglich jede starre Dualität ab und betont, dass die Gottheit zwar durch eine prinzipielle Andersheit charakterisiert ist, diese Andersheit jedoch nicht den konträren Gegensatz zu Identität oder Gleichheit bedeutet und nicht in das traditionelle Schema der Gegensätze eingeordnet werden kann. Die Gottheit ist insofern ganz anders, als sie sich nicht durch die Kategorien der Gleichheit oder Andersheit beschreiben lässt. Die Relation von Kosmos und Gottheit wird von Frank als Abbildungsverhältnis verstanden, wobei der Kosmos die Gottheit als implizites Telos in sich trägt. Wichtiger als die Klärung dieser Frage ist nach Frank jedoch die Frage nach der Relation von Gottheit und meiner Person. Dabei ist diesbezüglich nicht der primär erkennende Blick des Forschers, sondern eine existentielle Hinwendung als Offenbarungsbedingung der Gottheit vonnöten, weil die Gottheit kein unabhängig vom Menschen auffindbares Objekt ist. Durch diese personale Hinwendung des Menschen zur Gottheit wird die transpersonale Gottheit zu meinem persönlichen Gott, zum ansprechbaren Du. Frank übernimmt an dieser Stelle allerdings nicht einfach tradierte Betrachtungen, sondern ist sich der philosophischen Problematik einer Personifizierung Gottes vollauf bewusst. Dementsprechend fasst er den letztgültigen und umfassenden Begriff von Gott als transrationale Einheit von Persönlichkeit und Überpersönlichkeit, da Gott den konträren Gegensätzen nicht unterworfen ist. In der Erfahrung zeigt sich Gott jedoch als liebendes und sorgendes Du, sodass das Prinzip der Persönlichkeit ihm trotz der genannten Bestimmung noch eher als das Unpersönliche entspricht. Mein persönliches Sein mit Gott ist einzigartig und nicht verallgemeinerbar, es ist die liebende Selbstoffenbarung der Gottheit in Form der gottmenschlichen Begegnung. In diesem Zusammenhang betont Frank die Besonderheit dieser gottmenschlichen Einheit: Mensch und Gott sind nicht einfach nur eine Einheit von zwei Entitäten, sondern eine zweinaturige Einheit, d.h. ein binnendifferenziertes Eines. Jeder Mensch ist also aus Gott geboren, doch ist er deswegen nicht mit dem Gottmenschen Jesus Christus gleichzusetzen. Zwar ist Jesus der Gottmensch als solcher und somit sozusagen der vollkommene Ausdruck der gottmenschlichen Idee in Gott, doch ist die Gottmenschlichkeit nach Frank zugleich ein universales Seinsprinzip. Daraus ergibt sich die Essenz von Franks philosophischer Anthropologie: "Der Mensch ist ein im übermenschlichen Boden verwurzeltes Wesen – dies ist die einzig gültige Wesensbestimmung des Menschen" (28).

Da die Welt im Unergründlichen wurzelt, wird sie von einer übernatürlichen Wahrheit bestimmt; der Konnex von Geist und Welt kann weder kausal-temporal, noch logisch-außerzeitlich bestimmt, sondern nur auf der Ebene des transrationalen Denkens thematisiert werden. Auch der klassische Schöpfungsgedanke wird von Frank kritisiert, da dieser schon den Gedanken der Zeit impliziert, welcher jedoch nur binnenmundan einen Sinn ergibt, sodass Anfang und Ende der Welt nicht innerhalb der Zeit zu denken sind und im Unergründlichen verortet werden müssen.

Das Ende des "Unergründlichen" ist dem Problem des Bösen und dem Sinn des Leidens gewidmet. Frank vertritt diesbezüglich die Position der Unlösbarkeit des Theodizee-Problems, da für ihn eine Rationalisierung des Bösen dessen Rechtfertigung bedeuten und dies einer Verharmlosung des Bösen gleichkommen würde. Allerdings ist das Böse ja auch auf eine spezifische Art und Weise und gehört damit zum Sein, und da das Sein an sich eine Dimension bzw. eine Wesensweise des göttlichen Unergründlichen ist, hat selbst das Böse als Seiendes am Gut des Seins teil. Frank geht darüber hinaus auf die Relation des Bösen zur menschlichen Einzelexistenz ein: Erst das isolierte, sondernde "Nicht" macht die wesensmäßige Begrenztheit des Einzelnen zum Bösen. Durch das ausschließende "Nicht" trennt sich der Mensch von der göttlichen All-Einheit und behauptet sich sozusagen als das Paradox eines seienden Nichts. Das Ich außerhalb des göttlichen Seinsgrundes hat keinen Grund, es hält sich dagegen für den absoluten Seinsgrund und muss aufgrund dieser (sich natürlich nur im Bewusstsein abspielenden) Abtrennung von der All-Einheit als böse bezeichnet werden. Der Zustand der Welt findet nach Frank in dem Begriff des "Sündenfalls" eine phänomenologisch genaue Beschreibung, da sich das Leiden und das Böse der Welt aus dem Auseinanderfallen der All-Einheit ergeben. Das Böse ist "in" Gott, da in ontologischer Hinsicht nichts außer Gott sein kann, woraus für Frank eine Zurückweisung der traditionell verstandenen Prädikate der Allmacht und der Allgüte bezüglich Gott folgt. Das Böse kann nicht aus der menschlichen Freiheit erklärt werden, da in diesem Modell erstens das Böse schon implizit vorausgesetzt wird und zweitens niemand freiwillig das Böse wählt. Vielmehr strebt der Mensch von Natur aus nach dem Guten, sodass zwischen der menschlichen Verantwortung für das Böse und der auf den Menschen wirkenden Kraft des Bösen eine antinomische Relation besteht. Dabei sieht Frank das menschliche Schuldbewusstsein als Berührung mit dem Ursprung des Bösen an, wobei das Eingeständnis der persönlichen Schuld deren einzig mögliche Tilgung ist. Diese Möglichkeit kommt jedoch nur dadurch zustande, dass das Böse in die All-Einheit eingebunden ist und daher über keine wirklich eigenständige Realität verfügt. Ebenso wie das Leiden kann das Böse nur, als auch aus Gott stammend, durch Liebe und nicht durch Hass überwunden werden. Nicht nur das Leiden, sondern auch das Erdulden des Leidens als positives Element des Lebens kommt von Gott. Frank lässt das Negative und das Böse nicht als letzten Sinn der Welt gelten und sieht den gesamten Kosmos trotz all der ihm immanenten bösen Aspekte als Reich Gottes an. Die wahre Allmacht und Allgüte Gottes zeigt sich gerade nicht in der abstrakten Negation des Leidens, sondern in ihrer liebenden Erduldung. Frank schließt hier an das genuin christliche Motiv vom leidenden Gottmenschen an, in dem die Schöpfung durch die existentielle Erfahrung des Leidens hindurch zu Gott zurückkehrt.

"Das Unergründliche" schließt mit einigen fundamentalen Reflexionen zum Wesen der Philosophie und der Weisheit: Durch den Akt des Selbstbezugs der Rationalität eröffnet sich deren eigene Tiefendimension, welche durch die Transzendentalphilosophie erforscht wird. Doch zeigt sich bei einer Hinterfragung der Transzendentalphilosophie deren Fundiertheit in einer transrationalen Sphäre, welche letztlich als der Bereich des Religiösen bzw. Mystischen bezeichnet werden muss. Der Gedankenkreis des "Unergründlichen" vollendet sich schließlich, wenn Frank in den letzten Zeilen zu Nikolaus von Kues zurückkehrt und mit der Essenz seines philosophischen Wissens den gewagten Gang in die Tiefen der mystischen Realität beendet: "attingitur inattingibile inattingibiliter. Das Unerreichbare wird vermittels seines Nichterreichens erreicht. Das Unbegreifliche wird durch Begreifen seiner Unbegreiflichkeit begriffen. Wo dieses für unser Leben fundamentale, unserem ganzen Leben Sinn gebende Bewußtsein verloren ist, da wird das Leben zu einem sinnleeren, blinden Dahinvegetieren" (29).

Anmerkungen

(1) Diese Aussage bezieht sich wohlgemerkt speziell auf diejenige Philosophiegeschichte, wie sie an den meisten europäischen und amerikanischen Universitäten gelehrt wird, da sie sich gewöhnlich kaum der russischen, aber oft ebenso wenig der chinesischen, japanischen oder indischen Philosophie widmet. Wenn man hierbei nach den Ursachen für diese Einseitigkeit fragt, muss man wiederum zwischen historischen bzw. allgemeinen empirischen Bedingungen und inhaltlichen Begründungen differenzieren. So ist einerseits evident, dass das Problem der Sprache aus westlicher Sichtweise ein persistierendes Hindernis für eine tiefe, d.h. aus den Originalquellen entwickelte Auseinandersetzung mit den genannten Philosophien darstellt. Andererseits wurde z.B. gegenüber dem indischen Geist häufig der Vorwurf erhoben, dass man in Indien über gar keine Philosophie, sondern nur über verschiedene Weisheitslehren verfüge, da die Philosophie nun mal in Griechenland entstanden sei und definitorisch untrennbar mit spezifischen logischen Begründungsstrukturen bzw. -prinzipien zusammenhänge (etwa mit dem Satz vom verbotenen Widerspruch, dem Satz der Identität und dem Tertium non datur). Die russische wie auch die japanische Philosophie wiederum müssen sich immer wieder dem Kritikpunkt aussetzen, einfach nur eine leicht veränderte Rekapitulation der Ideen des Platonismus bzw. des Deutschen Idealismus zu sein, wobei man beim frühen Solowjow und vor allem in den ersten Werken Nishidas in der Tat einen starken Einfluss der Ideen Hegels, Schopenhauers und Kants feststellen kann (man vergleiche etwa Solowjows "Vorlesungen über das Gottmenschentum" und Hegels "Vorlesungen über die Philosophie der Religion" sowie Nishidas "Über das Gute" und eine dialektisch transformierte Synthese von Schopenhauers Willensmetaphysik mit dem transzendentalphänomenologischen Ansatz Husserls). Des weiteren gibt es Zweifel am philosophischen Status des russischen wie vor allem des indischen religionsphilosophischen Denkens, da es bei beiden Kulturen keine der westeuropäischen Aufklärung vergleichbare religionskritische Bewegung und somit auch keine analoge Trennung von Religion und Wissenschaft gegeben hat, die man im Anschluss an die xenophanische Anthropomorphismus-Kritik als geistesgeschichtliche Bedingung für eine jede zu Recht so genannte Religionsphilosophie voraussetzt. Das russische Mittelalter besaß auch keine Scholastik, in der aufgrund rationaler Analysen und Lehrsätze ein unüberbrückbarer Graben von Rationalität und Glauben konstatiert wurde. Freilich sind diese Tatsachen nicht gänzlich zu leugnen, doch können sie nicht als hinreichende Rechtfertigung für die genannte genuin westeuropäische Kritik dienen. Zwei Punkte sind hier zu beachten:

a) Prinzipiell könnte so gut wie kein Philosoph einen Anspruch auf authentische Originalität erheben, wenn deren Definition eine Unabhängigkeit von Geistesgrößen wie z.B. Platon, Aristoteles oder Kant implizieren würde. Nicht ohne systematische Evidenz wird immer wieder auf das bekannte Zitat Whiteheads zurückgegriffen, welches die konstitutive Relevanz des platonischen Denkens für das gesamte philosophische Denken hervorhebt. Insofern sollte man sich hüten, vorschnell größere Ansprüche an Philosophen aus Osteuropa oder Asien als an die der eigenen Kultur zu stellen. Jeder, der das Niveau der philosophischen Tradition kennt, weiß, dass ein erschreckender Großteil der Gegenwartsphilosophie nicht nur orientierungslos ist, sondern darüber hinaus unbewusst Positionen vertritt, die sich schon in der Antike als logisch falsch bzw. teilweise sogar sich selbst aufhebend erwiesen haben und als solche von den maßgeblichen Denkern mit guten Argumenten verabschiedet wurden. Selbst wenn sich also z.B. die russischen Platoniker des 19. und 20. Jahrhunderts nicht unbedingt durch bahnbrechende Originalität ausgezeichnet hätten (was hiermit nicht behauptet wird), wären sie zeitgenössischen Philosophen wie denen des Postmodernismus oder des Logischen Positivismus geltungstheoretisch auf grundsätzliche Weise voraus, da zwar einige, vor allem die mythischen Aspekte des platonischen Denkens, gewissen Kriterien des heutigen Denkens nicht mehr standhalten können, der platonische Ansatz in logischer Hinsicht jedoch den Vorteil hat, nicht – wie der postmoderne Relativismus und der Logische Positivismus – grundlegend auf logischen Inkonsistenzen beruhen zu müssen (man siehe nur die platonische Systematik der Wissenschaftshierarchie und seine Überlegungen zur reflexiven Logik). So muss man aus rationaler Sicht einer Renaissance von bereits in der Tradition manifestierten Wahrheiten eher den Vorzug geben als zwar neuen, aber geistig impotenten Entwürfen, die aufgrund der Verachtung oder der Unkenntnis des Alten auf recht ermüdende Art und Weise längst als fruchtlos erwiesene Ansätze so lange wiederholen, bis selbst den ehemals feurigsten Vertretern dieser Positionen die Einsicht in die Falschheit ihres Credos dämmert; vgl. dazu die von seiner zyklischen Philosophiegeschichtstheorie aus entwickelten Ausführungen Hösles in: V.Hösle – Wahrheit und Geschichte (Studien zur Struktur der Philosophiegeschichte unter paradigmatischer Analyse der Entwicklung von Parmenides bis Platon), Stuttgart-Bad Cannstatt 1984, S. 749. Die geistige Zuneigung der russischen Philosophie zur Antike hat ihre historischen Wurzeln vor allem in bestimmten auf die Spätantike folgenden Prozessen: Da Russland nach der Teilung des römischen Reiches schon im Mittelalter dem griechischen Osten näher stand als der lateinische Westen, war es dem vor allem durch die Araber vermittelten antiken Denken gegenüber weit offener als sein geographisches Gegenüber, was darüber hinaus noch durch den Umstand begünstigt wurde, dass Russland erst im 10. Jahrhundert von Byzanz aus christianisiert wurde und daher einen ursprünglichen Zugang zum griechischen Denken finden konnte.

b) Als Einwand speziell gegen den Vorwurf der bloßen Nachahmung westeuropäischen Denkens muss man geltend machen, dass sich die russische Philosophie keineswegs in der Rekapitulation westlicher Positionen erschöpft, sondern stets auch als kritische Instanz vor allem gegenüber dem westlichen Rationalismus in Erscheinung trat; siehe dazu exemplarisch Solowjows "Kritik der abstrakten Prinzipien", Berdjajews unermüdliche Kritik am Materialismus und an der Verabsolutierung des naturwissenschaftlichen Positivismus sowie insgesamt die russische Vorliebe für den Intuitionismus, welche historisch zumindest partiell aus der Synthese der griechisch-byzantinischen Theologie und der ganzheitlich orientierten slawischen Geisteshaltung hergeleitet werden kann und darüber hinaus eine Gemeinsamkeit mit dem indischen Geist darstellt; vgl. exemplarisch zur Intuition die Ausführungen des neohinduistischen Idealrealisten Sri Aurobindo: "Wenn wir Intuition sorgfältig erforschen, finden wir, dass sie unser erster Lehrer ist. Intuition steht immer verhüllt hinter der Tätigkeit unseres Mentals. Intuition bringt dem Menschen jene brillanten Botschaften aus dem Unbekannten, die der Anfang einer höheren Erkenntnis sind." S.: Sri Aurobindo – Das göttliche Leben Bd. 1, 2. A. Gladenbach 1991, S. 84 f. Darüber hinaus zeichnet sich z.B. Solowjows Denken nicht zuletzt durch die Idee des Gottmenschentums aus, die man in der westlichen Philosophie auf eine entsprechend ausgearbeitete und emphatisch begriffene (und vor allem begrifflich konkretisierte) Art und Weise vergebens sucht. Auch Berdjajews einsichtige Erkenntnis der Notwendigkeit einer theologischen Erkenntnistheorie als Teil der Religionsphilosophie sowie seine Auseinandersetzung mit dem neohinduistischen Idealrealismus Sri Aurobindos sind wichtige geistige Impulse und grundlegende Leistungen, die nicht ohne weiteres als in der westlichen Philosophiegeschichte bereits vorhanden angesehen werden können. Die Bedeutung von Franks Theorie des Wissens kann an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden; es sei jedoch nur darauf hingewiesen, dass Frank in seinem Werk "Gegenstand des Wissens" (Predmjet znanija) von 1915 keineswegs die Resultate Platons oder Nikolaus von Kues’ einfach nur wiederholt, sondern sich die Problematik der Wissenstheorie anhand moderner begrifflicher Möglichkeiten sowie methodischer Prinzipien (Epochè etc.) auf originelle Art aneignet und daraus bestimmte, bisher nicht adäquat beachtete Erkenntnisse zieht; vgl. dazu: R.L.W.Tannert – Zur Theorie des Wissens, Bern/Frankfurt/M. 1973, S. 5 f.; vgl. zu einer Würdigung von Franks Wissenstheorie auch: N.O.Losskij – History of russian philosophy, London 1952, S. 279. Losskij hält Franks Wissenstheorie für wertvoll, da sie zeigt, dass das Sein die Quelle für das Bewusstsein ist und nicht umgekehrt. Eine ausführlichere Analyse dieser Theorie hat er in seinem 1919 veröffentlichten Werk "The Fundamental Problems of Epistemology" unternommen, doch steht Losskij Frank nicht ohne Kritik gegenüber. So stellt er u.a. Franks Auffassung von logischen Begriffen und seine Freiheitskonzeption in Frage; vgl.: A.a.O., S. 281 ff.; vgl. zur Erkenntnistheorie Franks auch: S.L.Frank – Erkenntnis und Sein, in: R.Kroner (Hrsg.) – Logos Bd. XVII, Tübingen 1928, S. 165-195.

Anders sieht es in der genuin russischen Philosophiegeschichte aus, innerhalb derer die Philosophie Franks einen hohen Stellenwert innehat. So bezeichnet z.B. Zen’kowskij in seiner Geschichte der russischen Philosophie Franks systematischen Entwurf als "höchste Errungenschaft der russischen Philosophie", wobei Boobbyer, der die bisher einzige englischsprachige Biographie Franks erstellt hat, einerseits auf die Diskussionswürdigkeit dieser Einschätzung, andererseits jedoch auch auf ihre Aussagekraft hinsichtlich der Stellung der Philosophie Franks innerhalb der russischen Tradition hinweist; vgl.: P.Boobbyer – S.L.Frank (The Life and Work of A Russian Philosopher 1877-1950), Athens 1995, S. IX.

(2) Der 16. Januar (nach dem Julianischen Kalender) entspricht dem 29. Januar (Gregorianischer Kalender).

(3) Nach Angaben Tannerts lehrte Frank in Abendkursen Sozialpsychologie; vgl.: R.L.W.Tannert – a.a.O., S. 14. Boobbyer spricht primär von philosophischen und sozialwissenschaftlichen Vorlesungen; vgl.: P.Boobbyer – a.a.O., S. 49; vgl. dazu ebenso Gläser: R.Gläser – Die Frage nach Gott in der Philosophie S.L.Franks, Würzburg 1975, S. 9.

(4) Diese beiden Aspekte bezeichnet Gläser zu Recht als "die Urformen seiner Philosophie"; vgl.: A.a.O., S. 10.

(5) Vgl. zum systematischen Kontext von Franks Arbeit an "Der Gegenstand des Wissens" die Ausführungen Boobbyers: "The context of Frank’s philosophical discourse is the traditional battle in European philosophy between idealism an empiricism. If the world is simply a part of consciousness, its objective and transcendent significance is abolished. There is no world apart from mind. If, however, mind is simply an extension of the material world and a result of physiological processes, then in turn there is no freedom of thought but only mechanism." S.: P. Boobbyer – a.a.O., S. 84. Frank argumentiert in diesem Werk dahingehend, dass jeder der beiden gegenübergestellten Begriffe seine Bedeutung verlöre, wenn er als alleiniges Erklärungsprinzip für die Strukturen der Welt angesehen würde. Ein analoges Problem stellt sich in der heutigen Diskussion, wenn die Extension des Lebensbegriffes unendlich erweitert wird: Wenn alles lebt, kann man Leben gar nicht mehr definieren, da es kein semantisches Gegenteil mehr gibt. Franks Einsicht wird auch in denjenigen Richtungen der aktuellen Philosophie ignoriert, die bezüglich des Leib-Seele-Problems versuchen, alles phänomenal Geistige auf materielle Prozesse zu reduzieren bzw. den Geist als solchen in ontologischer Hinsicht abschaffen wollen. Abgesehen von diesen sprachlogischen und semantischen Problemen ist eine Verabsolutierung des Materiellen insofern schwierig, als der Materie-Begriff durch die moderne Physik (vor allem durch die Quantenmechanik) einem extensionalen Bedeutungswechsel unterworfen wurde, sodass man es keineswegs mit einem selbstevidenten Begriff zu tun hat. So kann man parallel zur Tendenz der Materialisierung des Geistes eine fortschreitende Zuschreibung von geistigen Prädikaten bezüglich der Materie sowohl in der Quantentheorie, als auch in der biologisch orientierten Erkenntnistheorie (vgl. z.B. den ratiomorphen Apparat in der Evolutionären Erkenntnistheorie Vollmers) konstatieren. Frank war nicht nur auf geisteswissenschaftlichem Gebiet gut unterrichtet, sondern verfolgte auch die damals neuen Resultate der Forschungen von Physikern wie Heisenberg und Eddington. Aus der Unschärferelation und der nur unvollkommenen Messbarkeit von Elektronen schloss er die Möglichkeit, dass die Materie bzw. das materielle Universum eine gewisse Kreativität als inneres Formprinzip besitzen könnte; vgl.: A.a.O., S. 216. Ob man, wie Frank es erwogen hat, die mikrophysikalischen Indeterminismen als einen Modus von Freiheit deuten kann, ist aus philosophischer Sicht jedoch mehr als fraglich: 1. Mikrophysikalische Ereignisse sind nicht unmittelbar (wenn überhaupt) relevant für die Frage der menschlichen Freiheit, 2. Unbestimmtheit ist bestenfalls ein defizienter Modus von Freiheit.

(6) Gläser macht nicht zuletzt die schockierenden Ereignisse während der russischen Revolution für die feststellbare Vertiefung und den zunehmenden existentiellen Ernst von Franks Philosophie verantwortlich; vgl.: R.Gläser – a.a.O., S. 12.

(7) Vgl. zur Situation und Franks Arbeitskraft die Ausführungen Gläsers: "Es ist erstaunlich, daß Franks Schaffenskraft auch unter den widrigsten Umständen des Lebens nicht zu leiden schien; trotzdem spürte er stark das Gefühl der Vereinsamung, oft zweifelt er, ob sein Schreiben noch sinnvoll sei." S.: A.a.O., S. 13.

(8) Auch in London hatte Frank Geldsorgen, vgl.: P.Boobbyer – a.a.O., S. 214. Allerdings war es Frank stets unangenehm, auf fremde finanzielle Hilfe angewiesen zu sein, wie man nicht zuletzt aus seinen Briefen an Fritz Lieb schließen kann; vgl. z.B. die Briefe vom 19. 5. und 6.7. 1930. (Sammlung Fritz Lieb in der Universitätsbibliothek Basel).

(9) Vgl.: P.Boobbyer – a.a.O., S. 215.

(10) Vgl.: R.L.W. Tannert – a.a.O., S. 17.

(11) Vgl. zu einer Darstellung der Sozialphilosophie Franks auf der Grundlage seines 1930 erschienenen Werkes "Die geistigen Grundlagen der Gesellschaft" die informativen Aus- führungen Goerdts in: W.Goerdt – Russische Philosophie (Grundlagen), Freiburg/München 1995, S. 641-664. Goerdts Skizzierung stellt zwar die Sozialphilosophie in den Mittelpunkt, weist jedoch zugleich auf deren gesamtsystematischen Zusammenhang mit Franks religionsphilosophischer Ontologie hin und kann insofern trotz der inhaltlichen Restriktion als eine allgemeine Einführung in die franksche Gedankenwelt dienen. Der beherrschende Grundgedanke von Franks Sozialphilosophie besteht in der universalen Sollensforderung der Nächstenliebe, der sich aus der ontologischen Gemeinsamkeit (Sobornost') der Menschen ergibt. Goerdt fasst diese Position am Ende seiner Darstellung prägnant zusammen: "Daß jeder im anderen Menschen seinen Nächsten sehen soll, eben unter den Bedingungen trennender Gesellschaftlichkeit, ist als sittliches Postulat in der alle Menschen umspannenden und sie durchwirkenden seienden ‚Gesamt-Einheit’ (sobornoe edinstvo) begründet, die maximal bewußt gemacht und immer mehr anerkannt werden muß. Diesem Gesetz der Nächstenliebe ist ‚unser ganzes Leben zu unterwerfen’". S.: A.a.O., S. 664.

(12) Vgl.: S.L.Frank – Das Unergründliche (Ontologische Einführung in die Philosophie der Religion), Freiburg/München 1995, S. 23.

(13) S.: A.a.O., S. 31.

(14) S.: A.a.O., S. 37.

(15) Mit seiner Ablehnung des subjektiven Idealismus Kants steht Frank in der russischen Tradition des ontologisch-holistischen Denkens, welches stets die Geborgenheit des erkennenden Subjekts im Sein hervorgehoben und somit die besonders von Descartes und Kant errichtete Spaltung von Erkennen (res cogitans bzw. Subjekt) und Sein (res extensa bzw. Objekt) als unzulässige Trennung der einen Wirklichkeit zurückgewiesen hat; vgl. dazu: R.Gläser – a.a.O., S. 5 f.

(16) Vgl. zum methodischen Vorgehen Franks: P.Ehlen – S.L.Frank: "Njepostischimoe" – "Das Unergründliche". Anmerkungen zur Methode, in: M.Deppermann (Hrsg.) – Russisches Denken im Dialog, Innsbruck 1997, S. 22-37.

(17) S.: S.L.Frank - a.a.O. (1995), S. 61.

(18) Die Unergründlichkeit der Seele als Thema der philosophischen Anthropologie und eine Rehabilitierung dieser selbst lag Frank besonders am Herzen und findet einen adäquaten Ausdruck in seinem am 23. November 1925 in Berlin gehaltenen und in die Kant-Studien aufgenommenen Vortrag "Zur Metaphysik der Seele". Neben einer Kritik der physiologischen Psychologie und der Trennung von Wissenschaft und Intuition macht Frank dort mit aller Vehemenz die Selbstevidenz der menschlichen Seelentiefe geltend, wobei er sich explizit an die platonische Forderung einer Umwendung der Seele anschließt und mit Heraklit auf ihre wesensmäßige, allerdings nur potentielle Unendlichkeit verweist. Die Seele ist ein bedeutungsvolles Eigenreich, das nicht unter die konventionellen Raum-Zeit-Vorstellungen zu subsumieren ist: "Der Mensch, wie er in der äußeren Welt hervortritt, scheint ein nichtiger Teil des Weltganzen zu sein und sein Wesen erschöpft sich für den äußeren Blick mit diesem Scheine; tatsächlich aber ist das, was wir Mensch nennen, in und für sich etwas unermeßlich Größeres und qualitativ ganz anderes als ein kleiner Weltfetzen; es ist eine, äußerlich in einen kleinen Umfang hineingepreßte, geheime Welt ungeheurer, potentiell unendlicher Kräfte; und seine unterirdische Tiefe ähnelt ebenso wenig seiner äußeren Erscheinung, wie das Innere eines großen, unermeßliche Reichtümer aber auch Leiden in sich bergenden dunklen Schachts der unmerklichen Öffnung ähnelt, die ihn mit der hellen, gewohnten Welt der Erdoberfläche verbindet". S.: Ders. – Zur Metaphysik der Seele, in: P.Menzer/A.Liebert (Hrsg.) – Kant-Studien Bd. XXXI (Heft 1), Berlin 1926, S. 351-373, S. 368. In diesem Aufsatz kann man nicht zuletzt einige grundlegende Ideen vorgeprägt finden, die in "Das Unergründliche" durch eine umfangreichere Herleitung in die Diskussion eingebracht werden. So begreift Frank die menschliche Seele als Substrat und Durchgangsstation für das Geistige und hebt insbesondere die ontologische Verbundenheit aller Seelen hervor; vgl.: A.a.O., S. 372 f. Bedeutsam für die Diskussion innerhalb der russischen Philosophie ist hier, dass Frank sich eindeutig und explizit gegen eine Auflösung der konkreten menschlichen Seele in einer überpersönlichen Logos-Metaphysik wendet, da diese Stellungnahme Berdjajews Kritik an Frank, er sei ein dem Deutschen Idealismus verpflichteter Objektivist, zumindest partiell den Boden entzieht; vgl.: A.a.O., S. 362; vgl. zur Kritik Berdjajews an Frank: W.Dietrich – Provokation der Person Bd. 3, Gelnhausen 1975, S. 174. Ebenfalls in die Kant-Studien aufgenommen wurde Franks instruktiver Aufsatz "Die russische Philosophie der letzten fünfzehn Jahre", der eindrucksvoll Franks umfangreiche Kenntnisse der russischen Philosophie demonstriert; vgl. dazu: S.L.Frank – Die russische Philosophie der letzten fünfzehn Jahre, in: P.Menzer/A.Liebert (Hrsg.) – Kant-Studien Bd. 34, Berlin 1929, S. 89-104.

(19) S.: Ders. - a.a.O. (1995), S. 71 f.

(20) S.: A.a.O., S. 77.

(21) S.: A.a.O., S. 96.

(22) S.: A.a.O., S. 100.

(23) S.: A.a.O., S. 146.

(24) S.: A.a.O., S. 165.

(25) In der neueren Antinomie-Forschung hat sich ergeben, dass eine Antinomie durch die Verbindung von Negation und Selbstreferenz, also durch Negation von Selbstreferenz bzw. Selbstreferenz von Negation entsteht. Ein Beispiel dafür wäre z.B. der Satz "Ich sage jetzt nicht die Wahrheit": Wenn ich die Wahrheit sagen würde, würde ich nicht die Wahrheit sagen, und wenn ich nicht die Wahrheit sagen würde, hätte ich die Wahrheit gesagt. Die Antinomie zeichnet sich somit durch einen oszillierenden Wahrheitswert aus, der – als potentiell unendliche Denkbewegung verstanden – dem frankschen "Schweben über den Gegensätzen" vergleichbar ist. Da eine formallogische Äquivalenz von Konjunktion und Bisubjunktion besteht, kann man die Antinomie sowohl als Konjunktion gegensätzlicher Aussagen (AÙØ A), als auch in Form einer Bisubjunktion formalisieren (A«Ø A). Die logische Symmetrie beider Formalisierungen kann man zeigen, indem man die Bisubjunktion in zwei durch Konjunktion verbundene Subjunktionen überführt: (A«Ø A) = (A®Ø A) Ù (Ø A®A). Da der Bisubjunktor die antinomische Bewegungsdynamik besser veranschaulicht, sollte man vielleicht eher diese Formalisierung wählen. Vgl. zur Antinomie und ihrer logischen Beschaffenheit: D.Wandschneider – Grundzüge einer Theorie der Dialektik, Stuttgart 1995, S. 29-49; vgl. auch: T.Kesselring – Die Produktivität der Antinomie, Frankfurt/M. 1984, S. 104 ff.

(26) S.: S.L.Frank – a.a.O. (1995), S. 180.

(27) Vgl. dazu die Kritik Gläsers an diesem Konzept, das für ihn nur ein reiner Monismus ist, in: R.Gläser – a.a.O., S. 160.

(28) S.: A.a.O., S. 413.

(29) S.: A.a.O., S. 474.

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