Die Anaphoren der Traditio Apostolica

und der Jerusalemer Liturgie

 

Heinrich Michael Knechten

 

 

 

Das griechische Wort anaphorá bezeichnet das Emporheben, die eucharistische Darbringung (Apostolische Konstitutionen 8,11,11) und im engerem Sinne das eucharistische Hochgebet. Die anaphoretischen Elemente der mystagogischen Katechesen und die griechische Anaphora des heiligen Jakobus werden hier zusammenfassend als Anaphoren der Jerusalemer Liturgie bezeichnet.

 

Warum gerade ein Vergleich zwischen den Anaphoren der Traditio Apostolica, den anaphoretischen Elementen der mystagogischen Katechesen und der griechischen Anaphora des heiligen Jakobus?

 

Die mystagogischen Katechesen enthalten keine vollständige Anaphora. Sie genügen also nicht als Ausgangspunkt eines liturgischen Textvergleichs. Die griechische Jakobusanaphora wiederum ist überreich ausgearbeitet. Sie enthält zuviel Elemente. Dies rührt sicher auch daher, dass sie erst verhältnismäßig spät bezeugt ist: Die älteste Handschrift, die wir von der griechischen Jakobusliturgie besitzen, Vaticanus gr. 2282, stammt aus dem 9. Jahrhundert.

 

Für das gleiche Jahrhundert bezeugt ein Brief Karls des Kahlen an den Klerus in Ravenna: Vor uns wurde die feierliche Messe nach Jerusalemer Art gefeiert, die vom Apostel Jakobus stammt (De liturgia gallicana, Praefatio III, Patrologia Latina 72, 103f). Das früheste sichere Zeugnis für die Zuschreibung der Verfasserschaft dieser mystischen heiligen Handlung (hierourgía) stammt aus dem Jahr 692 (Trullanum, Canon 32).

 

Um einen Vergleichspunkt für die liturgische Entwicklung zu gewinnen, ist es unerlässlich, eine frühe vollständige Anaphora zugrundezulegen. Dazu bietet sich die Traditio Apostolica an. Von ihr aus werden sich alte Elemente und neue Entwicklungen der Jerusalemer Liturgie deutlich kennzeichnen lassen.

 

 

Die Anaphora der Traditio Apostolica

 

In der Apostolischen Überlieferung, dem Schriftenverzeichnis der Hippolytstatue, die sich heute in der Vatikanischen Bibliothek befindet, wird die älteste Anaphora erwähnt. Sie wurde um 215 verfasst. Der lateinische Text gibt im Wesentlichen das Werk Hippolyts wieder.

 

Justin schreibt vor 150, dass der Vorsteher Gebete und Danksagungen (eucharistías), soweit er kann, emporsendet (1. Apologie 67,5). Dies weist auf Improvisation hin. In der Traditio Apostolica ist der Prozess der literarischen Fixierung bereits fortgeschritten. Es wird allerdings auch hier noch angemerkt, dass es nicht notwendig sei, die niedergeschriebenen Worte aus dem Gedächtnis auszusprechen, sondern jeder solle nach seinem Vermögen zu Gott beten.

 

Die Anaphora Hippolyts steht im Rahmen der Ordnung einer Bischofsweihe. Der neugeweihte Bischof spricht mit dem ganzen Presbyterium die Danksagung, indem er seine Hände über die Gaben ausstreckt.

 

1. Der Beginn ist ein Einleitungsdialog, der aus drei Doppelgliedern besteht. Das erste Doppelglied steht in seiner Formulierung dem Wort in 2 Tim 4,22 nahe: Der Herr (sei) mit deinem Geist! Die Gnade (sei) mit euch! In der Traditio Apostolica heißt es: Dominus vobiscum. Die Antwort lautet: Et cum spiritu tuo. (Der Herr sei mit euch. Und mit deinem Geiste.)

 

Die Aufforderung zum Danksagen hat ihr biblischen Pendant in Jud 8,25; die Antwort aller in 2 Thess 1,3. Gott ist würdig, Herrlichkeit, Ehre und Macht zu empfangen (Offb 4,11). Das Lamm  ist würdig, Macht, Reichtum und Weisheit, Kraft und Ehre, Herrlichkeit und Lob zu empfangen (Offb 5,12). Aequum est, iustum est (es ist würdig, es ist recht) ist als Akklamation zum Imperator für die Jahre 237 und 238 bezeugt (A.Baumstark, Liturgie comparée, Chevetogne 1953, 92).

 

Für den Einleitungsdialog lässt sich vermuten, dass es gegenseitige Beeinflussung von biblischen und liturgischen Formeln gab. Die biblische Sprache kann stellenweise ein Echo einer alten Liturgie sein. Ihr jeweiliger Sitz im Leben ist aber verschieden. Daraus ergeben sich getrennte Überlieferungsstränge.

 

2. Nun folgt die Danksagung. Bereits bei Justin (1. Apologie 65,3) ist sie an den Vater gerichtet: Der Vorsteher sendet Lob und Herrlichkeit dem Vater des Alls durch den Namen des Sohnes und des Heiligen Geistes empor. Ebenso dankt die Traditio Apostolica dem Vater für das Kind und den Knecht (puer) Jesus Christus.

 

Der Inhalt der Danksagung wird in sechs Relativsätzen entfaltet: Die Sendung des Erlösers (angelum voluntatis tuae, den Engel deines Willens, vgl. Jes 9,5; Christus ist Engel und Bote, weil Er uns die Mysterien des Vaters verkündet), die Untrennbarkeit des Wortes (verbum) vom Vater, die Erschaffung des Alls durch Ihn, Seine Inkarnation, Sein gehorsames und befreiendes Leiden („als Er die Hände ausbreitete“; Ex 17,11 und Jes 65,2 bezieht die frühe Patristik auf die Kreuzigung Christi), die Erlösung vom Tod und die Manifestation der Auferstehung. Dieser sechste Relativsatz, der bereits die institutio (die Einsetzung der Eucharistie) einleitet, enthält auch die Aussage, dass Er die Gerechten erleuchtet. Dies bezieht sich auf die Hadesfahrt Christi: Er ging auf wie das Licht der Sonne und erleuchtete alle (Pilatusakten II (18), 1). Die Danksagung an den Vater enthält eine Heilsgeschichte des Sohnes (I.-H.Dalmais).

 

Bei einem Vergleich der Danksagung der Traditio Apostolica mit dem Qiddusch für den Schabbatabend (Bamberger, Siddur, Basel 1986, 100) fällt auf, dass Entsprechungen vorliegen: Gotteslob für die Schöpfung, die Befreiung (Auszug aus Ägypten) und Auserwählung. Auch die Psalmen, die am Beginn des Schabbats gebetet werden, passen in Thematik und Logik hierzu: Ps 96,5 Schöpfung, und Ps 98,3 Treue zum Hause Israel (Bamberger, Siddur, 81f). Beim Osterfest wird das Große Hallel rezitiert: Dank für die Befreiung aus Ägypten (Ps 136; Haggada, Tel Aviv 1976, 45f).

 

Bei der Danksagung der Traditio Apostolica wird die zugrundeliegende Struktur der jüdischen Liturgie deutlich. Die Begründung ist traditionell. Neu ist der christologische Inhalt der Danksagung.

 

Die Ausdrucksweise der Danksagung ist vornizäisch: Jesus Christus als Kind und Knecht (puer), als Bote und Engel des Willens des Vaters und als untrennbares Wort. Er zerriss die Fesseln des Teufels und setzte eine Grenze fest (Hiob 38,10). Dies sind theologische Aussagen vom Beginn des 3. Jahrhunderts, die später ungebräuchlich wurden.

 

3. Mit einer Partizipialkonstruktion schließt sich die institutio an. Da sie syntaktisch zum 6. Relativsatz gehört, ist sie Teil der Danksagung an den Vater.

 

Das neutestamentliche „er brach“ (das Brot) fehlt in der Traditio Apostolica. Der Leib, „der für euch gebrochen wird“ der Traditio Apostolica fehlt dagegen in den neutestamentlichen Texten. „Nehmet, esset“ stimmt mit Mt 26,26 überein; „ebenso“ mit 1 Kor 11,25 und Lk 22,20; „das für euch vergossen wird“ mit Lk 22,20. Den Auftrag: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ hat die Traditio Apostolica mit dem Lukasevangelium und mit Paulus gemeinsam. Die Stellung des Herrenauftrags ist wie in 1 Kor 11,25 beim Kelchwort. In Lk 22,19 und bei Justin (1. Apologie 66,3) steht er beim Brotwort, in 1 Kor 11,24f beim Brot- und Kelchwort.

 

Das zweimalige „tut“ (wie in 1 Kor 11,24f) weist auf den aktiven Sinn des Gedächtnisses hin. Die Christen sollen die Anamnese handelnd vollziehen (J.Behm).

 

Was Schlichtheit und Asymmetrie anbetrifft, kann sich der Einsetzungsbericht der Traditio Apostolica mit dem des Paulus messen. In der Symmetrie der Herrenworte geht er aber schon über alle biblischen Texte hinaus. Der Einsetzungsbericht wird also allmählich nach Stilgesetzen in Richtung auf Parallelismus gebildet (F.Hamm).

 

4. Die Anamnese ist eng an die institutio angeschlossen, die ihrerseits ja Teil der umfassenden Danksagung ist. „Gedenkend also“ (memores igitur) bezieht sich unmittelbar auf den Herrenbefehl: Tut dies zu meinem Gedächtnis.

 

Die Anamnese ist dreiteilig:

 

(1)   „Gedenkend also des Todes und Seiner Auferstehung

(2)   bringen wir Brot und Becher dar

(3)   Dir Dank sagend, dass Du uns für würdig gehalten hast,
vor Dir zu stehen und Dir zu dienen.

 

B.Botte, Problèmes de l’Anamnèse, in: JEH 5 (1954), 19, stellt folgende Struktur fest: 1. Ein Übergang, der an den Einsetzungsbericht erinnert. 2. Die Aufzählung der Mysterien. 3. Ein Opfergebet.  Die ersten beiden Elemente können aber als zusammengehörig betrachtet werden. Das Element des Dankes ist konstitutiv; daher wird es hier in einem eigenen Punkt hervorgehoben.

 

Bei Justin (Dialog 41,1) finden sich die gleichen Elemente: 1. Das Gedächtnis des Leidens ist ursprünglicher als das Gedenken des Todes und der Auferstehung. 2. Darbringung. 3. Danksagung. Einige Textabschnitte lauten wir folgt: Die Darbringung (prosphorá) des Weizenmehls war ein Typos des Brotes der Eucharistie, die unser Herr Jesus Christus zum Gedächtnis (Anamnese) des Leidens zu tun übergeben hatte, damit wir Gott danksagen.

 

Das Gedenken gilt Ereignissen der Vergangenheit, welche die Erinnerung wegen ihrer Bedeutung für die Gegenwart aktualisierend wachruft (W.Schottroff). Was bedacht wird, geht zu Herzen, wobei „Herz“ Ausdruck für die gesamte Persönlichkeit ist (H.Eising).

 

Die Anamnese setzt die Heilswirklichkeit des Todes und der Auferstehung Jesu Christi gegenwärtig. Hier zeigt sich der Sinn des Herrenbefehls: Ohne diese Aktualisierung wäre die institutio ein geschichtlicher Bericht ohne Beziehung auf die Gemeinschaft der Gläubigen. Institutio und Anamnese gehören im Kontext der Danksagung unlösbar zusammen.

 

Das Darbringen von Brot und Becher, dem 2. Element der Traditio Apostolica, steht im Zusammenhang mit der Danksagung, dem 3. Element. Zu beachten ist die archaische Sprache. Es ist nicht die Rede vom Kelch, sondern vom Becher. Bei Justin war der alttestamentliche Bezug deutlicher: Das Opfer für den vom Aussatz Gereinigten (Lev 14,10) ist ein Vorausbild (Typos) des Brotes der Danksagung (eucharistía).

 

5. Einen Schritt weiter geht die Epiklese. Sie bittet um die Sendung des Heiligen Geistes auf die Gabe (oblatio) der Heiligen Kirche, um die Einheit (in unum congregans), die Erfüllung mit Heiligem Geist und die Bestärkung des Glaubens in Wahrheit. Deutlich betont ist der kirchliche Zusammenhang der Gabe. Es handelt sich um eine oblatio der Kirche. Gebeten wird um die Früchte der Kommunion für die Gemeinschaft der Gläubigen.

 

In dieser Epiklese klingt das spätere Thema der Wandlung nicht an, umso mehr aber die Bitte, dass der Empfang der Gabe nicht fruchtlos sei. Hier handelt es sich nicht um eine Wandlungsepiklese, sondern um eine Kommunionepiklese. Es geht darum, dass alle Heiligen, welche die Früchte der Darbringung kommunizieren, davon Nutzen haben. Außerdem wird um die Einheit der Kirche gebetet.

 

Hippolyt ist der erste Zeuge einer Epiklese. Ob es vor ihm bereits eine Epiklese gegeben hat, hängt davon ab, wie die Worte di euchēs lógou in Justins 1. Apologie 66,2 zu deuten sind. Sollte hier die Annahme einer Logosepiklese wie bei der Anaphora im Euchologion Serapions möglich sein?

 

G.Dix hält die Epiklese in der lateinischen und äthiopischen Übersetzung der Traditio Apostolica für eine Interpolation, da es jüdischer Konzeption, der Hippolyt folge, entspreche, Gott zu preisen (eulogeīn) oder zu danken (eucharisteīn) für oder über eine Sache. Solch eine Konzeption lasse keinen Raum für eine Bitte, betreffend den Gegenstand selbst. Sein zweites Argument, im Testamentum Domini finde sich keine Spur einer Epiklese, ist allerdings nicht einsichtig; denn dort heißt es: Herr Heiliger Geist, füge diesem Trank und dieser Speise etwas von Deiner Heiligkeit hinzu.

 

6. Auch die abschließende trinitarische Doxologie richtet sich an den Vater. Wie in der Danksagung steht aber die Person Jesu Christi im Mittelpunkt: Durch Dein Kind und Deinen Knecht (puer) Jesus Christus. Hier wird wiederum der ekklesiologische Aspekt betont: In Deiner Heiligen Kirche.

 

Justin schreibt, dass das Amen die Zustimmung des Volkes bedeute (1. Apologie 65,3; 67,5). Damit nimmt die Gemeinde das Gebet und die gesamte Darbringung an, die in seinem Namen geschehen.

 

 

Anaphoretische Elemente in den mystagogischen Katechesen

 

1. Autor und Datierung

 

Die älteste Handschrift der mystagogischen Kaztechesen, cod. Monac. gr. 394, f. 2v, Zeile 2f (10. Jahrhundert), gibt eine Zuschreibung an Bischof Johannes von Jerusalem. Der erste Schriftsteller, der die mystagogischen Katechesen Kyrill von Jerusalem zuschreibt, ist Eustratios von Konstantinopel († 582), De utilitate precum pro defunctis, Patrologia Graeca 33, 305. A.Quacquarelli macht einen vermittelnden Vorschlag: Da die Prokatechese, die 18 Taufkatechesen und die 5 mystagogischen Katechesen inhaltlich und exegetisch eine gemeinsame Linie verfolgen, habe Johannes von Jerusalem die mystagogischen Katechesen 1-4 Kyrills stark überarbeitet, Katechese 5 weniger stark. Beide Personen seien beteiligt. G.Röwekamp macht dagegen die origenistische Prägung des Johannes wie der mystagogischen Katechesen geltend. Er hält Johannes für den Autor der Katechesen in dieser Form, mag er auch Aufbau der Reihe, Themen und einzelne Gedanken von seinem Vorgänger übernommen haben.

 

Als Zeitpunkt nimmt Röwekamp das Ende des 4. Jahrhunderts an. Für diese Annahme spricht: Zu Beginn des 5. Jahrhunderts entfiel infolge des neu eingeführten Gedenktages des heiligen Stephanus am Osterdienstag die zweite mystagogische Katechese. Damit reduzierte sich deren Gesamtzahl auf vier. Da aber fünf überliefert sind, spricht dies für eine Datierung auf das Ende des 4. Jahrhunderts.

 

2. Anaphoretische Elemente der fünften mystagogischen Katechese

 

Der Einleitungsdialog lautet genau wie bei der Traditio Apostolica, abgesehen vom ersten Doppelglied, das nicht zitiert wird.

 

Das „durch den Du alles geschaffen hast“ der Danksagung der Traditio Apostolica ist in der 5. mystagogischen Katechese entfaltet zu einem Gedenken der ganzen Schöpfung. Auch die Engel werden erwähnt. Dass Gott als Schöpfer des Himmels, der Erde und alles dessen, was sie umschließen, herausgestellt wird, kann eine antignostische Reaktion sein (J.-H.Dalmais).

 

Die Vision Jesajas 6,2f leitet über zum Sanctus. Dieses Element ist neu gegenüber der Traditio Apostolica. Origenes, Homilien zu Jesaja 1,2, Die Griechischen Christlichen Schriftsteller 33, 245, deutet das Trishagion der Seraphen als Widerhall innertrinitarischen Lobpreises.

 

Der Einsetzungsbericht fehlt. Dies ist auch in der Anaphora der Apostel Addai und Mari der Fall. Grundsätzlich muss angenommen werden, dass die Jerusalemer Anaphora, die den mystagogischen Katechesen zugrundeliegt, keine institutio besaß.

 

Ebenso fehlt eine Anamnese. Dies erstaunt, da es sich hier ja um ein Element aus der jüdischen Liturgie handelt, das in Jerusalem Heimat haben sollte. Da aber institutio und Anamnese unlösbar zusammengehören, entfällt mit der institutio auch die Anamnese.

 

Die Epiklese bittet den menschenliebenden Gott, den Heiligen Geist auf die vorliegenden Gaben zu senden, damit Er das Brot zum Leib Christi, den Wein zum Blut Christi mache (poiēsē). Das archaische „Machen“ wird verdeutlicht durch die Erklärung: Denn alles, was der Heilige Geist berührt, wird geheiligt und verwandelt. Es handelt sich hier also um eine Wandlungsepiklese.

 

Es schließen sich Fürbitten an. Sie stellen wie das Sanctus ein neues Element dar, wenn in der Epiklese der Traditio Apostolica auch bereits Bitten enthalten waren. Es werden Bitten ausgesprochen für die Lebenden: die Kirche, die Welt, den Staat, Kranke und Leidende. Vorbild für die weltlichen Fürbitten ist 1 Tim 2,2: Für Könige und alle, die in hervorragender Stellung sind. Der Heiligen wird nach der Fürbitte für die Verstorbenen gedacht. Genannt werden: Patriarchen, Propheten, Apostel und Märtyrer. Schließlich wird der verstorbenen Väter und Bischöfe gedacht. Angesichts der Herabkunft des Heiligen Geistes, der Gegenwart Gottes unter den Gläubigen, der Verwandlung von Brot und Wein fühlt sich der Mensch gedrängt, alle Anliegen vorzubringen, die ihm auf der Seele brennen. Dies ist der Grund für Fürbitten gerade an dieser Stelle.

 

Eine Doxologie fehlt. Auch dies als altes Element aus der jüdischen Liturgie wäre in Jerusalem zu erwarten.

 

Bei der Traditio Apostolica waren keine Gefühlsäußerungen wahrzunehmen. Die mystagogischen Katechesen dagegen sprechen von einer überaus schauervollen Stunde (5,4) und vom überaus schauervollen Opfer (5,9).

 

„Überaus schauervoll“ gibt das griechische Wort phrikōdéstatos wieder. Phríkē ist das Gekräusel der Wellen, das ein kalter Windstoß auf der ruhigen Meeresfläche hervorruft (G.Fittkau). In übertragener Bedeutung ist damit die Empfindung bezeichnet, die den antiken Menschen angesichts der göttlichen Majestät, besonders in ihrer Verkörperung in Herrschern und Kaisern, überkam. Die mystagogische Katechese 5,21 vergleicht die Kommunion mit dem Empfang des Königs.

 

Mit den mystagogischen Katechesen tritt der Begriff „schauervoll“ in die Liturgie ein. Der Grund für diese Neuerung ist wohl der Kampf gegen den Arianismus. Es soll die Wesensgleichheit Christi mit dem Vater herausgestellt werden. Die Liturgie wird zum Hofzeremoniell, zum Empfang des Königs.

 

3. Die institutio der vierten mystagogischen Katechese

 

Zu Beginn der vierten mystagogischen Katechese wird zwar das Zitat von 1 Kor 11,23-26 angekündigt, tatsächlich wird aber ein etwas anderer Text geboten. „Unser Herr Jesus Christus“ steht so in keinem neutestamentlichen Text. „Indem Er Brot nahm“ entspricht Mk 14,22 und Lk 22,19. „Gab es Seinen Jüngern, indem Er sprach: Nehmet, esset, dies ist mein Leib“ stimmt in etwa mit Mt 26,26 überein. Die symmetrisch angeordneten Kelchworte finden sich in keinem neutestamentlichen Text: „Nehmet, trinket, dies ist mein Blut“.

 

Die erste Frage, die sich erhebt, lautet: Woher stammt dieser Wortlaut der institutio? Biblischen Ursprungs ist er, wie sich zeigte, nicht. G.Röwekamp vermutet, dass die Formel liturgisch geprägt sei.

 

W.E.Pitt nimmt dagegen an, dass sie aus katechetischer Tradition herrühre, die ihren Ursprung noch vor der Entstehung des Neuen Testamentes habe. Die exakte Entsprechung von Brot- und Kelchwort sei mnemotechnisch bedingt. Die aus der Katechese bekannte institutio sei dann in die Jerusalemer Liturgie eingefügt worden.

 

Die auffällige Formulierung des Kelchwortes entspricht der von Eusebius angeführten (Demonstratio evangelica 8,1,78, Die Griechischen Christlichen Schriftsteller 23, 366, Zeile 17-19). D.S.Wallace-Hadrill vermutet, Eusebius habe aus liturgischem Gebrauch zitiert.

 

Hiermit hängt eine zweite Frage zusammen: Gab es in der Jerusalemer Anaphora ursprünglich eine institutio? D.S.Wallace-Hadrill nimmt aufgrund der Stelle bei Eusebius an, dass es um 313 nach Christus in der Jerusalemer Liturgie eine institutio gab. Warum aber wird sie dann in der fünften mystagogischen Katechese nicht erwähnt?

 

Für diese Frage gibt es verschiedene Lösungen:

 

a)      Die mystagogischen Katechesen 5,1 stellen fest: Ihr habt bereits genug über die Teilhabe an Leib und Blut Christi gehört. – Die institutio wurde bereits kommentiert, kann also jetzt übergangen werden (G.Khouri-Sarkis).

b)      Die institutio wurde schweigend rezitiert. Kommentiert wurden aber nur laut gesprochene Gebete. Die neue Auffassung der Liturgie als eines überaus schauervollen Opfers spricht für diese Annahme (G.Kretschmar).

c)      Die institutio wurde im Laufe des 4. Jahrhunderts neu in die Jerusalemer Liturgie aufgenommen. Der Mystagoge wollte den Einsetzungsbericht zwar kommentieren, den Zusammenhang der 5. mystagogischen Katechese aber nicht zerreißen. Daher fügte er die 4. mystagogische Katechese ein (G.Röwekamp).

 

Um hier einen Schritt weiterzukommen, ist zunächst zu bedenken, dass ja auch die Anamnese fehlt. B.Botte weist darauf hin, dass institutio und Anamnese zusammengehören: Unmöglich ist es, dass eine Anaphora eine Anamnese hätte ohne den Einsetzungsbericht. Die Lösungsmöglichkeiten von Khouri-Sarkis und Kretschmar erklären nur ungenügend auch das Fehlen der Anamnese. Die Begründung von Röwekamp böte dafür einen Grund. Die Anamnese wurde erst mit der institutio in die Anaphora aufgenommen. Die mystagogischen Katechesen belegen, falls diese Annahme zutrifft, ein Stadium der Entwicklung der Jerusalemer Liturgie am Wendepunkt. Dies bedeutet aber, dass das Eusebius-Zitat nicht im Sinne von Wallace-Hadrill gedeutet werden kann.

 

4. Vergleich zwischen der Traditio Apostolica und den mystagogischen Katechesen

 

 

Liturgische Elemente

Traditio Apostolica

Mystagogische Katechesen

Einleitungsdialog

Drei Doppelglieder.

Zwei Doppelglieder.

Danksagung

An den Vater gerichtet. Dank für das Kind und den Knecht (puer) Jesus Christus. Sendung, Untrennbarkeit, Schöpfung, Inkarnation, Leiden, Auferstehung.

Gedenken der Schöpfung (auch der Engel).

Sanctus

(Fehlt.)

Dreimalheilig (Jes 6,3).

institutio

Asymmetrisch.

(Fehlt in der 5. myst. Kat.) –

[Symmetrisch (myst. Kat. 4,1)].

Anamnese

Gedenken des Todes und der Auferstehung. Darbringung. Dank: Dienen.

(Fehlt.)

Epiklese

Kommunionepiklese: Bitte an den Vater um Sendung des Heiligen Geistes auf die Gabe der Kirche. Bitte um Einheit, Geisterfüllung und Glaubensstärkung (Früchte der Kommunion).

Wandlungsepiklese.

Fürbitten

(Fehlen.)

Für Lebende und Verstorbene. Gedenken der Heiligen, der Väter und Bischöfe.

Doxologie

An den Vater durch Jesus Christus mit dem Heiligen Geist.

(Fehlt.)

 

 

Deutlich ist die Entwicklung vom Anfang des 3. bis zum Ende des 4. Jahrhunderts:

 

 

 

Die griechische Anaphora des heiligen Jakobus

 

1. Der Einleitungsdialog besteht aus drei Doppelgliedern. Das erste Halbglied ist eine erweiterte und in der Reihenfolge umgestellte Fassung von 2 Kor 13,13. Gegenüber der Traditio Apostolica weist es eine imposante Fülle auf. Die Änderungen gegenüber dem paulinischen Gruß gehen auf liturgischen Brauch zurück. Theologische Streitigkeiten dürften die bewusste Zufügung von „und des Gottes […] Jesus Christus“ sowie von „des allheiligen Geistes“ veranlasst haben. Als Bindeglied zwischen dem schlichten Gruß der Traditio Apostolica und dem ausgefeilten der griechischen Jakobusanaphora sei der der Constitutiones Apostolorum 8,12,4 genannt. Dort ist größere Nähe zu Paulus zu verzeichnen, aber auch liturgische Prägung.

 

Im ersten Teil des zweiten Doppelgliedes fällt die Erweiterung um „den Sinn“ (noūs) auf. Bei den Constitutiones Apostolorum, die zwischen 375 und 400 in Syrien entstanden sind, heißt es: „Empor den Sinn!“ Die Jakobus-Anaphora hat die traditionelle Aufforderung der Traditio Apostoloca und der mystagogischen Katechesen mit der neuen der Apostolischen Konstitutionen verknüpft. An dieser Stelle ist die griechische Jakobus-Anaphora gleichlautend mit der syrischen.

 

2. Die Danksagung richtet sich an den Vater. Auffallend ist die Bezeichnung Demiurg für den Schöpfer. Dieses Wort könnte im antignostischen Kampf eingefügt worden sein, um zu verdeutlichen, dass es nur einen einzigen Schöpfer gibt, der alle Äonen gut geschaffen hat.

 

Der Hinweis auf das Himmlische Jerusalem (Hebr 12,22) weist den Lokalcharakter der Jakobus-Anaphora aus. In Jerusalem gibt es die Tendenz, die Liturgie zu historisieren (G.Kretschmar). Das Himmelfahrtsfest wird am Ort selbst gefeiert (Egeria 43).

 

„Die Kirche der Erstgeborenen“ (Hebr 12,23) wird erweitert um „Propheten, Seelen von Märtyrern und Aposteln“. Zu dieser Zeit gibt es bereits die Verehrung der Heiligen, die mit den Engeln vor dem Thron Gottes stehen. Die Danksagung ist wesentlich entfalteter gegenüber der der mystagogischen Katechesen.

 

3. Das Sanctus ist gegenüber dem der mystagogischen Katechesen erweitert um „voll sind Himmel und Erde von Deiner Herrlichkeit“. Dieses Element ist bereits in den Apostolischen Konstitutionen 8,12,27 bezeugt. Neu ist die Fortsetzung, das Benedictus. Es erinnert an den Einzug des Herrn in Jerusalem, gemäß der historisierenden Tendenz der Jerusalemer Liturgie. Biblische Bezugspunkte sind Ps 118,25f und Mt 21,9. Die griechische Jakobus-Anaphora stellt Symmetrie her. „Hosanna in den Höhen“ steht auch am Anfang, ist also rahmend. In der syrischen Jakobus-Anaphora sind vom Sanctus nur die ersten zwei Worte angeführt.

 

4. Das Postsanctus greift nach trinitarischem Beginn wesentliche Aussagen der Danksagung der Traditio Apostolica auf: Die Erschaffung des Alls durch Jesus Christus, Seine Sendung und Inkarnation sowie die Errettung der Menschen. Schöpfung und Neuschöpfung des Menschen werden geschildert.

 

„Der allheilige Geist erforscht alles, auch Deine Tiefen, Du Gott und Vater.“ Quelle dieser Ausage ist 1 Kor 2,10. Kyrill von Jerusalem griff sie bereits auf (Katechese 4,16, Patrologia Graeca 33, 476A). In der Jakobus-Anaphora ist sie Ausdruck einer bewussten Pneumatologie. Sie findet sich auch in der syrischen Jakobus-Anaphora.

 

Das Postsanctus ist von Bildtheologie geprägt: Der Mensch wurde nach dem Bild und Gleichnis Gottes erschaffen (Gen 1,26), er übertrat Gottes Gebot, Christus erneuert das Bild und stellt es durch Sein Kommen wieder her. Die Wiedergewinnung der schöpfungsmäßigen Gottes-Ebenbildlichkeit ist identisch mit der Herstellung der Christusgemeinschaft (G.Kittel). Bezugspunkt dafür ist Kol 3,10f. Die mystagogischen Katechesen 4,3 weisen auf die Teilhabe an der göttlichen Natur hin (2 Petr 1,4).

 

5. Die institutio schließt mit einem Partizip (méllōn – wollend) an das Postsanctus, das eine zweite Danksagung ist, an. Thematisch sind Postsanctus und institutio eng miteinander verbunden. Bei beiden Elementen geht es um das Heil des Menschen. Die Einleitung des Einsetzungsberichtes führt dieses Thema weiter. Brot- und Kelchwort sind doppelgliedrig. Der Herrenbefehl schließt diesen Teil ab. Der älteste syrische Zeuge der Jakobus-Anaphora hat keinen Herrenbefehl (Handschrift add. 14615 des Britischen Museums). Dies ist sicher die ursprüngliche Fassung. Sie findet sich auch in der äthiopischen Übersetzung.

 

Nach dem Brot- und Kelchwort spricht die Gemeinde Amen. Nach dem Herrenbefehl folgt die Akklamation: Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und Deine Auferstehung bekennen wir (homologoūmen).

 

Die Sündlosigkeit Jesu Christi wird als Gegensatz zur Sündhaftigkeit der Menschen hervorgehoben. In den Fürbitten für die Verstorbenen wird Er als der allein Sündlose bezeichnet. Dieser Ausdruck stammt von Kyrill von Jerusalem, Katechese 2,10, Patrologia Graeca 33, 416D.

 

Leib und Blut Christi werden verteilt (diadidómenon). Weder im Neuen Testament noch in der 4. mystagogischen Katechese findet sich dieses Wort. Sie werden verteilt zur Vergebung der Sünden. Bereits die Thomasakten 166 und 268, die in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts in Syrien entstanden sind, schreiben der Eucharistie sündenvergebende Kraft zu. Sündenvergebung und ewiges Leben als Gabe des Abendmahls herauszustellen, ist alte syrische Tradition, aber wohl kaum eine andere Liturgie ist hiervon so stark geprägt wie die Jakobusliturgie (G.Kretschmar).

 

Anadeíxas bedeutet: indem er (das Brot) weihte. Es handelt sich um einen terminus technicus der Opfersprache. Eine Übersetzung mit „aufzeigend“ wäre inhaltlich nicht entsprechend (E.Peterson).

 

Jesus Christus erfüllt den Kelch mit Heiligem Geist. Die Verbindung zwischen Pneuma, Trank und Christus ist paulinisch (1 Kor 10,4). Diese Worte zeigen, dass sich die Pneumatologie weiterentwickelt.

 

Die Jakobusliturgie legt Jesus die Worte von 1 Kor 11,26 in den Mund. Das paulinische „des Herrn“ wird in „des Menschensohnes“ umgewandelt.

 

In der stark ausgestalteten institutio zeigt sich die Tendenz, alle biblischen Elemente zu vereinigen. Die Epitheta häufen sich: „Indem Er das Brot in Seine heiligen, unbefleckten, untadeligen und unsterblichen Hände nahm“. Liegt hier monophysitische Beeinflussung vor, wie F.Hamm vermutet?

 

6. Die Anamnese könnte vom Taufsymbol her aufgefüllt worden sein: Die Auferstehung am dritten Tage, die Auffahrt in den Himmel, das Sitzen zur Rechten Gottes, des Vaters, das Wiederkommen, um die Lebenden und die Toten zu richten. (J.R.K.Fenwick sieht dies anders.) Der Gedanke des Gerichtes ruft eine Erbarmensbitte hervor. Das Richteramt Christi (Mt 25,31-46) und die Menschenfreundlichkeit Gottes stehen hier in Spannung zueinander. Vom menschenfreundlichen (philánthrōpos) Gott sprechen bereits die mystagogischen Katechesen 5,4.7.

 

Die Anamnese der griechischen Jakobusanaphora richtet sich an den Vater und hat die Struktur: Gedenken der Heilsgeheimnisse – Erbarmensbitte des Priesters – Darbringung – Erbarmensbitte des Volkes. Die Anamnese der syrischen Jakobus-Anaphora richtet sich an Christus. Sie hat die Struktur: Gedenken der Heilsgeheimnisse – Darbringung – Erbarmensbitte des Volkes – Danksagung. Die syrische Jakobus-Anaphora hat das alte Danksagungsgebet der Anamnese der Traditio Apostolica bewahrt. Die Erbarmensbitte ist in beiden Anaphores neu. Die griechische Jakobus-Anaphora erweitert die Anamnese um die Erbarmensbitte des Priesters.

 

7. In der Epiklese wird Gott Vater gebeten, den Heiligen Geist auf die Gemeinde und auf die Gaben herabzusenden. Dies ist eine Kombination von Kommunion- und Wandlungsepiklese. Nach dem I. Ökumenischen Konzil von Konstantinopel (381) ist die neue Pneumatologie reich entfaltet. Dass der Heilige Geist gleichwesentlich (homooúsion) ist, begegnet zuerst bei Gregor von Nazianz († um 390), Oratio 31,10 (Freiburg 1996, 290) und 43,69 (Paris 1992, 278).

 

Die Epiklese wird wiederholt. Da diese Wiederholung in der syrischen Jakobus-Anaphora fehlt, ist sie in der griechischen wohl eine Neuerung. Die Bitte um Heiligung und das „mache“ für die Wandlungsbitte sind bekannt aus den mystagogischen Katechesen 5,7. Brot- und Kelchwandlungsbitte sind getrennt durch das bestätigende Amen der Gemeinde. Ein Gebet um Kommunionfrüchte, mit Amen abgeschlossen, schließt sich an: Sündenvergebung und ewiges Leben (aus den Thomasakten bekannt) sowie um Bewahrung der Kirche vor Schaden von innen und außen sind die Inhalte.

 

Zu Beginn der Epiklese geht eine dreimalige Erbarmensbitte unmittelbar in die Bitte um Geistsendung über. Die grundsätzliche Haltung der Buße hängt innerlich mit dem Geistempfang zusammen. Darauf macht Ammonas (Brief 7, Patrologia Orientalis 11, 452-454), der Schüler und Nachfolger Antonius des Großen, aufmerksam. (Siehe auch I.Hausherr, Penthos, Rom 1944, 158f.)

 

8. Die schon in den mystagogischen Katechesen 5,8f vorhandenen Fürbitten für Lebende und Verstorbene sind in der Jakobus-Anaphora überaus reich ausgestaltet. Lazarus Bar-Sabtha stellt allerdings bereits zu Anfang des 9. Jahrhunderts fest, dass sie hinzugefügt und überflüssig seien (cod. syr. add. 17218, f. 85, im Britischen Museum).

 

Es sind hier Spuren der Verfolgungszeit erhalten. Es wird nämlich für die Christen im Gefängnis und in den Bergwerken gebetet (A.Baumstark).

 

Die Heiligenverehrung ist stark weiterentwickelt. Sie beginnt mit der Nennung der Patriarchen, Propheten, Apostel und Märtyrer, wie in den mystagogischen Katechesen, fährt dann aber fort mit dem Gedenken der Bekenner und heiligen Lehrer.

 

Darauf folgt ein Ave in folgender Form: „Sei gegrüßt, Begnadete, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes; denn du hast den Erlöser unserer Seele geboren.“

 

Nach den Diptychen, die des Patriarchen, der Erzbischöfe und Bischöfe gedenken, erfolgt ein erneutes Gedenken Mariens: „Vor allem unserer allheiligen und gepriesenen, unbefleckten Herrin, der Gottesgebärerin und Immerjungfrau Maria.“

 

Charakteristisch ist die Nennung von Jerusalemer Heiligen, beginnend mit dem Gedenken des Protomärtyrers Stephanus (Apg 7,58).

 

9. Das Gebet geschieht durch Ihn, den guten Gott und menschenfreundlichen Herrn. Nach einer neuerlichen Bitte um Sündenvergebung folgt die trinitarische Doxologie. Auch sie spricht von der Menschenfreundlichkeit Christi.

 

 

In der Gesamtübersicht werden Entsprechungen und Unterschiede sichtbar:

 

 

Liturgisches Element

Traditio Apostolica

Mystagogische Katechesen

Griechische Jakobus-Anaphora

Einleitungsdialog

Drei Doppelglieder (2 Tim 4,22).

Zwei Doppelglieder.

Drei Doppelglieder (anfangs 2 Kor 13,13).

Danksagung

An den Vater: Sendung, Untrennbarkeit, Schöpfung, Inkarnation, Leiden, Auferstehung.

Gedenken der Schöpfung (auch der Engel).

An den Vater: Schöpfung, himmlische Kirche, Engel.

Sanctus

(Fehlt.)

Dreimalheilig

(Jes 6,3).

Sanctus und Benedictus.

Postsanctus

(Fehlt.)

(Fehlt.)

Schöpfung und Neuschöpfung: Wiederherstellung des Abbildes Gottes.

institutio

Asymmetrisch

(Fehlt.)

[Symmetrisch]

Asymmetrisch (1 Kor 11,26). Reich ausgestaltet.

Anamnese

Gedenken des Todes und der Auferstehung. Darbringung. Dank: Dienen.

(Fehlt.)

Gedenken der Heilsgeheimnisse. Darbringung. Erbarmungsbitte des Priesters und der Gemeinde.

Epiklese

Kommunionepiklese. Sendung des Geistes auf die Gabe der Kirche. Bitte um Kommunionfrüchte und für die Kirche.

Wandlungsepiklese.

Kommunion- und Wandlungsepiklese. Pneumatologie.

Wiederholung.

Bitte um Kommunionfrüchte und für die Kirche.

Fürbitten

(Fehlen.)

Für Lebende und Verstorbene. Gedenken der heiligen Patriarchen, Propheten, Apostel und Märtyrer, der Väter und Bischöfe.

Für Lebende und Verstorbene. Spuren der Verfolgungszeit. Gedenken der heiligen, Patriarchen, Propheten, Apostel und Märtyrer, der Bekenner und heiligen Lehrer. Zweimaliges Gedenken der allheiligen Gottesgebärerin Maria. Nennung von Jerusalemer Heiligen. In den Diptychen Gedenken des Patriarchen, der Erzbischöfe und Bischöfe.

Doxologie

An den Vater durch Jesus Christus mit dem Heiligen Geist.

(Fehlt.)

An den Vater durch die Gnade und Erbarmungen und die Menschenfreundlichkeit Deines Christus mit dem allheiligen und guten und Leben schaffenden Geist.

 

 

Im Vergleich zur Traditio Apostolica und zu den mystagogischen Katechesen sind folgende Elemente der griechischen Jakobus-Anaphora neu:

 

 

Die Struktur der Traditio Apostolica lässt sich, abgesehen von liturgischen und theologischen Weiterentwicklungen, in der Jerusalemer Liturgie wiederfinden. Die mystagogischen Katechesen sind das Bindeglied zwischen der Traditio Apostolica und der Jakobus-Liturgie.

 

Die Jakobusliturgie ist sowohl orthodoxen als auch altorientalischen Kirchen gemeinsam. Daher wird ihre Urgestalt in vorchalzedonensische Zeit (vor 451) zurückgehen. In den Fürbitten wird des Sechsten Ökumenischen Konzils (das 3. Konzil in Konstantinopel in den Jahren 680/681), nicht aber des Siebten (in den Jahren 786/787) gedacht. Daher ist für die uns vorliegende Gestalt der Handschrift aus dem 10. Jahrhundert eine Redaktion des 7. Jahrhunderts anzunehmen. Somit erklären sich recht alte neben verhältnismäßig rezenten liturgischen Elementen in der Jakobus-Anaphora.

 

J.R.K.Fenwick nimmt an, dass eine sahidische Form der kürzeren ägyptischen Basilius-Anaphora die Quelle des nicht-kyrillischen oder antiochenischen Materials in der Jakobus-Anaphora sei. W.E.Pitt und A.Tarby bestreiten dies, gehen allerdings von der byzantinischen Fassung der Basilius-Liturgie aus.

 

Die Jakobus-Liturgie wird in den orthodoxen Kirchen nur noch sporadisch gefeiert, meist am Fest des heiligen Jakobus (23.10./5.11.). Sie hatte Auswirkungen auf die Liturgie der Anglikanischen Kirche (B.D.Spinks) und auf die Lima-Liturgie (Epiklese I).

 

 

Quellen

 

 

 

Weiterführende Literatur

 

 

 

Verweise

 

 

 

 

 

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