John Henry
Newman
Er wurde 1801 in London
geboren. Sein Vater war John Newman, Angestellter bei einer Bank, die später
insolvent wurde. Seine Mutter Jemima Fourdrinier stammte aus einer Hugenottenfamilie.
1825 wurde er Priester der Anglikanischen Kirche und zog seit 1828 durch seine
Predigten die Menschen in Bann. In einem Buch über die Arianer, das 1833
veröffentlicht wurde, wies er auf Gemeinsamkeiten mit dem Liberalismus seiner
Zeit hin. Er versuchte, einen Mittelweg zwischen widerstreitenden kirchlichen
Positionen zu gehen. 1845 wurde er Katholik und 1847 unter Bedingung zum
Priester geweiht. Seit 1848 gründete er Oratorien im Geiste von Philipp Neri
(1515-1595). 1859 trat er für eine Konsultierung der Gläubigen in Lehrfragen
bei und geriet dadurch in Häresieverdacht. 1879 wurde er Kardinal. Er starb
1890 in Edgbaston. 2010 wurde er seliggesprochen. Sein Gedenktag ist der 9.
Oktober, der Tag seiner Aufnahme in die Katholische Kirche.
Erklärungen
Mittelweg
(via media) zunächst (als Anglikaner) zwischen Römischer und Reformierter
Kirche, dann (als Katholik) zwischen liberalen und ultramontanen
(vereinheitlichend, im Sinne der Ekklesiologie jenseits der Alpen) Strömungen.
Die Arianer, benannt nach Areios/Arius († 336), sahen Jesus Christus als einzigartigen Menschen, der vor aller
Zeit erschaffen wurde. Im Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis (381)
heißt es dagegen: "Pisteúomen eis héna Theón, [...] kai eis héna kýrion Iesoun
Christón, ton hyòn tou Theou ton monogene, ton ek tou patròs gennethénta pro
pánton ton aionon, phos ek photós, Theòn alethinòn ek Theou alethinou,
gennethénta ou poiethénta" (Wir glauben an den einen Gott [...] und an den einen
Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller
Zeit: Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen).
Unter Bedingung (sub conditione) wurde J.H.Newman 1847 zum Priester
geweiht, falls seine 1825 gespendete Priesterweihe nicht gültig sein sollte. Er
selbst war über dieses Vorgehen nicht erbaut.
Zur Konsultierung der Gläubigen in Glaubensfragen, vgl. J.H.Newman, On
Consulting the Faithful in Matters of Doctrine, in: The Rambler (Der
Herumtreiber) 11 (1859), 198-230: fidelium sensus et consensus – Sinn und
Übereinstimmung der Gläubigen. Siehe auch Brief von Monsignore George Talbot
(1816-1886) an Erzbischof Henry Edward Manning (1808-1892), 25.4.1867: Wenn
diese Idee Newmans zugelassen wird, herrschen die Laien in der Kirche.
Edgbaston
liegt im Südwesten des Stadtzentrums von Birmingham.
Worte
Der Priestermangel ist
einer der Gründe, den täglichen Gottesdienst zu unterlassen. (Parochial and
Plain Sermons, 2.11.1834).
Hören wir nie sagen, dass
der tägliche kirchliche Gottesdienst unnötig ist? Hört man nie den Einwurf,
dass eine nur zum Teil gefüllte Kirche ein entmutigender Anblick sei?
(Parochial and Plain Sermons, 26.10.1834).
Es gibt Menschen, die als
Beobachter und nicht als Beter zur Kirche kommen. (Parochial and Plain Sermons,
30.10.1836).
Für den natürlichen
Menschen (1 Kor 2,14) ist es eine Last, Gott demütig und im Verborgenen zu
dienen; es ist ihm eintönig, ein alltägliches Leben zu führen, dabei auf die
eigenen Fehler zu achten und ihnen mit Gottes Hilfe entgegenzuwirken; es ist
ihm fremd, geringgeschätzt zu werden und dennoch zufrieden zu sein. (Parochial
and Plain Sermons, 27.7.1828).
Elija fand Elischa, als
dieser pflügte. Elija warf seinen Mantel über ihn (1/3 Kön 19,19). Dies ist
eine Berufung ins Unbekannte, ins Dunkel. Nur der Glaube kann ihr entsprechen.
(Parochial and Plain Sermons, 27.10.1839).
Der Glaube kommt mit
leeren Händen, verbirgt seinen eigenen Wert und weist nur auf jenen kostbaren
Erlösungsplan hin, den die göttliche Liebe für Sünder ersonnen hat. (Parochial
and Plain Sermons, 21.2.1830).
„Dein Wort ist meines
Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege“ (Ps 119/118, 105). Führe, gütiges
Licht (Lead, kindly light: The Pillar of the Cloud, Die Wolkensäule, Ex 13,21,
1833). Ich werde nicht sterben; denn ich habe nicht gegen das Licht gesündigt.
(Apologia pro vita sua 1).
Paulus war der himmlischen
Vision (optasía) nicht ungehorsam (Apg 26, 19). Gläubige wissen den Schein des
Misserfolgs zu tragen, aber sie können es nicht ertragen, ungehorsam gegen die
himmlische Vision zu sein. (Sermons, chiefly on the Theory of Religious Belief,
preached before the University of Oxford, 9, 16, 2.12.1832; 14, 38, 4.6.1841).
Menschen, die Teil dieser
Welt werden, sich in sie ummodeln möchten, verlieren die Sehnsucht nach etwas
Höherem, als sie selbst sind. (Parochial and Plain Sermons, 20.11.1836).
Die Menschen wollen
Zeichen sehen, sonst glauben sie nicht (Joh 4,48). Sie wollen selbst darüber
entscheiden, was in der Schrift steht und was nicht; was zum Heile notwendig
ist und was nicht; welche Worte wichtig sind und welche nicht; welche
Glaubensquellen Gott außer der Schrift gegeben hat und welche nicht. (Parochial
and Plain Sermons, 21.5.1837).
Die Versuchung, die klaren
Worte der Schrift wegzuerklären beweist, dass das hier angewandte Richtmaß für
Gut und Böse sich vom Richtmaß Gottes unterscheidet. Es besteht ein großer
Unterschied zwischen dem Hörer des Wortes und dem Befolger (Mt 7,26).
(Parochial and Plain Sermons, 10.9.1837).
Die Worte unseres
Heilandes sind nicht derartig, dass wir sie nur einmal hören sollten und dann
nicht mehr, sondern dass wir, um sie zu verstehen, sie in uns aufnehmen und in
ihnen leben sollen, und so gleichsam Schritt für Schritt in ihren Sinn
hineinwachsen. (Parochial and Plain Sermons, 12.4.1835).
Diese Zeit möchte die
Religion zu etwas Hellem, Sonnigen und Freudigen machen; sie ersetzt den
Brunnenquell der Wahrheit durch eine menschliche Zisterne; sie hat Angst vor
den tiefen Brunnen, vor dem Abgrund göttlicher Gerichte (Ps 36/35, 7) und
göttlicher Erbarmungen. (Sermons Bearing on Subjects of the Day, 1.5.1842).
Das Gewissen ist das
schöpferische Prinzip der Religion. (An Essay in Aid of a Grammar of Assent,
1870, I, 5, 1).
Eine Zahl kann nicht auf
Gott bezogen werden und kein Wort ist ihm adäquat. (An Essay in Aid of a
Grammar of Assent, 1870, I, 4, 1; I, 5, 2).
In der Menschwerdung
(Inkarnation) sind Himmel und Erde vereinigt. (Essay on the Development of
Christian Doctrine, 1845, II, 7, 1, 4).
Wir sollen allezeit beten
(Lk 18,1). Es geht nicht darum, ein- oder zweimal um die Barmherzigkeit Gottes
zu bitten, sondern um das immerwährende, beharrliche Gebet. (Parochial and
Plain Sermons, 24.1.1841).
Die Gewohnheit des Betens,
die Übung, sich Gott und der unsichtbaren Welt zuzuwenden, zu jeder Zeit, an
jedem Ort und bei jedem Anlass, stärkt im Menschen die Aufnahmefähigkeit für
die Wahrheit, die Beständigkeit, das Vertrauen und den Frieden. (Parochial and
Plain Sermons, 10.12.1837).
Die Vollendung des Sinns,
die den einzelnen, ihrer Veranlagung entsprechend, zuteil wird, besteht im
ruhigen Schauen aller Dinge, soweit der endliche Geist sie zu erfassen vermag:
Infolge der Geschichtskenntnis ist er fast prophetisch, infolge der Kenntnis
menschlicher Natur vermag er beinahe die Herzen zu ergründen (1 Kor 2, 15),
infolge der Freiheit von Vorurteilen hat er fast übernatürliche
Liebesfähigkeit, infolge der Furchtlosigkeit besitzt er beinahe die Ruhe des
Glaubens und infolge der Vertrautheit mit der Sphärenmusik ist ihm fast die
Schönheit himmlischer Beschauung zu eigen. (The Idea of a University, 1873, 7,
6).
Werkausgaben
o Addresses to Cardinal Newman with His Replies etc.
1879-1881, hg. v. W.P.Neville, London 1905.
o An Essay in Aid of a Grammar of Assent, hg. v.
I.T.Ker, Oxford 1985.
o Apologia pro vita sua, hg. v. M.J.Svaglic, Oxford
1967.
o Autobiographical Writings, hg. v. H.Tristram, London
1957.
o Cardinal Newmanʼs Works. Uniform Edition, 37
Bde., London 1868-1879; Westminster, Maryland 1966-1977.
o Collected Works, 25 Bde., New York 1890-1927.
o Correspondence of John Henry Newman with John Keble
and Others, 1839-1845, hg. v. Oratorium in Birmingham, London 1917.
o John Henry Newman and the Abbé Jager. A Controversy on
Scripture and Tradition (1834-1836), hg. v. L.Allen, London 1975.
o Letters and Correspondence of John Henry Newman During
His Life in the English Church, hg. v. A.Mozley, London 1891.
o Meditations and Devotions of the Late Cardinal Newman,
London 1893.
o Newman the Oratorian. His Unpublished Oratory Papers,
hg. v. P.Murray, Dublin 1969; Leominster 1980.
o Prayers, Poems, Meditations, hg. v. A.N.Wilson, London
1989.
o Sermons 1824-1843, Bd. 1-5, hg. v. P.Murray, V.F.Blehl
u. F.J.McGrath, Oxford 1991.1993.2010-2012.
o The Idea of a University, hg. v. I.T.Ker, Oxford 1976.
o The Letters and Diaries of John Henry Newman, hg. v.
C.St.Dessain, P.Murray, V.F.Blehl, I.T.Ker u. Th.Gornall, 32 Bde., Oxford
1961-2008.
o The Philosophical Notebook, hg. v. E.Sillem, 2 Bde.,
Löwen 1969f.
o The Theological Papers of John Henry Newman on
Biblical Inspiration and on Infallibility, hg. v. J.D.Holmes, Oxford 1979.
o The Theological Papers of John Henry Newman on Faith
and Certainty, hg. v. M. de Achaval u. J.D.Holmes, Oxford 1976.
o The Via Media of the Anglican Church, hg. v.
H.D.Weidner, Oxford 1990.
o The Works of Cardinal John Henry Newman. Birmingham
Oratory Millenium Edition, hg. v. J.Tollhurst, Bd. 1ff, Leominster 2000ff.