Freiheit und Schaffen

von M.-M.Davy*

 

 

Man nennt mich einen Philosophen der Freiheit […]. Ich habe die Freiheit vor allem geliebt, ich bin in ihr verwurzelt, sie ist meine Mutter […]. Das Thema des Schaffens, die schöpferische Berufung des Menschen ist das wesentliche Thema meines Lebens [Autobiographie].

 

Das Denken und das Leben Nikolai Berdjajews sind auf die Freiheit ausgerichtet. Seine ganze Philosophie beruht auf der Freiheit und seine spirituelle Erfahrung ist eine Entdeckung der Freiheit. Dieses für Nikolai Berdjajew wesentliche Thema ist nicht leicht darzustellen, nicht aufgrund seiner Komplexität, sondern vielmehr aufgrund der Tatsache seiner extremen Tiefe […].

 

A.Koyré merkte in La philosophie de Jacques Boehme an, dass ein solcher Gedanke keine Lehre ist. Er wird nicht mit Begriffen wiedergegeben; "es handelt sich vielmehr um eine Vision der Welt, die Böhme in Symbolen ausdrückt, Symbole, die die ganze Evidenz der sinnlichen Wirklichkeit haben, aber zugleich alle ihre Dunkelheit [...]. Diese Symbole sind in sich selbst auch dunkel und 'geheimnisvoll', aus dem Grund, weil [es] das Mysterium [ist], das sie zu offenbaren beauftragt sind" (1).

 

Unsere Sorge um Genauigkeit ist begründet in der Rücksicht auf die Wichtigkeit, die Berdjajew dem Thema der Freiheit und dem Schaffen gewidmet hat, das die Schwierigkeit konstituiert, womit seine Anthropologie und seine Vision der Welt zusammenhängt. Die Interpretation von A.Koyré wird für uns sehr genau sein, denn sie erörtert Böhme als Philosophen und nicht einfach als Übersetzer.

 

Berdjajew hat Böhme zwei Studien gewidmet. Sie gehen auch der französischen Übersetzung des Mysterium Magnum voran, und lassen es sich angelegen sein, das Wesentliche dieses schwierigen Textes festzuhalten (2). Die wahrhafte Freiheit ist oft mit Pseudo-Freiheiten vermischt, die in Wirklichkeit nur verschiedene Formen der Sklaverei sind. Der Mensch muss sich gegen falsche Freiheiten in der gleichen Weise erheben, wie er sich gegen falsche Sakralisierungen erhebt. Die Freiheit und das Heilige erlangen häufig das wieder, was ihnen entgegengesetzt ist. Nach Nikolai Berdjajew kann allein die Freiheit geheiligt werden, denn nicht nur sie ist durch Gott gewollt, sondern "Gott ist nur gegenwärtig dort, wo die Freiheit ist und [...] er handelt nur durch sie hindurch" [Autobiographie, S. 65].

 

Im Gegensatz zu dem, was die öffentliche Meinung denkt, ist die Freiheit nicht beliebt. Die Menschen ziehen es vor, sich einer Autorität zu unterwerfen, Befehlen Folge zu leisten, und einem anderen die Sorge um ihr Schicksal und die Lasten ihrer Verantwortlichkeiten zu überlassen. Es genügt, an den Sinn der Legende des Großinquisitors zu erinnern um zu begreifen, dass die Freiheit für die Mehrheit der Menschen ein schreckliches Joch und eine sehr schwere Bürde ist. In diesem Sinne überträgt Nikolai Berdjajew auf die Freiheit eine aristokratische Bedeutung: die Freiheit wird von der Mehrheit der Menschen abgelehnt.

 

"Ich bin immer ein Aufsässiger gewesen" sagt Nikolai Berdjajew von sich selbst. Die Unabhängigkeit seines Temperaments, seine Zurückweisung aller Autorität, seine Persönlichkeit selbst waren Trümpfe, die seine unfehlbare Liebe zur Freiheit begünstigten. Jedoch darf man nicht den Aufstand mit der Freiheit vermischen. Der Aufstand kann in einer gewissen Beziehung sich dort in dem Maße verschwägern, wo er sich im Gegensatz zu verschiedenen Versklavungen ausdrückt. Jedoch geschieht es im Namen der Freiheit, dass Nikolai Berdjajew sich gegen die Macht der Zaren wendet, den sowjetischen Materialismus zurückweist oder sich über die Säkularisierung des religiösen Lebens entrüstet. Diese verschiedenen Konflikte rufen eine Forderung der Persönlichkeit gegen die Macht hervor. Seine Freiheitsliebe wird ihm nicht nur untersagen, eine Abhängigkeit zu ertragen, sondern auch, eine solche auszuüben. Deshalb scheint ihm die Professur mit seiner eigenen Berufung unvereinbar […].

 

Die wahrhafte Freiheit muss sich auf einer metaphysischen Ebene verstehen, indem sie ihre klassische Akzeptanz des freien Willens ausschließt. Die Freiheit mit dem freien Willen zu identifizieren, das bedeutet, in die Verwirrung hineinstürzen. Die Aufmerksamkeit, die dem freien Willen geschenkt wird, erschien Nikolai Berdjajew von nützlicher und pädagogischer Ordnung; man muss die Verdienste wohl rechtfertigen, sagte er. Indem er von der Freiheit der Gleichgültigkeit sprach, die sich in der Wahl manifestiert, beurteilt er sie als unfähig, den Geist zu befriedigen. Die Freiheit ist nicht das Ergebnis einer Aneignung, und Nikolai Berdjajew sagt von sich selbst: "Die Freiheit [...] war mir angeboren, sie ist das a priori meines Lebens" (Autobiographie, S. 67). Er ruft seine zahlreichen Schriften und die Einflüsse in Erinnerung, die er dank ihnen aufnehmen konnte, und versichert: "Indem ich meine Freiheit durchschritt, trat alles tief in 'mich' ein, und von dort kommt alles zu mir. Ich akzeptierte keinen intellektuellen Einfluss ohne Beziehung zu meiner Freiheit. Ich bin folglich der am wenigsten traditionalistische Mensch der Welt" (Autobiographie, S. 67).

 

Alle von außen vorgeschlagene Wahrheit, die er nicht als solche betrachtet, weist Nikolai Berdjajew zurück. Das, was er für wahr hält, wird als Lüge beurteilt, es ist ihm unmöglich, der Meinung eines anderen zu folgen […]. Nach Berdjajew "bedeutet, die authentische Freiheit zu erlangen, in die spirituelle Welt einzudringen", allein "der Geist ist Freiheit", in ihm besitzt die Freiheit ihre Wurzeln; so "ist die Freiheit die Freiheit des Geistes" (vgl. Geist und Freiheit, S. 135). (3).

 

Ein Widerspruch besteht in dem Konflikt zwischen der Ordnung der Freiheit und derjenigen der Natur, denn es würde nutzlos sein, die Freiheit in der natürlichen Welt zu suchen (4). "Meine eigene Natur kann nicht die Quelle meiner Freiheit sein".

 

Nikolai Berdjajew sondert das buddhistische Denken (vgl. Geist und Realität, S. 136ff.) und die griechische Philosophie (Geist und Realität, S. 137ff.) aus (5). Die Religionen selbst haben das Problem der Freiheit nicht in seiner Tiefe bedacht, die verschiedenen Theologien bringen auf das Problem der Freiheit keine Antwort. Unter den Philosophen und den Denkern, die das Geheimnis der Freiheit verstanden haben, nennt Nikolai Berdjajew Jakob Böhme, Nietzsche und Dostojewskij. Die Haltung Böhmes ist für ihn wesentlich. Dieser erörtert das Geheimnis der Freiheit, indem er von der Frage des Bösen ausgeht. Es ist auch das Thema des Bösen, das Nikolai Berdjajew dahin führt, den Sinn der Freiheit zu studieren (6). Das Böse begründet eine der tiefsten Ängste des Menschen, der an einer in die Trennung versenkten Welt leidet.

 

Die Entwicklung des Bewusstseins erzeugt das "unglückliche Bewusstsein", von dem Hegel gesprochen hat. Der Mensch tendiert stets dahin, dem Unglück zu entkommen, sei es, indem er sich in sein Unbewusstes hineinbegibt, sei es, indem er sich zum Überbewussten zu erheben sucht. Im Angesicht des Bösen wagt er, seine Ganzheit zu verlieren und sich abzuspalten. Berdjajew bemerkt (Geist und Realität, S. 141f), dass er nicht die Entwicklung des Bewusstseins mit dem der Spiritualität vermischt. Allein das spirituelle Leben kann das Böse besiegen. Der Mensch wird so dahingebracht, über das Böse zu reflektieren. Was ist das Böse? Woher kommt es? Wie kann man die Freiheit des Bösen prüfen?

 

Die religiöse Philosophie hat das Problem des Bösen gestellt, aber die Vernunft ist unfähig, seinen Ursprung zu erforschen, denn dies ist ein Mysterium. Es ist doch unmöglich, das Böse ohne die Gestalt von Vorstellungen zu denken, nur der Mythos und das Symbol können davon Rechenschaft ablegen: "Das Böse ist absolut irrational und ohne Grund, es wird weder durch die Sinnlichkeit noch durch die Vernunft determiniert. Man kann allerdings nach der Ursache des Bösen fragen. Denn aus dem Bösen entsteht die Welt der Notwendigkeit und Verkettung, in der alles der Kausalität unterworfen ist. Aber das Böse hängt im Grunde mit der Freiheit und nicht mit der Kausalität zusammen. Darin besteht, so sonderbar es auch erscheinen mag, die Ähnlichkeit zwischen dem Bösen und dem Geist. Die Freiheit ist Kennzeichen sowohl des Bösen als auch des Geistes. Das Böse aber zerstört sowohl den Geist als auch die Freiheit" (Geist und Realität, S. 142f, deutsche Ausgabe, S. 119f.).

 

Für Berdjajew das Böse von der Freiheit abhängig zu machen bedeutet, unmittelbar anzuerkennen, dass das Böse ohne Ursache ist; "Die Freiheit bezeichnet hier die Abwesenheit der Ursache". Allein die Folgen des Bösen gehören zur Macht der Kausalität. Mit anderen Worten, "das Böse kann Ursache sein, aber es ist ohne Ursache": "Die Freiheit ist irrational. Sie gibt gleicherweise dem Bösen wie dem Guten das Leben, sie wählt nicht, aber erzeugt" (Geist und Realität, S. 143). Die Freiheit entzieht sich jeder Definition, sie ist das, was man in der Philosophie einen Grenzbegriff nennt. Von hier die angeführte Schlussfolgerung auf die gestellte Frage: Das Böse ist ohne Ursache, ohne Seinsgrund, es wird aus der Freiheit geboren (Geist und Realität, S. 143).

 

Gott erlaubt die vom Bösen eingeführte Unordnung. Dieser kann sich als "ein Wagnis" verstehen, ohne welches der Mensch nicht gänzlich frei wäre. Der Gedanke Berdjajews verweist zurück auf die Betrachtung von Gregor von Nyssa – ausgearbeitet in seinem Werk Die Erschaffung des Menschen – für den die Erfahrung des Bösen dem Menschen erlaubt, den Sinn seiner Existenz zu enthüllen. Wir leben hier in der Gegenwart von zwei Mysterien: dem der Freiheit und dem des Bösen.

 

Eine erste Feststellung drängt sich auf: die Irrationalität des Bösen. Das irrationale Böse schließt sich notwendig einer irrationalen Freiheit an, die aus dem gleichen Grund seiner Irrationalität nicht von Gott hervorgebracht wurde. Diese irrationale Freiheit wird Nikolai Berdjajew im Gefolge Böhmes ungeschaffen nennen. Sie geht dem Sein voran und bietet sich dar wie eine unendliche Freiheit, die nicht aufhört, sich zu entwickeln. Sie ist der ursprünglichen Dunkelheit verbunden. Böhme und Berdjajew rufen die Dunkelheit und das Licht in Erinnerung, sie sind beide positiv. Die Dunkelheit erzeugt sich im Gegensatz zum Licht und wird zur gleichen Zeit wie es geboren (7). Wenn das irrationale Böse sich einer irrationalen, ungeschaffenen Freiheit wieder verbindet, ergibt sich daraus, dass das dunkle Element dem Sein früher angehört. Die Welt, die Geschichte, finden ihre Erklärung nur durch die Gegenwart dieser Dunkelheit.

 

Nikolai Berdjajew schließt dem jüdischen Verständnis die Offenbarung der Freiheit des Bösen im christlichen Denken an: "Wenn [...] die Freiheit des Bösen nicht existierte, wenn dieses Prinzip der Dunkelheit abwesend wäre, hätte es niemals Geschichte gegeben, die Welt hätte mit dem Ende begonnen und nicht mit dem Anfang, das heißt, dass sie zuerst die Herrschaft des vollkommenen Gottes, des Guten und der absoluten Schönheit gewesen wäre. Folglich ist es die Freiheit des Bösen, die der Anfang des großen historischen Prozesses gewesen ist" (Der Sinn der Geschichte, S. 34).

 

Um den Sinn der Freiheit des Bösen zu erfassen, ist es doch ratsam, dieses Problem mit Rücksicht auf die Schöpfung zu stellen. Der Gedanke Böhmes, der sich langsam herausarbeitet – bemerkt Berdjajew – besitzt das Privileg, das Mysterium der Schöpfung des Universums wie eine menschliche und göttliche Tragödie zu begreifen, während die traditionelle Theologie, die dem griechischen Denken viel zu eng verbunden ist, die biblische Dynamik ignoriert. Diese offizielle Theologie bietet einen unbeweglichen und selbstzufriedenen Gott und eine eigenmächtige Schöpfung dar. Der geschaffene freie Mensch wird sich gegen Gott empören, und in seinen eigenen Fall wird die ganze Natur hineingezogen werden.

 

Diese Frage der Freiheit des Bösen wird durch eine solche Lehre nicht gelöst werden können, sie wird dagegen durch das Denken Böhmes erhellt. Dieser berief sich auf das Unbestimmte, das dem Sein vorangeht, und das Berdjajew, Böhme folgend, den Ungrund nennt. Er stimmt damit überein, dem Ungrund den Sinn von Abgrund zu geben, Abwesenheit von Grund. Der Ungrund bezeichnet das Absolute in sich, betrachtet außerhalb seiner Manifestation die ewige Stille, jedes Namens ledig. Der Ungrund ist nicht das Sein, in Rücksicht auf seinen negativen Aspekt könnte man sagen, dass er "nicht ist". A.Koyré, interpretiert die Aussagen Böhmes über den Ungrund und sagt, dass er "zuerst und vor allem die Idee ausdrückt, dass das Absolute nicht nur der Grund und die schöpferische, absolute und letzte Quelle des Universums ist, sondern dass es 'in sich selbst' etwas ist [...], dessen produktive Funktion nicht das Wesen erschöpft. Das Absolute begrenzt sich überhaupt nicht" (8).

 

A.Koyré schlägt ein Bild vor als Hilfe zur Interpretaion des Denkens Böhmes wie Berdjajews: der Ungrund gleicht einem Keim, der in sich alles enthält, was sein wird, das aber noch nicht verwirklicht ist, da der Keim die Quelle seiner Fruchtbarkeit ganz in sich schließt. Man kann also den Ungrund wie eine Potentialität betrachten, eine Energie, die strebt, sich zu entfalten Diese Lehre vom Ungrund ist – nach Berdjajew – untrennbar von der Lehre von der Freiheit. „Ich neige dazu, den Ungrund als uranfängliche, nicht einmal von Gott determinierte meontische Freiheit auszudeuten“, schrieb Berdjajew in seiner I. Studie über Böhme (S. 57).

 

Der Ungrund ist dynamisch, unendlich und frei. Er stellt sich dar wie eine Entfaltung von Macht, deren Manifestation sich in Gott selbst erzeugt, so verbindet sich die Schöpfung auf einmal der Bewegung des Ungrunds in Gott und der Bewegung in Gott. Dieser Begriff vom Ungrund, den wir versucht haben zu erläutern, bleibt trotzdem ganz dunkel. Er ist es tatsächlich, weil es unmöglich ist, ihn in begrifflichen Worten zu bestimmen und weil es ratsam ist, davon symbolisch wie von einem Mysterium zu sprechen. Ebenso würde man sich Gottes nicht mit Hilfe von Begriffen erinnern, die Erkenntnis Gottes ist nicht vernunftgemäß, sondern symbolisch. Jeder symbolische Ausdruck kann Widersprüche zu enthalten scheinen. Er schließt sie tatsächlich ein. Jedoch sind diese Widersprüche nur Annäherungen, aufeinanderfolgende Stufen, Mittel – und sie sind die einzigen – um zu versuchen, sich anzunähern, die Mysterien zu erfassen und zu umarmen. Ein solches Vorgehen gehört zur apophatischen, zur Intuition und Vision hin orientierten Theologie. Jedes Individuum, dessen Haltung rational sein will, kann nur durch solch ein Verhalten verwirrt sein, welches zugleich Methode und Abwesenheit von Methode ist. Das, was wichtig ist, in diesem Fall festzuhalten, um den Gedanken von Berdjajew zu verstehen, das ist dies, dass "die Freiheit weder von Gott geschaffen noch bestimmt ist, sie ist ursprünglich […]. Gott der Schöpfer ist allmächtig über das Sein, er ist es nicht über das Nicht-Sein, über die unerschaffene Freiheit, die ihm undurchdringlich bleibt".

 

In Die Bestimmung des Menschen besteht Berdjajew auf der Tatsache, dass das göttliche Nichts nicht Schöpfer der Welt sein kann. Er bezieht sich auf die Lehre von Eckhart und von Böhme. "Vom göttlichen Nichts, von der Gottheit, vom Ungrund wird die Trinität geboren, geboren wird der Schöpfer-Gott, und seine Schöpfung der Welt begründet schon einen zweiten Akt" (Die Bestimmung des Menschen, S. 41).

 

Während er die Freiheit studiert, kommt Berdjajew auf dieses Thema in seiner Autobiographie zurück. Er präzisiert seinen Gedanken, den er vorher in seiner Studie über Böhme und in seiner Arbeit betreffend Die Bestimmung des Menschen ausgedrückt hatte. Ganz dem Entwurf des Mysterium Magnum treu bleibend, konkretisiert er seine persönliche Position: "Es gab eine Zeit, in der Böhme für mich einen besonderen Wert besaß: Ich habe ihn sehr geliebt, viel gelesen, und ich habe in der Folgezeit mehrere Aufsätze über ihn geschrieben. Aber man begeht einen Irrtum, indem man meine Ideen über die Freiheit auf die Lehre vom Ungrund bei Böhme reduziert. Ich interpretiere den Ungrund bei Böhme wie die erste Freiheit, die dem Sein vorangeht. Für Böhme ordnet sie sich in Gott ein wie sein erstes geheimes Prinzip – für mich ist sie außerhalb Gottes. Dies bezieht sich nur auf 'Gott' und nicht auf die 'Gottheit', die unaussprechliche 'Gottheit' ist unbegreiflich" (Autobiographie, S. 126-127).

 

Für Berdjajew wie für Böhme "ist der Mensch zugleich Kind Gottes und [Kind] der Freiheit". Gott und Mensch treffen sich in der Mitte einer Tragödie, von wo man das Böse und das Leiden ausgehen sieht. Dies ist auf dieser Ebene, wo das Drama Gottes und das Drama des Menschen sich ansiedeln. Ein Drama, in welchem – wir können es nicht oft genug wiederholen – Gott und Mensch untrennbar sind. Von dort dieser schöne Text: "Gott ersehnt sein anderes Selbst, seinen Freund: er verschmachtet nach ihm und erwartet seine Antwort auf den Ruf, der ihn anspricht, indem er ihn in sein Leben einlädt und zu seiner Fülle, indem er ihn ermahnt zur Mitarbeit an seiner siegreichen Schöpfung des Nicht-Seins" (Von der Bestimmung des Menschen, S. 42). Wenn sich Gott nach seinem anderen Selbst sehnt, geschieht dies nicht aufgrund von Bedürftigkeit, sondern aufgrund von Überfluss der Fülle; diese Vollkommenheit ist ein Leben, das sich in der Bewegung ausdrückt (vgl. Geist und Freiheit, S. 102).

 

Das Absolute in seiner Manifestation ist Objekt des Willens. Bei dem Wunsch, sich zu erkennen und sich wahrzunehmen, ist das unbestimmte Absolute auf einmal durch den göttlichen Willen unterrichtet und ausgedrückt. Dieser göttliche Wille ist in Gott, aber er ist nicht Gott. "Er ist ein Moment, eine Stufe oder eine Phase der zeitlosen Evolution des göttlichen Lebens. Er ist darin weder das Drama noch das Ganze" (9). Von daher ist dieser Satz von einer sehr großen Bedeutung: "Gott antwortet nicht sich selbst, das ist die Freiheit, unabhängig von ihm, die ihm antwortet" (Von der Bestimmung des Menschen, S. 42). Deshalb ist offensichtlich: Die Schöpfung wie eine eigenmächtige Tat Gottes zu behandeln, bedeutet in gewisser Weise, sie zu veräußerlichen. Nun bietet sich die Schöpfung, werden Böhme und Nikolai Berdjajew sagen, dar "um vom inneren Leben der göttlichen Trinität hervorzukommen". Von dieser Tatsache her erscheint das Problem des Bösen von extremem Ernst in Hinsicht auf die Freiheit. Das Unbestimmte ist nicht indifferent, es leidet tragisch vor dem Licht. Es existiert also ein von der Dunkelheit und von dem Licht gelieferter Kampf. Nikolai Berdjajew erwähnt eine Passage von Böhme: „Außer der Natur ist Gott ein Mysterium, verstehet in dem Nichts; denn außer der Natur ist das Nichts, das ist ein Auge der Ewigkeit, ein ungründlich Auge, das in nichts stehet oder siehet, denn es ist der Ungrund; und dasselbe Auge ist ein Wille, verstehet ein Sehnen nach der Offenbarung, das Nichts zu finden" (Böhme, Bd. IV, 284f; Berdjajew, I. Studie über Böhme, 61).

 

 

Schluss