Die Höhlenkinder

 

Der Autor

Alois Tlučhoř wurde am 25. April 1869 in in Daschitz bei Pardubitz (Böhmen) geboren. Er entstammte einer Bauernfamilie. Er studierte in Wien Philologie und Pädagogik und promovierte mit einer Dissertation über Potentielle Willensfreiheit und Suggestion des Objekts zum Doktor der Philosophie. Er wurde Fachlehrer an einer Bürgerschule in Wien und später ihr Direktor.Er starb am 2. Juni 1939 in Wien.

Unter dem Pseudonym Alois Theodor Sonnleitner, das auf seinen Wohnsitz Auf der Sonnleite in Perchtoldsdorf zurückging, veröffentlichte er pädagogische und sozialpolitische Schriften, Gedichte und Märchen. Sein Hauptwerk ist die Trilogie „Die Höhlenkinder“. Sie erschien zunächst in drei Bänden:

·       Die Höhlenkinder im Heimlichen Grund, Mit sechs Vollbildern, zwei Plänen und zahlreichen Abbildungen nach Zeichnungen von Fritz Jaeger, Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde. Geschäftsstelle: Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1918 (255 Seiten).

·       Die Höhlenkinder im Pfahlbau, Mit sechs Vollbildern, zwei Plänen und zahlreichen Randbildern von Fritz Jaeger und Ludwig Hudribusch, Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde. Geschäftsstelle: Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1919 (263 Seiten).

·       Die Höhlenkinder im Steinhaus, Mit acht Vollbildern, zwei Plänen und zahlreichen Abbildungen nach Zeichnungen von Fritz Jaeger, Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde. Geschäftsstelle: Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1920 (256 Seiten).

 

Grabstein in Perchtoldsdorf, aus:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4c/Perchtoldsdorf_6570.jpg

(abgerufen am 14.1.2022).

 

Inhalt der Trilogie

Zwei Kinder, Peter und Eva, begleiteten ihre Großeltern (Ahnl und Ähnl) um 1690, als ihre Großmutter auf der Flucht vor Hexenverfolgung war, und entwichen in ein abgelegenes Tal, aus dem sie nicht mehr entkommen konnten. Im Kampf um ihr Überleben erfanden sie Werkzeuge, die es bereits in der Steinzeit gab. Allmählich entwickelten sie sich in ihrer Lebensweise weiter, sodaß sie schließlich zum Niveau mittelalterlicher Menschen gelangten.

 

Peter, Eva und ihr Sohn Hans

Im Folgenden werden anhand von Zitaten Schwierigkeiten im Zusammenleben und ihre Überwindung aufgezeigt:

„Peterl faßte sich zuerst. Seine Tränen waren versiegt und und neben dem herben Gefühl des Verlustes seiner Nährmutter stieg in ihm das Bewußtsein der Ver­antwortung auf. Fürs Everl mußte jetzt er sorgen.“ (Die Höhlenkinder im Heimlichen Grund, Stuttgart 1918, 33).

„Als ob mit der Erfindung der urtümlichen Steinwerkzeuge ein neuer Geist voll Mut und Zuversicht in die jungen Menschen gekommen wäre, träumten und plauderten sie von nichts anderem, als von Jagd und Kampf. Das heißt, Peterl schilderte, wie er den Rehen, Füchsen und Bären beikommen wollte und Everl lauschte ihm mit offenem Munde. Das Blut des Bären wollte er trinken, um seine Stärke in sich zu schlürfen, Fleisch und warme Felle wollte er in Menge heimbringen. Er hatte kein Bangen vor dem Winter.“ (Grund, Stuttgart 1918, 57).

„Aber nicht ganz mochte er [Peterl] ihn [den Steinbock] den Geiern und den Füchsen lassen! Das Herz des starken Tieres wollte er essen, um seine Kraft in sich aufzunehmen.“ (Grund, Stuttgart 1918, 70).

„Peterl zieht hinaus und Everl schafft zu Haus“ (Grund, Stuttgart 1918, 78).

„Er [Peterl] schulterte seinen Korb, nahm den Faustkeil an sich und teilte Everl seine Absicht mit; allein wollt’ er gehen, das wär’ nichts für sie.
Und sie wollte ihn nicht von sich lassen.
Da stellte er sich herrisch vor sie hin: ‚Das Jagern ist Mannesarbeit. Du wärst mir nur im Weg. Du mach zu Haus deine Sach.‘ Seine Stimme klang rauh.“ (Grund, Stuttgart 1918, 82).

„Jetzt machte sich der glückliche Peter, der aus einem Spielzeug Everls eine brauchbare Waffe geschaffen hatte, daran, einen großen Vorrat von Pfeilschäften herzurichten.“ (Grund, Stuttgart 1918, 91).

„Zwischen Everl und Peterl hatte sich unbemerkt eine weitgehende Arbeitsteilung eingestellt. Er war vor allem der Erwerbende geworden, sie hielt Ordnung in den Wohnstätten.“ (Grund, Stuttgart 1918, 97).

„Trotz ihres grellen Schmuckes durfte sie [Everl] heute Peter begleiten.“ (Grund, Stuttgart 1918, 107).

„[Losung] ‚Von Geißen glaubst?‘ fragte sie unsicher. ‚Oder von Steinböcken‘ versetzte er eifrig, ‚und weit können’s nicht sein, die Losung ist frisch. – Du bleibst zurück!‘ befahl er in der Art, die keinen Widerspruch zuließ.“ (Grund, Stuttgart 1918, 112).

„Der Höhlensiedler schleppte den neuen Steigbaum heim, lehnte ihn neben den alten an die Felswand und stieg an. Ungestüm heischte er von Everl etwas zum Essen. Und sie machte sich an die Zubereitung der Taube.“ (Grund, Stuttgart 1918, 142)

„Von seinen eigenen Aufgaben ganz in Anspruch genommen, duldete es Peterl, daß sie auch ohne ihn der Ernte nachging, während er mit Eifer den Spuren der Rehe und Wildziegen folgte. Felle mußte er schaffen, denn der Herbst konnte schon böse Kälte bringen.“ (Grund, Stuttgart 1918, 145).

„Nicht immer lebten die beiden im Frieden. Trotzdem Peterl wiederholt erfahren hatte, daß Everl in manchen Dingen nicht minder findig war als er, hatte er sich in seinem durch die Erfolge gesteigerten Selbstbewußtsein ein herrisches Wesen angewöhnt, das sie oft verletzte. Wenn sie etwas, was er ihr anschaffte, nicht gleich oder nicht so geschickt ausführte, als er’s haben wollte, fuhr er sie ungeduldig an. Daß sie jünger und schwächer war als er, darauf nahm er keine Rücksicht. Stellte sich bei Everl Trotz und Schmollen ein, so wurde Peterl meist grob und schalt sie ein dummes Ding.
Es kamen neblige Tage mit Regenschauern. Da wurde Everl vom Schnupfen befallen.
Wenn auch gemeinsame Erntearbeit bei den Höhlensiedlern die Freude am Erfolg auslöste, Peterls wiederholt bewiesene Rauheit und seine starke Selbstschätzung hatten eine dauernde Folge: An Stelle der schlichten, harmlosen Vertraulichkeit ihm gegenüber, stellte sich bei Eva eine ihr unbewußte Scheu und eine zu steter Abwehr von Kränkungen bereite Wachsamkeit ein, die zwischen ihm und ihr eine unsichtbare Schranke aufrichtete.“ (Grund, Stuttgart 1918, 182f).

„Mit Entsetzen wurde sich der übereifrige Holzarbeiter dessen bewußt, daß er nahe daran gewesen war, von dem stürzenden Baum erschlagen zu werden. Wie hatte er nur die alte Fichte vergessen können? Und es kam ihm zum Bewußtsein, daß er seiner Everl zulieb sich vor ähnlichen Dummheiten hüten mußte. Hätte sie ohne ihn leben können?“ (Grund, Stuttgart 1918, 192).

„Trotz der erfreulichen Leichtigkeit der Fortbewegung seines Schlittens auf dem stäubenden Schnee dampfte der brave Junge, als er vor dem Steigbaum anlangte. Vor dem lodernden Herdfeuer streckte er sich der Länge nach auf den Lehmboden und ließ sich von Eva füttern.“ (Grund, Stuttgart 1918, 193).

„Auf Everls wiederholte Ansprache gab er keine Antwort. Noch fröstelnd und über den Verlust seines Steinbeils geärgert, folgte er mit den Augen jeder ihrer Handbewegungen. Und als die Gekränkte in einer Aufwallung von Groll ein Stück nasses Holz ins Herdfeuer stieß, daß die Funken stoben, fuhr er sie an, sie sei ein dummes Ding.
Da gab sie ihm scharf zurück:
‚Deswegen brauchst du mich nicht anzuschreien, du Troll, du!‘“ (Grund, Stuttgart 1918, 223).

„Mit dem Reinigen des Gedärms und dem Aufblasen der Harnblase des Bockes betraute er Everl, der er seine Schneeschuhe borgte, damit sie zum Bach gelangen konnte. Sie wollte nicht gehen. Da trieb er sie hinaus. Er brauchte die Tageszeit, um an seiner neuen Steinaxt zu arbeiten.“ (Grund, Stuttgart 1918, 231f).

„Everl war trostlos. Dazu kam ein nicht unberechtigter Groll gegen Peterl, der sie ja in die nasse Kälte hinausgetrieben und so ihre Erkrankung verschuldet hatte. Seine Pflege, die erst nur darin bestand, daß er ihr gewärmte Steine ins Moos ihres Lagers legte, nahm sie danklos hin und und seiner Zumutung, allerlei herbe Kräuter zu kauen, folgte sie erst mit Widerstreben, setzte aber bald seinen weiteren Heilungsversuchen Widerstand entgegen. (Grund, Stuttgart 1918, 234f).

„Jetzt stürzte sich der Sieger auf den gefällten Feind, preßte seinen Mund auf die Wundränder und schlürfte in gierigen Zügen das warme Blut des Starken, als wollte er seine Kraft in sich saugen.
Eva empfand Bewunderung und Grauen vor Peterl wie noch nie. Den gefürchteten Bären hatte er erschlagen und jetzt schlürfte er seine Stärke in sich.
Blutüberrieselt kniete er auf dem Ungetüm und trank und trank sein Blut.
Sie zog sich still zurück. Von dieser Stunde an verlor sie nicht mehr die Empfindung, daß Peterl ihr überlegen war an roher Kraft und ein Warngefühl der Scheu vor ihm stieg in ihr auf“. (Grund, Stuttgart 1918, 250).

„Hier [vor den Ahnenbildern] bat sie um Schutz vor bösen Geistern, aber auch vor dem werdenden Mann, dessen Roheit sie zu fürchten begann.“ (Grund, Stuttgart 1918, 253).

„Fast den ganzen Tag verbrachte Eva allein bei der Arbeit, die sie bewältigen wollte, um ihrem nicht selten groben Peter keinen Anlaß zum Schelten zu geben. Beim Wenden und Spülen des Bärengedärms wurde sie verdrossen darüber, daß Peter ihr gerne Arbeiten zuschob, die ihm selbst zuwider waren.“ (Die Höhlenkinder im Pfahlbau, Stuttgart 1919, 14).

„Gering war seine Ausbeute an winzigen Eiern, die er roh schlürfte, wenn sie nicht schon bebrütet waren. Daß Eva ihm derlei Schmausereien verübelte, dadurch ließ er sich nicht beirren; er war – wie sie sagte – ein Wildling. (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 24).

„Und so ließ sie ihren Peter die Erfahrung machen, daß eine Bruthenne keine gute Brathenne abgibt. Die Höhlenkinder ärgerten sich einer über den anderen, diesmal und manch anderes Mal. Trennend stand der Groll zwischen den beiden aufeinander Angewiesenen, indes die Frühlingspracht um sie her sich in hellem Farbenjubel entfaltete.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 26).

„Sooft sie Peter begegnete, wurde sie von seiner zunehmenden Unreinlichkeit angewidert.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 30).

„Trotz der Versöhnung, die Peter und Eva einander wieder nahegebracht hatte, verlor das Mädchen die Warnempfindung nicht, daß sie sich vor Peters Ungestüm zu hüten hätte. Der schmerzende Händedruck, mit dem er ihr das Versprechen bekräftigt hatte, das Wild in der Setzzeit zu schonen, war doch nur ein Ausdruck seines aufsteigenden Zornes gewesen. Eva, die längst aufgehört hatte, Kind zu sein, nahm sich mit der Klugheit, die dem Weibe angeboren ist, vor, Peter auf gute Weise ihrem Willen gefügig zu machen.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 43).

„Bebend durchwühlten sie die Asche, kein Funken, kein Stück glimmender Kohle, alles kalt und tot. Da entrang sich ein Stöhnen der Brust Peters. Sein zorn­entstelltes Gesicht, aus dem das Weiße der hervorquellenden Augäpfel durch die Dämmerung leuchtete, der verlegen dastehenden Eva zugewendet, packte er sie mit hartem Griff an beiden Schultern, schüttelte sie roh und schrie ihr ins Gesicht: ‚Es ist kein Verlaß auf dich!‘“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 56).

„Da wendete er sich an Eva mit einem bittenden Ausdruck, den sie an ihm nicht gewöhnt war: ‚Sei so gut, lös mich ab.‘“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 64).

„‚Mit dem Feuerbohrer hab’ ich’s erbohrt und hab’s dem Bohrloch entnommen. Gott und die guten Geister haben mir das so eingegeben. Gott und die guten Geister.‘ – Mit einer an Ehrfurcht streifenden Scheu umfing der Blick Peters die schlanke, lichte Gestalt des werdenden Weibes, das bei Gott und den guten Geistern in besserem Ansehen stand als er.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 67).

„In den Arbeiten der aufeinander angewiesenen Menschen war eine Scheidung nach Fähigkeit und Neigung eingetreten. Und so gingen auch ihre Gedanken gesonderte Wege: Träumte Peter von glücklicher Jagd, von Erwerbung reichlicher Vorräte an Fleisch und Fellen, so sann Eva auf eine trauliche Ausgestaltung des Heims, auf die Schaffung besserer gutschließender Kleider, die den Leib vor Nässe und Kälte, vor Mückenstich und Sonnenbrand schützen sollten.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 69).

„Evas Erwartung bestätigte sich; Peters rauhes, zum Jähzorn geneigtes Wesen milderte sich, seit sie ihn dazu gebracht hatte, täglich mit ihr vor Beginn des Tagwerks seine guten Gedanken zu sammeln.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 74).

„In einer Aufwallung von Ungeduld und Zorn gab Peter der untätig hinstarrenden Eva einen Stoß: ‚Jetzt rühr dich, pack ein, was du zum Essen mitschleppen kannst. Wart’ nicht, bis uns das Wasser wegschwemmt‘.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 86).

„Ihr Leib erschauerte vor Kälte. Da entglitt der Pack ihrer Linken und sprang, von einem Aststummel des Steigbaumes abgeprellt, Peter an die Schienbeine, der schon wartend auf dem Sande der Lehne [der sanften Steigung] stand. Seine Bürde fiel ihm vom Kopfe. Ein gehässiger Blick traf die bittenden Augen der armen Eva, deren Tränen im Mondlicht glänzten. Dann nahm Peter seine Last wieder auf.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 87).

„Aber Peter war nicht dazu zu bewegen, ihr noch weiteren Halsschmuck zu schmieden. Er erklärte rundweg, das [Gold]Korn werde er nicht hergeben. – ‚Hast mir’s g’schenkt und nimmst mir’s wieder!‘ warf ihm Eva vor, er aber behielt es mit dem Rechte des Stärkeren.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 105).

„Eva verlegte sich aufs Bitten; die Goldkörner gehörten ja ihr. Und als sie damit nichts ausrichtete, begann sie zu schelten und zu weinen, ja sie versuchte, ihm das gelbe Korn zu entreißen. Die starke Faust, die das Gold umklammert hielt, stieß Eva, daß sie taumelte.
Mit dem gleißenden Golde war ein neuer Geist in das Leben der Höhlenkinder gekommen, die Begierde nach Sonderbesitz.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 106).

„Sie saßen scheinbar einig beisammen und waren sich dessen nicht bewußt, daß dem bösen Geist der Begehrlichkeit ein anderer ebenso böser gefolgt war, um mit ihnen zu hausen: der Geist der Lüge.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 115).

„Der natürliche Grund ihrer Unheilsahnung war wohl die im Erlebten begründete Unsicherheit, ob die neue Wohnstätte nicht unbekannte Gefahren berge. Sie nahm sich vor, sich bald mit einem Goldopfer im Heiligtum einzustellen, um nicht neuerdings unter dem Zorn Gottes zu leiden, den sie sich nach Menschenart verehrungsbedürftig und rachebereit dachte, wenn ihm die schuldige Anbetung vorenthalten wurde. Die ersten Tage im neuen Heim waren voll dringender Arbeit, die sie allein besorgen mußte, und sie schob ihren Opfergang auf.
Peter, der seine Zeit zwischen Fischfang, Holzbeschaffung und Goldsuchen teilte, trachtete zu verhindern, daß ihm Eva nachginge.
Er brachte ihr einen grob zugehauenen Serpentinkeil, richtete ihr das Bohrzeug mit einer Bocksblase voll feingeschlagener Quarzsplitter und verlangte in seiner herrischen Weise, sie solle ihm das Steinbeil durchlochen, ja er legte ihr zum Schleifen auch schon einen Granitbrocken hin. Widerwillig fügte sie sich.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 117).

„Je zufriedener sie durch derlei Arbeit mit sich selbst wurde, desto trotziger trug sie das tägliche Schelten Peters, der ihr über das langsame Fortschreiten ihrer Bohrarbeit Vorwürfe machte, sooft er sie von seinen Forellen mitessen ließ.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 119).

„Das von Tag zu Tag mehr verwahrloste Aussehen Peters, seine rauher und tiefer gewordene Stimme, seine barsche Art machten ihr schwesterliches Empfinden schwinden. Ihre auf Abwehr räuberischer Wegnahme des Goldes gerichtete Wahrung des Sondereigentums tat das Übrige dazu, daß Eva in Peter einen Stärkeren sah, vor dem sie sich hüten mußte.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 119f).

„Mit einem herben Gefühl von Verachtung gegen Peter kehrte sie in ihre Hütte zurück. Sie hatte alles Vertrauen zu dem verloren, der ihr Helfer sein sollte in allen Nöten. Unabhängig von ihm wollte sie werden, verlangen wollte sie nichts von ihm, was sie sich selbst beschaffen konnte. Was sie von ihm nahm, das wollte sie ihm durch Gleichwertiges vergelten, sie wollte bei ihm nicht in Schuld stehen, bei ihm, den sie nicht mehr lieb haben konnte.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 136).

„Wie immer, wenn sie sich krank fühlte, sagte sie sich, Gott strafe sie dafür, daß sie noch immer ihr Gelübde nicht erfüllt hätte. Sie nahm sich vor, sobald sie nur wieder bei Kräften wäre, das versprochene Goldopfer körnchenweise zusammenzusuchen und den beleidigten Gott zu versöhnen.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 154).

„Eva wollte ihn still beobachten und sich dann wieder davonschleichen. Der Wind aber trieb den Rauch gerade zu ihr herüber, und sie mußte husten. Da drehte sich Peter um. Mit einer tiefen Stimme, die ihr ganz fremd vorkam, fragte er: ‚Kommst endlich?‘ – Es klang wie ein grollender Vorwurf.
Dabei leuchtete das Weiße seiner Augen aus dem rußbedeckten Gesicht grell zu ihr hinüber. – Im Widerschein des Werkfeuers stand Eva vor ihm schlank und rein und schön in ihrem neuen Bastkleid.
Da trat der verrußte Geselle in einer Anwandlung alter Herzlichkeit auf sie zu, blieb aber, gebannt von ihrem abwehrenden Blick, stehen, ohne sie zu berühren. Und als Eva sich wortlos von ihm wandte, da ballte er die Fäuste und biß sich auf die Lippen. Aber er ging ihr nicht nach. – Umrahmt von goldgesäumten Wolkenbänken sank die Sonne über dem Sommerspitz, vom Moor floß der Nebel auf und lagerte sich als leuchtender Schleier in die Dämmerung des Heimlichen Grundes. Vor seinem Werkfeuer saß Peter und schluchzte in Zorn und Leid vor sich hin wie ein Kind. Eva zulieb hatte er sich den Sommer über geplagt, hatte gegrübelt und gearbeitet, auf ein Wort der Anerkennung von ihr hatte er geharrt von Tag zu Tag, und jetzt ging sie von ihm, weil er verrußt war? – “ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 158f).

„So erwartete sie ihn mit einer Bastmatte und empfing ihn, kaum daß er mit seinem Fahrsteg anlegte, mit dem Angebot: ‚Gib mir etwas von deinem Geschirr und nimm das dafür.‘ Von Herzlichkeit war in ihrem Wesen nichts.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 161).

„Als er ihren Webstuhl, ihr Netz und ihre Reusen zu Gesicht bekam, begnügte er sich damit, die neuen Geräte von allen Seiten anzustaunen; eine Äußerung seiner Bewunderung bekam Eva nicht zu hören. Und doch hätte ein Wort der Anerkennung ihrer Findigkeit und ihres Fleißes auch ihr wohlgetan; vielleicht hätte sie ihm sein Unrecht verziehen. So versagten einander beide das Lob, dessen jedes vom andern in der engsten Vergesellschaftung so sehr bedurfte. […]
Vergnügt trällernd, wenn sie allein war, hatte sie sich Peter gegenüber ein fast hochmütiges Wesen zurechtgelegt, das ihm ihre Gesellschaft verleidete.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 161f)

„Die Wohltat eines reinen, geordneten Heimes, schmackhafter Kost und eines ungezieferfreien Lagers empfand Peter mit vielem Behagen und ertrug Evas Launen.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 163).

„Trotz des begreiflichen Neides wegen Peters größerer Wohnung, trotz der alten Verstimmung wegen des geraubten Goldes versagte sie ihm ihre Anerkennung nicht. In der Tiefe ihrer Seele keimte ihr selbst verborgen aus der alten kindlichen Liebe, die sie einst zu Peter gehegt hatte, eine zaghafte Zuneigung, die nur darum nicht zur Entfaltung kam, weil sich Eva sagte: ‚Stark, geschickt und erfindungsreich ist Peter; aber er kann ungut sein und roh; er kann wegnehmen, was mein ist.‘ Weil sie ihn fürchtete, konnte sie ihn nicht lieben.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 179).

„Eingedenk der Fehltritte Peters hielt sich Eva für besser als ihn. Sie wehrte sich dagegen, daß er ihr in Fertigkeiten und Erfindungen überlegen sein sollte, wenn sie sich schon eingestehen mußte, daß er ihr an roher Kraft über war.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 183).

„Das sollte Eva sehen, die würde Augen machen! – Peter traf sie vor ihrem Herde und hielt ihr sein halbfertiges Steinbeil hin. „Da schau!“ – Sie langte danach, hatte es aber erst berührt, noch nicht umfaßt, als Peter es losließ. – Klingend fiel es auf die Kante der steinernen Herdmauer und zersprang. In Schreck und Zorn quollen Peters Augen hervor; seine Faust ballte sich zum Schlag. – Eva sprang zurück und barg sich schluchzend auf ihrem Lager. – Da ging Peter wortlos mit den Bruchstücken seines Kleinodes hinaus und warf sie in den Moorsee, daß das Wasser hoch aufspritzte.
Wohl gelang es ihm, sich ein neues, schön durchlochtes und geschliffenes Steinbeil in weniger als drei Wochen herzustellen, und sein Verdruß über den Verlust des andern war dahin. – Eva aber brachte die Erinnerung an seine zornentstellten Mienen und an seine geballte Faust nicht aus dem Gedächtnis.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 184f).

„Enttäuscht nahm Peter Eva, die verstört herbeigeeilt war, bei der Hand und ging mit ihr heimwärts. Der Ofen mußte erst ausbrennen und kühl werden, ehe an ein Ausräumen zu denken war. Müde bis zur Gedankenlosigkeit, schritten sie wieder einmal einträchtig dahin wie in längst verschwundenen Tagen.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 191).

„Hatte er den Schmerz verbissen, als der Tropfen feuerflüssigen Metalls seinen Arm traf, jetzt, da er den Lohn seiner harten Mühe zerstoben sah, schrie er auf vor Zorn und Leid, warf sich zu Boden, drückte die geballten Fäuste vor den Mund und schluchzte untröstlich. Und neben ihm kauerte sich Eva auf den Boden; in stillem Mitleid flossen die Tränen über ihre Wangen. Vor Peters Weh schwand ihr alter Groll. Sie wollte ihm ein tröstendes Wort sagen und griff nach seiner geballten Rechten. Er stieß ihre Hand von sich. Aus seinen von Qualm und Hitze rotgebeizten Augen und dem von Ruß und Tränen entstellten Gesicht grinste ihr ein sinnloser Zorn entgegen. Da stand sie auf und ging heimwärts.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 198f).

„Ihr Selbstgefühl stieg mit der neuen Erfindung, aber vergeblich wartete sie auf ein anerkennendes Wort.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 204).

„So hart und selbstisch auch Peter geworden war, in Eva lebte uneingestanden trotz aller Verurteilung seines rauhen Wesens doch ein Rest der kindlichen Zuneigung, die sie einst zu ihm empfunden hatte. Mit aller erlittenen Kränkung, die sie ihm nicht vergessen konnte, mit aller Scheu vor seinem groben Wesen rang die Bewunderung seiner rastlos schaffenden Männlichkeit, seines sieghaften Erfindergeistes. Und es gab Stunden, in denen Eva wünschte, die Fremdheit, die zwischen ihn und sie getreten war, wäre dahin. Sie wollte mit ihm in seiner großen Stube wohnen, das gemeinsame Hauswesen ordnen und mit Hilfe der guten Ahnen sein Wesen ändern, damit er wieder so gut würde, wie er als Bub gewesen war; alles Böse, was er ihr angetan hatte, wollte sie ihm gerne verzeihen.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 205).

„Mehr denn je bewunderte Eva die Findigkeit Peters und wünschte eine vollkommene Aussöhnung mit ihm herbei, um in vollständiger Gemeinschaft mit ihm all der Vorteile teilhaftig zu werden, die seine Werkfähigkeiten ergaben. Aber er nahm ihre anerkennenden Worte jetzt als etwas Selbstverständliches; mit einer alles andere ausschließenden Leidenschaftlichkeit hingen seine Gedanken an der Umgestaltung des Heims, die ihm unabweisbar schien.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 209).

„Mit der Gestaltungskraft einer Dichterin malte sich das werdende Weib  ein trautes Heim aus, in dem sie das Hausmütterchen war, das für die Behaglichkeit des Mannes arbeitete, und ihn dachte sie sich als guten Fürsorger, der in unwandelbarer Güte ihr Lebensgenosse war. Aber wie weit war Peter vom Traumbild Evas entfernt, das in ihrer zum tiefen Glücksbedürfnis erwachten Seele erstanden war.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 210).

„Mit innerem Frohlocken beschaute sie ihr Bild im Spiegel des Moorsees und hätte es gerne gehabt, wenn Peter an ihrer Schönheit Freude gezeigt hätte. Ihre weibliche Gefallsucht war erwacht. Aber der, dem sie gefallen wollte, hatte kein Auge dafür.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 213).

„Sein Ärger stieg in dem Maße, daß Eva darunter bei jeder Gelegenheit zu leiden hatte.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 219).

„Und wenn er sich mehr daheim aufhielte, wenn er wieder wie einst Evas guter Genoß im Heim wäre, dann würde sie wohl ihr herbes Wesen ablegen… Was immer es sein mochte, weshalb sie ihm grollte, er wollte es durch Herzlichkeit und fürsorgende Güte wettmachen.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 237f).

„Peter träumte zum ersten Male vom Glück in Evas Nähe. Durch liebevolle Fürsorge und Arbeit wollte er sich’s verdient haben, daß ihre Blicke freundlich auf ihm weilten.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 238).

„Und das Bild Evas tauchte vor ihm auf, so schön, so lieblich! Hatte er denn keine Augen dafür gehabt, wie holdselig und stattlich sie herangewachsen war? Und jetzt erst, wo es zu spät war, wußte er es, daß er sie lieb hatte, daß er ihr nur dienen wollte mit all seiner erworbenen Geschicklichkeit, mit all seinem Fleiß, der nur Wert hatte, wenn er sie froh machte.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 240).

„Erzählen wollte er ihr von der törichten Angst, die er in der Fallgrube ausgestanden hatte, und von den Hoffnungen, die er hegte. Als er aber spät am Nachmittag vor dem Töpferofen anlangte, wirkte auf ihn der verdrossene, fast gehässige Ausdruck in Evas Gesichte so abweisend, daß er statt eines freundlichen Grußes die Worte hervorstieß: ‚Harbst dich wieder, daß ich weg war, und fragst nicht erst, was ich ausg’richt hab’?‘ Da straffte sich ihr vom ungewohnten Schleppen der Torf- und Holzmassen erschöpfter Körper, sie richtete ihre schlanke Gestalt zu voller Höhe auf, und ihre Augen, die im Widerschein der [sic] Feuers glänzten, streiften verächtlich seine gedrungene, vom anhaftenden Lehm versudelte Gestalt. Langsam erwiderte sie: ‚Hast recht, ich frag’ nicht danach, nur soviel weiß ich, daß du von der angefangenen Arbeit weggelaufen bist. Mach’s weiter so, und ich geh’ zugrund.‘ Damit wandte sie sich und ging heimzu. Es war das erstemal, daß sie es wagte, ihn zu schelten. und [sic] er empfand es wie eine Überhebung ihrerseits, [sic] Sein alter Zorn stieg in ihm auf.“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 242f).

„Er hatte nicht die Absicht gehabt, hart mit ihr zu sein. Ihr Schweigen reizte ihn. Hochaufgerichtet stand sie vor ihm, ihre Augen schienen sich aus den Höhlen zu drängen, ihre Nüstern bebten, und ihre Lippen waren fest aufeinandergepreßt. Da packte er sie mit seinen verrußten Händen an beiden Schultern und schüttelte sie: ‚Hast’s oder hast’s nit?‘ [Das Gold]. Evas Fäuste ballten sich zur Abwehr und heiser brachte sie die Worte hervor: ‚Ich hab’s nit, und du kriegst’s nit.‘“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 252).

„Dann heftete er seine halboffenen Augen auf Eva, die errötend und lächelnd seinen Blicken standhielt. ‚Eva, Eva‘, begann er zu flüstern, ‚bist du mir gut?‘ Da sprach sie leise und mit Innigkeit: ‚Ja, ja, mein Peter, ich bin dir gut.‘ Sie umklammerte seine Rechte mit beiden Händen und fuhr eindringlich fort: ‚Ja, ja, ich bin dir gut, und du bist mir gut, verzeih du mir, ich verzeihe dir alles, alles, und nichts mehr soll zwischen uns kommen; was mein ist, sei dein, was dein ist, sei mein. Ich danke dir mein Leben, und du dankst mir dein Leben. Wir sind die einzigen Menschen im Heimlichen Grund und wir wollen einander lieb haben bis zum Tode. Hörst du, bis zum Tode. Willst du?‘ Große Tränen rollten über Peters Wangen in den weichen dunklen Bart. Er preßte ihre Finger und sprach ihr nach: ‚Bis zum Tode.‘“ (Pfahlbau, Stuttgart 1919, 260f).

„Zwanglos ähnelte Peter seine Lebensweise der seines Weibes an. Da er sich Evas frohe Willfährigkeit erhalten wollte, achtete er auf ihr Mienenspiel. Ihr Gesicht gab unwillkürlich jeder Billigung oder Mißbilligung beredten Ausdruck. Evas zartes Gefühl fürs Ziemende ging als Verfeinerung seines Gewissens in Peters Wesen über. Ihrem Geschmack für Schönheit, von der ja Ordnung und Reinlichkeit untrennbar sind, trachtete Peter sein Äußeres anzupassen. Der tägliche Gebrauch von Seifenbrei und Kamm wurde auch ihm zum Bedürfnis. Beim Essen aus gemeinsamer Schüssel legte er seine Gewohnheit ab, sich das Mus mit der Hand in den Mund zu streichen, und gewöhnte sich dem Weib zulieb an die Benützung des Löffels. Wenn Eva morgens und abends mit den Ahnen ihre Zwiesprache hielt, in der sie alle guten Vorsätze erneuerte, war Peter zwar ihr schweigsamer Gefährte, aber er konnte nicht umhin, mitzudenken, was sie sprach. So vollzog sich unter Evas Einfluß eine merkbare Veränderung in Peters ganzem Gehaben. Er wurde ruhiger.“ (Die Höhlenkinder im Steinhaus, Stuttgart 1920, 27).

„Etwas Weiches, Zärtliches war in sein Wesen gekommen, das den rauhen Eindruck seiner gedrungenen Gestalt milderte und sein sonnverbranntes, von schwarzem Haupt- und Barthaar umwalltes Gesicht eigen veredelte. Aus der steten Fürsorge, mit der Peter seinem Weibe jede Anstrengung zu ersparen suchte, fühlte Eva heraus, wie sehr er sie gern hatte.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 61f).

„Wenn Eva in der Bärenhöhle ihre Arbeiten verrichtete, fühlte sie fernher, daß Peter an sie dachte; und er hatte die Empfindung, als segneten ihre Gedanken das Werk seiner Hände.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 63).

„Gegen die Unterbringung des Schmiedwerkzeuges und des Allerleis in der Wohnküche erhob Eva Einsprache. Nachgiebig dem geliebten und eigensinnigen Weibe gegenüber, richtete sich Peter die verlassene Bärenhöhle als Werkstätte ein.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 68).

„Wie unter den Strahlen der Sonne das Leben gedeiht, so sollte die im Kinde keimende Saat alles Guten gedeihen, unter den Kraftstrahlungen der fördernden Liebe, deren Wärme allzeit wirklich und wahrhaft Wunder tut, Wunder am Leibe und Wunder an der Seele.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 71).

„Er gewöhnte sich an, ruhig zu sprechen. Die Rücksicht auf Weib und Kind hatte ihn verwandelt.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 72).

„Dann aber schlang sie die Arme um seinen Hals, küßte ihn auf Mund und Wangen und rief ein übers anderemal: ‚Du Lieber, du Guter, du – du!‘ Und beide wurden sich wieder dessen bewußt, was rechte Liebe sei: Keine Mühe scheuen, wo’s gilt, dem andern eine Plage zu ersparen. Und Peters Lust, für seine Eva zu schaffen, wuchs: denn sie verstand es, ihm ihre Freud’ in herzlicher Innigkeit zu zeigen.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 88).

[Peter entdeckte, daß Honigwasser nach einigen Tagen zu gären begann und zu einem berauschenden Getränk wurde. Um mehr davon zu bekommen, entwendete er die Honigvorräte aus der Küche, die für den Winter bestimmt waren. Eva machte ihn wiederholt darauf aufmerksam, daß sich die Decke des Wohnraumes allmählich senkte. Sie war nämlich vom Hausschwamm befallen. Peter lachte über ihre Befürchtungen. In einer Sturmnacht brach die Decke ein und begrub Everl, das jüngst geborene Kind, unter sich.]

„In den Blicken seines gebrochenen Weibes las Peter den Groll, dem sie keine Worte gab.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 122).

„Je weiter seine Vorbereitungen zum Bau eines verläßlichen Daches fortschritten, desto mehr schwand der Ausdruck verhaltenen Grolles aus Evas Zügen. Als aber Peter, ermutigt durch ihr verändertes Wesen, ihr nahte, um liebkosend mit seiner schweren Hand ihr über die Schulter zu streichen, bog sie ausweichend den abgemagerten Leib zur Seite, ihr schmales Gesicht verfinsterte sich, und sie stieß die Worte hervor: ‚Rühr mi nit an!‘ – Da verließ er sie wortlos.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 123).

„Und wenn dann die dampfende Schüssel auf dem Tische stand, sprach die Hausmutter das Gebet, das ihrer Absicht entsprach, alles Gute in Peter und in sich zu stärken und in Hans zu wecken:
‚Allmächtiger, guter und strenger Gott! Du hast die Arbeit unserer Hände gesegnet, daß wir einer dem andern Gutes tun. Wir wollen deinen Willen erfüllen. Mach uns stark dazu. Und wenn wir sterben, laß uns die Lieben wiedersehen, die bei dir sind: Ahnl, Ähnl, Mutter und Everl‘.
Wenn Eva so als Priesterin des Heims mit gefalteten Händen dastand, das schmale, blasse Gesicht von sanfter Röte heiliger Erregung angehaucht, vom lichtdurchfluteten Blondhaar umwallt, waren die Augen Peters und Hansis auf sie gerichtet wie auf ein höheres Wesen.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 139).

„Eva, die um Hansens Zukunft ernstlich bangte, wurde so wortkarg, daß ihrem Mann der Aufenthalt im Heim verleidet war.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 216).

„Da er das plumpe, viereckige Boot trotz untergelegter Walzen nicht allein ins Wasser zu schieben vermochte, rief er Hans zur Hilfe herbei, gab ihm aber zu verstehen, daß er es zu seinem eigenen Gebrauch bestimmt hatte. Dem Sohn war die ungewohnte Betonung des Sondereigentums von seiten des Vaters unverständlich. Er hatte keine Ahnung, daß der Vater allein sein wollte, um unbeob­achtet sein lieb gewordenes Trostgetränk genießen zu können.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 216f).

„Eva, die trotz der Gesellschaft des Sohnes die neuerliche Vernachlässigung von seiten ihres Mannes als kränkend empfand, erreichte mit Vorwürfen nur, daß der Mann sich in seinem Boote häuslich einrichtete, um bei jedem Wetter, ja auch in den Nächten draußen sein zu können.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 219).

„Peter war der Anblick seines kränkelnden Weibes peinlich, da er nicht helfen konnte.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 220).

„Der gewohnheitsgemäße Genuß des sanft berauschenden Getränkes gab Peter einen leichten Sinn, der als grundlose Heiterkeit und Redseligkeit Hans und Eva auffiel, sooft sich Peter daheim einfand.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 221).

„Reichlicher Ertrag der vermehrten Bienenstöcke machte es Peter möglich, größere Mengen von Met zu bereiten und zu genießen. Da schlug seine heitere Stimmung oft bei geringfügigen Anlässen ins Gegenteil um. Er konnte über Nichtigkeiten so in Zorn geraten und poltern, daß Mutter und Sohn es als eine Erleichterung empfanden, wenn er das Haus wieder verließ.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 222).

„Wie schwere Arbeiten hatte er vollbracht, um Eva das Dasein behaglich zu machen! Und nun war sie für ihn ein zartes ‚Rühr-mi-nit-an‘ geworden. – –
Bei seinem Rauchtöpfchen und Metkrug vergaß er den Kummer. Von der Höhe des klarsichtigen, die Dinge und sich selbst beherrschenden, in der Einsicht fortschreitenden Menschen war er zur Tiefe des Willensschwachen gesunken, dessen Tun und Lassen von den herrschenden Dingen bestimmt wird. Aber er ahnte nichts vom Rückschritt, den er getan.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 223).

„Besorgniserregend aber war den Männern die wahnartig gesteigerte Freudigkeit im Wesen Evas, deren Augen von ihrem Sonnenplätzchen aus dem sichtbaren Zug der Flut folgten.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 224f).

„Was hätte es auch genützt, wenn er [Peter] ihr nahe geblieben wäre, wenn er mit ihr gesprochen hätte, wie ihm ums Herz war, sooft er sie leidend sah? – wenn er ihr gesagt hätte, wie er mit Gott und den Hausgeistern haderte, die es geschehen ließen, daß ihm sein Liebstes, sein gutes, schönes, schuldloses Weib, dahinwelkte?“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 225).

„Ihr Dasein war ein klagloses Hindämmern.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 226).

„Das Sterben ist nicht so, wie du meinst. Ich hab die Ahnl lebend gesehen, ich habe sie einschlafen gesehen, und dann war sie tot; kalt ist sie geworden, und wir haben sie begraben. Ihr Atem hat ihren Leib verlassen und hat sich mit dem Atem des Allmächtigen vereinigt, der überall ist.Darum ist sie auch immer mit uns gewesen, hat uns bewacht und beraten.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 231).

„Und eh’ du ein Weib nimmst – Hansi, hörst du mich? – eh’ du ein Weib nimmst, schau gut, schau und horch, ob sie von den Guten eine ist – es muß eine sein, die lieber leidet als leiden macht.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 232).

„Wir Wahrheitssucher alle sind Nachkommen von Höhlensiedlern.“ (Steinhaus, Stuttgart 1920, 255).

 

Weitere Ausgaben

·       Die Höhlenkinder im Heimlichen Grund, Mit zahlreichen Abbildungen nach Zeichnungen von Fritz Jaeger und Ludwig Huldribusch. Umschlag und Vollbilder von Karl Staudinger, Kosmos/Gesellschaft der Naturfreunde Franckh’sche Verlagshandlung W. Keller & Co., Stuttgart 1953 (245 Seiten).

·       Die Höhlenkinder im Pfahlbau, Mit zahlreichen Abbildungen nach Zeichnungen von Fritz Jaeger und Ludwig Huldribusch. Umschlag und Vollbilder von Karl Staudinger, Kosmos/Gesellschaft der Naturfreunde Franckh’sche Verlagshandlung W. Keller & Co., Stuttgart 1953 (249 Seiten).

·       Die Höhlenkinder im Steinhaus, Mit zahlreichen Abbildungen nach Zeichnungen von Fritz Jaeger und Ludwig Huldribusch. Umschlag und Vollbilder von Karl Staudinger, Kosmos/Gesellschaft der Naturfreunde Franckh’sche Verlagshandlung W. Keller & Co., Stuttgart 1952 (249 Seiten).

 

Eine Neuausgabe, die von Christian Reichenbach überarbeitet und modernisiert wurde, erschien im Verlag Belle Époque, Tübingen 2015. Sie hat nur 264 Seiten und umfaßt nur einen einzigen Band.

Die Trilogie war in der Schülerbibliothek vorhanden. Anhand der wiedergegebenen Textausschnitte zeigte sich, welches Menschenbild hier vermittelt wurde und welche Rollenzuweisungen erfolgten.

Nicht nur der äußere Entwicklungsweg des Menschen von der Steinzeit an wurde dargestellt, sondern auch die charakterliche Entwicklung im Umgang mit Zorn, Groll, Krankheit und Sucht.

 

Literatur

·       Hancock, Joy Marie, Blood and Snow. Conservative Nationalism and Ice Spaces in Weimar Germany’s Science Fiction, Dissertation, Tennessee, Knoxville 2018.

·       Krappmann, Jörg, Urzeitliche Pädagogik zwischen den Kriegen. Die „Höhlenkinder“-Trilogie von Alois Theodor Sonnleitner und das tschechische prähistorische Jugendbuch ([Eduard] Storch [1878-1956], [Arnošt] Caha [1891-1935]), in: Brücken, Bd. 26, Heft 2, Prag 1985, 121-133.

·       Marbach, Rolf, A. Th. Sonnleitner als österreichischer Reformpädagoge. Eine Untersuchung aus Anlaß seiner Jugendschrift „Die Höhlenkinder“, Pädagogische Reihe, Bd. 1, Darmstadt 1996.

·       Müller-Beck, Hansjürgen (1927-2018), Die Steinzeit. Der Weg der Menschheit in die Geschichte, Becksche Reihe 2091, München 22001, 18-33 (Vom Mythos zur kritischen Paläohistorik).

·       Seibert, Ernst, A. Th. Sonnleitner. Auf den Spuren des Erfolgs eines österreichischen Longseller-Autors, in: Die Zeitalter werden besichtigt, hg. v. Felix Giesa, André Kagelmann et al., Frankfurt am Main 2015, 51-69.

·       Seibert, Ernst, A. Th. Sonnleitner, ein Klassiker der österreichischen Jugendliteratur, in: 1000 und 1 Buch, Redaktion v. Gertrud Pott, Heft 4, Wien 1989, 22-25.

·       Seibert, Ernst, Profile einer neuen Sachlichkeit in der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur der 1920er-Jahre, in: Libri liberorum, Bd. 20, Wien 2019, 9-26.

·       Singer, Christa, Pertoldsdorfer Literaten: Alois Th. Sonnleitner 1869-1939, in: Perchtoldsdorfer Rundschau, 8.9.2013, Seite 4.

·       Winter, Max, Beim Vater der Höhlenkinder. Ein Besuch auf der Sonnleiten, in: Arbeiterzeitung. Morgenblatt, 34. Jahrgang, Nr. 118, 30.4.1922, 15f.

 

© Dr. Heinrich Michael Knechten, Horneburg 2022

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