Berdjaev und Maeterlinck

 

 

Heinrich Michael Knechten

 

 

Im gegenwärtigen Materialismus und Utilitarismus, schreibt Berdjaev in einem Aufsatz, der zuerst 1902 veröffentlicht wird, hat weithin das Äußerliche über das Innerliche gesiegt. Das Bewusstsein von einer Tragödie des Todes, der Liebe, der Erkenntnis und der Freiheit ist einem zur Schau getragenen Optimismus und einer naiven Harmlosigkeit gewichen.

 

Die Dramatiker stehen abseits dieser Entwicklung. Wer sich mit ihnen beschäftigt, hat zunächst ihre unterschiedlichen Ansätze zu beachten. Aischylos und Sophokles stellen die Macht des Schicksals (moira) über den Menschen dar, Shakespeare und Schiller seine Verstrickung in Leidenschaften, Ibsen die Lebenslüge und Maeterlinck die innere Tragödie, die im Menschen selber liegt.

 

Maurice Polydore Marie Bernard Maeterlinck wird am 29.8.1862 in Gent geboren. Er ist bedeutend als Dramatiker des Symbolismus. Sein ganzes Werk ist Suche und Meditation über das von dunklen Mächten bedrohte Dasein. Er zeigt den Menschen unter einer lastenden Fatalität. Er schreibt Dramen des Schweigens, in denen die Handlung eine untergeordnete Rolle spielt. Sein Werk "Pelléas et Mélisande" wird 1892-1902 von Claude Achille Debussy als Oper vertont. Maeterlinck stirbt am 6.5.1949 in Orlamonde bei Nizza.

 

Berdjaev rühmt den Dichter dafür, dass er in einzigartiger Weise die Schönheit der Tragödie darstellt. Sein Verdienst besteht darin, die Tragik als ewiges Prinzip zu verdeutlichen. Während Friedrich Nietzsche in seiner Schrift "Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik" (1872) das Tragische in Verbindung mit dem Prometheischen setzt, fehlt dieser Zug bei Maeterlinck. Er gestaltet die tiefe Ausweglosigkeit des Daseins.

 

Es ist aber Aufgabe der Philosophie, so fährt Berdjaev fort, einen Ausweg zu suchen. Es gilt, eine neue Metaphysik zu entwickeln. Die Tragödie der Erkenntnis, das Faustische, weist ja auf die Ewigkeit und das Unendliche hin. Die Passivität Maeterlincks, das Dekadente, die fin de siècle - Stimmung ist zu überwinden, um zu einem Realismus zu gelangen, welcher die Erde bejaht, ohne den Himmel aus dem Blick zu verlieren.

 

Vgl. Nikolaj A.Berdjaev, K filosofii tragedii. Moris Meterlink (1902), in: Ders., Filosofija tvorčestva, kul'tury i iskusstva, Bd. 2, Moskau 1994, 187-210.

 

Hauptseite