Erinnerungen an Helen Iswolsky

V.S.Yanovsky

Ich erinnere mich nicht mehr daran, wann unsere erste Zusammenkunft stattfand. Es muss in den späten zwanziger oder eher in den dreißiger Jahren gewesen sein. Im Universum des russischen Paris haben sich die Pfade einiger Menschen niemals gekreuzt, während sich andere ständig begegneten, abhängig von den Dimensionen und dem Charakter ihrer Existenz. Helen und ich – wir trafen uns sehr oft – weil unsere Pfade sich wiederholt täglich oder nächtlich durchkreuzten.

Ich wurde – glaube ich – mit ihr bekannt gemacht im Hause von Youri Shirinsky-Shikhmatov, dem Herausgeber und der Säule der russischen Vierteljahresschrift Affirmations. Der wahre Name spricht für sich; schon in den zwanziger Jahren waren wir nicht von einer seichten summarischen Verneinung der Bolschewiken zufriedengestellt und suchten einen positiven Weg heraus aus der europäischen Krise. Berdyaev [1874-1948] leistete natürlich für die Affirmations einen Beitrag; seine These des "Primates des Geistes" hätte das Schlüsselwort für die ganze Zeitschrift und für alle Emigrationsparteien, die damit in Verbindung kamen, sein können.

Später erschienen andere solcher Zeitschriften, die wichtigste unter ihnen "Die neue Stadt" [Novy Grad, erschienen 1931-1937], herausgegeben von Ilya Fondaminsky1), George Fedotov2) und Fedor Stepun3).

Und dann gab es die Zusammenkünfte in Mutter Maria Skobtsovas gastfreundlichem Haus, durch sie inspiriert, obwohl mit leicht unterschiedlichen Prinzipien. Helen und ich stießen überall bei solchen Treffen in den verschiedensten Umgebungen aufeinander. Nur unter Emigranten (oder nach einem Erdbeben) kann man solch eine Mischung von Menschen von unterschiedlicher sozialer Schicht finden, durch die gleichen spirituellen Neigungen inspiriert und von ihnen vereint.

Prinz Youri Shirinsky-Shikhmatov war der Sohn eines der letzten Zarenminister für Religionsangelegenheiten, ein Mann, der als ein Senator zu sagen pflegte, dass zur Rechten von ihm nur noch die Wand sei. Prinz Youri, der Sohn dieses erzkonservativen Würdenträgers, war mit der Witwe von Boris Savinkov verheiratet, dem revolutionären Terroristen, der die Ermordung von Plehve4), des Großherzogs Sergei und vieler anderer in die Wege leitete.

Mutter Maria war eine russisch-orthodoxe Nonne, die nicht zu einem Konvent gehörte, aber sehr mit ihrer Suppenküche, dem Gästehaus und der Schriftstellerei beschäftigt war; als junge Frau schrieb sie Gedichte und nahm an den Aktivitäten der Sozialrevolutionäre teil. Bei Fondaminsky (einem anderen Sozialrevolutionär) konnte man immer Kerensky5) antreffen, das Haupt des kurzlebigen russischen demokratischen Staates, der im Oktober 1917 endete. (Shirinsky-Shikhmatov, Mutter Maria und Ilya Fondaminsky wurden alle drei in deutschen Konzentrationslagern umgebracht).

Helen war an all diesen Orten mit all diesen Menschen zuhause, und in diesem Milieu lernte ich sie kennen. Sie und Kerensky waren enge Freunde. Sie half ihm bei seinem Französisch- und Englisch-Studium, obwohl er der Mann war, der direkt oder indirekt ihren Vater entlassen hatte (oder seinen Rücktritt akzeptiert hatte).

Ich erwähne diese Einzelheiten, um zu zeigen, wie fantastisch unser Leben in Paris während der Vorkriegsjahre war, wie konzentriert und intensiv unsere Suche nach einer neuen und gerechten Gesellschaft, und wie frei wir uns in unseren Wahlmöglichkeiten fühlten. Kaum jemand meiner Generation, wenn er über seine religiöse Zugehörigkeit gefragt worden wäre, hätte geantwortet: Katholik, Orthoxer, Protestant. Die übliche Antwort, die man erwarten konnte, war: "Ich möchte ein Christ sein". Grundsätzlich waren wir, ohne es stets besonders zu betonen, eine ökumenische Gruppe mit großer sozialer Tätigkeit. Helen Iswolsky’s Dritte Stunde war eine logische Fortführung das Gleichen unter neuen Umständen.

Vom Beginn an war ich beeindruckt von einem besonderen und sehr anziehenden Charakterzug: Aufgewachsen in äußerstem Luxus als Tochter des Außenministers des Zaren, konnte Helen arbeiten und liebte die Arbeit. Sie verdiente den Lebensunterhalt für ihre Mutter und sich selbst mit gelegentlichen journalistischen Arbeiten, indem sie bei den französischen Gegenstücken unserer "spirituellen" Zeitschriften mitarbeitete wie etwa Esprit (Emmanuel Mounier)6) und Temps Present (Stanislas Fumet)7). So musste sie verschiedene Arbeiten akzeptieren. Sie war die erste, die einige meiner Kurzgeschichten für eine französische Wochenzeitung übersetzte, ein Magazin, das aus irgendeinem dunklen Grund von dem berühmten (oder unbekannten) Stavisky8) unterstützt wurde. Nachdem der Fall Stavisky aufgeflogen war, konnten Helen und ich herzlich über die Tatsache lachen, dass ein Teil, ein sehr kleiner Teil des Geldes, das er gestohlen hatte, in unsere Taschen geflossen war. Natürlich war ich nicht der einzige, den sie übersetzte. Da gab es andere mit großen Namen: Berdyaev und Remizov übersetzte sie ins Französische; Mounier ins Russische; Kerenskys Ansprachen ins Englische und so weiter. Eine Drei-Wege-Hotline! Indem sie Mounier und Berdyaev, Maritain und Fedotov oder Kerensky zusammenbrachte, war dies ihre bedeutendste Mission zu dieser Zeit.9)

So war unser Leben, bis der große Exodus begann. Wir alle verließen Paris Wochen, Tage, sogar Stunden bevor die Hunnen einfielen (und einige kehrten zurück, um dort zu sterben). Helen ließ sich zeitweise in Pau nieder, ich war in Montpellier, wo ich einige Briefe von ihr empfing. Sie erhielt ihr amerikanisches Visum lange vor mir. Als ich im Juni 1942 in den Vereinigten Staaten ankam, hörte ich, dass sie Schutz auf dem Tolstoy-Gut gefunden hatte, wo ihre Mutter, damals sehr krank, versorgt werden konnte.

Im Jahre 1944 trafen wir uns im Hause von Madame Manziarly in New York. Irma Manziarly wurde als Kind von deutschen protestantischen Eltern in St. Petersburg geboren, sie hatte einen französischen Italiener geheiratet, lebte nach der Revolution in Frankreich und im Himalaya, kannte verschiedene Gurus und auch Gandhi. Sie folgte bestimmten esoterischen Lehren und widmete einige Jahre ihres Lebens spirituellen Angelegenheiten. Die Zusammenkunft an ihrem Ort, wohin man mich eingeladen hatte, war, eine neue Zeitschrift zu diskutieren, die ökumenisch im vollen Sinne des Wortes sein sollte. Der Name der künftigen Zeitschrift war schon ausgewählt worden: Die Dritte Stunde (The Third Hour). Was fehlte, war adäquates Material.

Die anderen beiden Mitglieder der Anfangsgruppe waren der Komponist Arthur Lourie10), ein katholischer Konvertit und Kazem-Bek11), ein Mann mit einem sehr komplizierten Lebenslauf. Seine moslemischen Vorfahren dienten den Romanovs und schlossen sich zufällig der russischen orthodoxen Kirche an. In der Emigration war er der Chef einer politischen Partei, die Russlands Zukunft sah in: "Zar plus Sovjets". Diese Partei trug den Namen Mlado-Rossy (Die Jungen Russen).12) Es war eine höchst patriotische Gruppe, die hauptsächlich aus jungen Adligen bestand. Als die Deutschen durch Europa zogen, löste Kazem-Bek seine Nachfolger von ihrem Loyalitätseid und emigrierte nach Amerika. (Die Mlado-Rossy widerstanden ebenso wie die Kommunisten und die Juden den Deutschen während der Okkupation). Kazem-Bek schloss sich nach einigen Jahren der Moskauer Patriarchatskirche an und ging, indem er seine Frau, seine Kinder und einen alten Wasser-Spaniel zurückliess, nach Sowjet-Russland, wo er wieder heiratete.

Ich weiche auf diese Charakterskizzen ab, um zu zeigen, dass solch eine bunte Menge par excellence ökumenisch sein musste, ohne Vorurteil, ohne Heuchelei und billige Bevorzugungen für irgendeine "familiäre" Kirche. Dies war der Wert der Dritten Stunde: wahrer Ökumenismus ohne irgendwelche Unterströmungen von Gefälligkeiten. Irgendetwas, das Teil der christlichen Spiritualität war, fand seinen Weg hinein – oder es wurde ihm in Der Dritten Stunde Raum gegeben. Wir waren hier vielleicht die ersten, die Artikel über Simone Weil, Edith Stein, Mutter Maria, Teilhard de Chardin, Mounier und Fedorov [1828-1903, orthodoxer Religionsphilosoph] veröffentlichten. Theologen wie Berdyaev, Maritain [1882-1973, Philosoph] und Karl Barth [1886-1968, ev. Theologe] beteiligten sich an der Zeitschrift.

Bei der ersten Zusammenkunft bei Manziarlys sprach ich über Nikolai Fedorov und schlug vor, in der ersten Ausgabe einen Artikel über ihn zu schreiben. Dies schien allen angemessen. Heft Nr. 1 erschien im Jahre 1946 – es war aktuell in drei Sprachen, russisch, französisch und englisch. Wir waren darum bemüht, unsere Leserschaft zu finden, die sich Amerika zuwandte. Seit diesen frühen Anfängen habe ich Helen geholfen, mit Der Dritten Stunde fortzufahren, umso mehr, da die anderen Gründer bald starben oder abtrünnig wurden. Es gab insgesamt neun Ausgaben der Zeitschrift.

Aber der größte Fortschritt lag vielleicht in unseren Zusammenkünften, bei denen wir auf eine ziemlich russische Art über Angelegenheiten argumentierten, heftig und bis zum eigentlichen Ende (wenn nicht des Problems dann schließlich der Nacht). Auf irgendeine Weise recht unaufdringlich und rasch wuchsen unsere Zusammenkünfte zu großen Treffen, so groß, dass sie von Helens Wohnung in geräumigere Unterkünfte verlegt werden mussten. Amerikaner, Freunde aus England, Frankreich und Deutschland schlossen sich uns an. Rotwein wurde serviert. Dies wurde das Markenzeichen der Dritte Stunde - Diskussionen.

In diesen ersten Tagen und über die Jahre hin kamen und gingen: Auden13), de Rougement, Ursula Niebuhr14), Anne Fremantle, Kerensky, Eileen Egan15), Marguerite Tjader, Dorothy Day16); hervorragende Priester aus Frankreich und Belgien, Afrika und Indien, sie alle waren Teilnehmer und Redner. Die Bürde, diese Leute auszusuchen, der Organisation unserer Gespräche, das Offenhalten der Kommunikationskanäle lastete hauptsächlich auf Helen. Es ist wahr, sie hatte immer Hilfe, aber ohne sie hätten wir nicht weitermachen können. So wurde es allmählich und richtig Helen Iswolkys Dritte Stunde. Sie verzweifelte oft und, als sie älter und schwächer wurde, drohte sie regelrecht, den Laden zu schließen, aber sie meinte es niemals wirklich (nur der Tod konnte sie von der Dritten Stunde trennen).

Nur allmählich wandelte sich die Bewegung von der scharfsinnigen intellektuellen Aktivität ihrer Anfänge. Sie ging zu Ende, sie wurde konventioneller – eine Institution. Vielleicht hatte sie an einem Punkt ihre historische Mission erfüllt, und andere Gruppen, deren wir uns nicht einmal bewusst waren, nahmen den Kampf bis zu einer anderen Stufe auf. Doch der Geist der Freundschaft, des Ökumene waren bis zuletzt gegenwärtig. Nur wenn einige romantische Burschen unsere Zusammenkünfte lobten, dann sagten wir, als wenn wir von einer verblühten Schönheit sprächen: "Ihr hättet vor 15 bis 20 Jahren hier sein sollen".

Helen veränderte sich, da sie vor allem versuchte, scharfe Konfrontationen in Theologie oder Politik zu vermeiden. Das Alter machte sich bemerkbar. Und ihre Stellung war schwierig: als Iswolkys Tochter fühlte sie immer, dass die historischen Grenzen des russischen Kremls verteidigt werden mussten, und dass irgendwie der Kreml und die Patriarchatskirche jetzt diese Aufgabe erfüllten. Dies musste für wissende Emigranten eine Menge von Widersprüchen hervorrufen.

Sie bewunderte Soloviev17). Doch sogar in ihren Vorträgen über ihn verfiel sie am Ende in Lehrbuchbanalitäten. Das Leben auf auf der Farm des Catholic Worker war für sie eine gute Zeit; der Umzug in eine andere Wohnung war wohl ein Fehler. Sie war nun meist allein. Nur sporadisch kamen noch Menschen, um eine Zeitlang bei ihr zu leben. Aber auf Dauer ging dies nie gut. Sie war manchmal keine leichte Freundin.

Noch im Alter, wohl schon sehr krank, setzte sie ihre Arbeit fort. Ihr Geist war so klar und scharf wie immer, ihre geistigen Energien unerschöpft. Im letzten August schickte sie mir ein glänzendes Schriftstück über mich, dass sie auf Bitte des Herausgebers der Queens Slavic Papers geschrieben hatte, etwa 30 Seiten, vielleicht die letzte literarische Aufgabe, der sie sich auf dieser Erde unterzog. Wir waren nicht immer in Übereinstimmung: Tolstoy gegen Dostoyevsky war unsere ständige Streitursache. Aber es gab eine tiefe Fortdauer gegenseitigen Respekts, gegründet auf der Erkenntnis, dass 45 Jahre lang niemand von uns jemals daran zweifelte, dass es der Geist war, der uns zusammen gebracht hatte. Es waren sehr wenige von der ersten "Welle" der Emigranten übrig geblieben, die niemals unter Bücklingen zur rue Grenelle gingen (wo sich die Sovjetische Botschaft befindet), die niemals Deutschen oder Japanern halfen, Russland zu "retten" (es gab solche unter uns), und niemals mit irgenwelchem Spionage-Organisation welches Landes auch immer zusammen arbeiteten.

Nun war es offensichtlich, dass Helen ernstlich krank war, so krank, dass es sinnlos war, darüber zu sprechen. Ich besuchte sie mehrfach im Krankenhaus; sie bat mich, im nächsten Jahr wiederzukommen; dann würden wir über die kommende Ausgabe der Zeitschrift sprechen. Ich sagte ihr, sie möge sich nicht sorgen, was immer geschehen würde, wir würden den Text durchsehen. Wir beide wussten, dass es die letzte Nummer sein würde.

Soloviev and the Eirenic Movement

Anmerkungen

Übersetzung und Anmerkungen von Klaus Bambauer

V.S.Yanovsky (1906-1989) wurde in Russland geboren, emigrierte zur Zeit der russischen Revolution nach Frankreich und erhielt seinen M.D.-Grad von der Sorbonne im Jahre 1937. Fünf Jahre später übersiedelte er in die Vereinigten Staaten, wo er Medizin (Anästhesiologie) praktizierte und mit dem Schreiben fortfuhr.

Helen Iswolsky war eine der führenden intellektuellen Laien unter den russischen Emigranten-Vereinigungen im Westen, und sie war eine der größten Geschenke Gottes für die russisch-orthodoxe Kirche. Vgl. auch den Literaturhinweis bei S.A.Reichelt, Nikolaj Berdjaev in Deutschland 1920-1950, Leipzig 1999 (S. 136) zit. Reichelt: Helen Iswolsky, Light before dusk. A Russian Catholic in France 1923-1941, New York/Toronto 1942. Über die Gespräche, die im Hause Berdyaevs stattfanden, berichtet Reichelt (a.a.O., S. 140): "Eine einfühlsame lebendige Beschreibung dieser Gespräche bietet Helen Iswolsky: The House in Clamart, in: Light before dusk, S. 88-103.

1) Ilya Fondaminsky (1880-1942), Publizist.

2) George Fedotov (1886-1951), Historiker

3) Fedor Stepun (1884-1965), Soziologe und Historike

4) Vyacheslav Konstantinovich Plehve (1846-1904). Russischer Öffentlichkeitsfunktionär. Als Direktor der Polizei (1881-84), Vizeminister des Inneren (1884-99), Staatssekretär für finnische Angelegenheiten (1899-1902) und Minister des Inneren (1902-04) verfolgte er ständig eine ultrareaktionäre Politik. Er unterwarf Minderheiten einer erzwungenen Russifizierung, organisierte heimlich jüdische Pogrome und half vorgeblich, den russisch-japanischen Krieg niederzuschlagen, um eine Revolution zu verhindern und Unterstützung für die Autokratie zu gewinnen. Er wurde von einem Mitglied der sozialistischen-revolutionären Partei umgebracht (Boris Savinkov).

5) A.F.Kerensky (1881-1970). Er wurde in Simbirsk geboren, war Rechtsanwalt und von März bis Oktober 1917 der Leiter der vorläufigen russischen Regierung. Seit Oktober 1917 lebte er in der Emigration.

6) Emmanuel Mounier (1905-1950). Der französische Philosoph ist eine führende Gestalt der personalistischen Bewegung im Frankreich der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts. Diese Bewegung sammelte sich um die Zeitschrift Esprit, die Mounier 1932 begründet hatte und (außer zur Zeit ihres Verbots 1941-1944) bis 1950 herausgab. Mounier vertritt einen christlichen Sozialismus, der von dem Grundgedanken ausgeht, dass der Mensch nur in Gemeinschaft mit anderen das werden kann, was er ist, nämlich eine Person.

7) Stanislas Fumet wurde am 10. Mai 1896 in Lescar (atlantische Pyrenäen) geboren. Er gründete im Jahre 1910 seine erste Zeitschrift, La Forge, und im Jahre 1914 zusammen mit seinem Vater, dem Komponisten Dynam-Victor Fumet (*1867 Toulouse, †1949 Paris), eine politisch-künstlerische Zeitschrift, Les Echos du silence. Während des ersten Weltkriegs war er Sanitäter und wurde eine der markanten Gestalten des sozialen Katholizismus. Im Jahre 1937 übernahm er die Leitung der Wochenzeitung Temps present, an der auch François Mauriac, Jacques Maritain und Paul Claudel mitarbeiteten. Gegründet im Jahre 1940 in Lyon setzte er damit das Erscheinen unter dem Titel Temps nouveau bis zu ihrem Verbot im Jahre 1941 fort. Als Mitbegründer der unerlaubten Veröffentlichung Cahiers du témoignage chrétien wurde er 1943 verhaftet und sieben Monate später entlassen. Seit der Befreiung ließ er wieder bis 1947 Temps présent erscheinen. Als Präsident der "Gesellschaft Paul Claudel" ist er Direktionsmitglied des Zentrums der französischen Intellektuellen (1951). Als Verfasser zahlreicher Arbeiten und Produzent literarischer Sendung des ORTF empfing er den Prix catholique de littérature im Jahre 1979. Er starb in Rozès (Gers), am 1. September 1983.

8) Finanzmann Alexandre Stavisky († 1934). Er wurde erschossen in seinem Chalet in Chamonix aufgefunden. Die Franzosen erfuhren von dem Tode Staviskys am 9. Januar 1934. Man vermutete Selbstmord oder Mord.

9) Vgl. über die Beziehungen Berdyaevs zu Maritain, Mounier und Fumet: N.Berdyaev, Selbsterkenntnis, Darmstadt 1953, S. 292ff., 300ff. Zit. Berdyaev, Selbsterkenntnis. Über das Verhältnis Berdyaevs zu Helen Iswolsky bemerkt Donald A.Lowrie, The Rebellious Prophet – A Life of Nicolai Berdyaev, London 1960: "Hélène Iswolsky, Tochter des letzten kaiserlichen Botschafters in Paris, war eine andere Freundin dieser Zeit. Ihr genaues Bild von Nikolai Alexandrovich in seinen späten Jahren, Berdyaev As We Knew Him, hat bis jetzt bedauerlicherweise keinen Verleger gefunden" (S. 211).

10) Arthur Lourie (1892-1966), russischer emigrierter Komponist und Schriftsteller.

11) A.L.Kazem-Bek gehörte zur russischen Gemeinde "Die Drei Hierarchen", der Heimatgemeinde Berdyaevs in Paris. Er schrieb u.a. Artikel über ökumenische Fragen. Vgl. dazu im "Journal of the Moscow Patriarchate" 1969, Nr. 8, S. 79-82 "Über die Geschichte der Basis des Weltkirchenrats", sowie in derselben Zeitschrift 1962, Nr. 7, S. 68-71 "Katholizität" und moderner Ökumenismus. Vgl. auch: Stimme der Orthodoxie 1978, Nr. 6, S. 37-56, "Historische Zeugnisse einer Ökumenischen Gesinnung von Metropolit Philaret".

12) Vgl. auch: Berdyaev, Selbsterkenntnis S. 286f..

13) W.H.Auden wurde 1907 in York, England, geboren. Während seiner Jugend zog er nach Birmingham und wurde in Christ’s Church, Oxford, ausgebildet. Im Jahre 1928 veröffentlichte er sein erstes Buch, und seine Sammlung von Poems wurde 1930 publiziert. Er besuchte Deutschland, Island und China und diente im spanischen Bürgerkrieg. Im Jahre 1939 ging er in die USA. Hier wurde er amerikanischer Staatsbürger. Sein eigener Glaube schwankte radikal zwischen seiner Jugendkarriere in England, wo er glühender Verteidiger des Sozialismus und der Freudschen Analyse war und seiner späteren Phase in Amerika, als seine zentrale Beschäftigung das Christentum und die Theologie der modernen protestantischen Theologen wurde. Er wird allgemein als der bedeutendste englische Dichter des 20. Jahrhunderts betrachtet. Er war der Kanzler der "Akademie der amerikanischen Dichter" von 1954 bis 1973 und teilte sein Leben auf zwischen seinen beiden Wohnsitzen in New York und Österreich. Er starb in Wien im Jahre 1973.

14) Ehefrau des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr.

15) Eileen Egan wurde im Jahre 1962 die Mitbegründerin der amerikanischen Pax-Christi-Bewegung. Sie begann mit ihrer Arbeit schon nach dem 2. Weltkrieg, indem sie mit polnischen Überlebenden des sibirischen Exils und vertriebenen Deutschen arbeitete. Sie starb am 7. Oktober 2000 im Alter von 88 Jahren.

16) Dorothy Day (1897-1980) war die Begründerin des Catholic Worker. Sie wurde am 8. November 1897 in Brooklyn, New York, geboren. Nach dem Überleben des Erdbebens von San Francisco im Jahre 1906 zog die Day-Familie in Chicagos Süden. Während des Studiums gewann sie ein Stipendium, das sie im Herbst 1914 zur Universität von Illinois brachte. Nach zweijährigem Studium ging sie nach New York, um als Reporterin für The Call, die einzige sozialistische Zeitung der Stadt, zu arbeiten. Ihre religiöse Entwicklung war ein langsamer Prozess. Während sie wenig vom katholischen Glauben wusste, faszinierte sie die katholische spirituelle Disziplin. Sie sah die katholische Kirche als "die Kirche der Einwanderer, als die Kirche der Armen" an. Ohne ihre weiteren Tätigkeiten hier würdigen zu können, sei nur noch festgehalten, dass sie 1963 während des Zweiten Vatikanischen Konzils eine Wallfahrt nach Rom machte. Im Jahre 1967 machte sie ihren letzten Besuch in Rom, um am internationalen Laienkongress teilzunehmen und empfing – zusammen mit einem amerikanischen Astronauten – die Kommunion aus den Händen von Papst Paul VI. An ihrem 75. Geburtstag widmete ihr das amerikanische Jesuitenmagazin eine Extraausgabe. Auch erhielt sie eine akademische Auszeichnung der Universität von Notre Dame: die Laetare Medal. In diesem Zusammenhang erhielt sie auch von Mutter Theresa aus Calcutta Besuch. Lange vor ihrem Tod am 29. November 1980 wurde Dorothy Day von vielen als eine Heilige betrachtet

17) V.Soloviev (1853-1900, orthodoxer Religionsphilosoph). Im "Center for Eastern Christian Studies Library" ist u.a. Helens Korrespondenz mit N.Berdyaev und Dorothy Day erhalten.

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