Toscano

 

Rundfenster der ehemaligen Tabakmanufaktur Toscano

 

Im August 1815 wurde eine Ladung Kentuckytabak ins Freie gebracht, um dort zu trocknen, doch es zog ein Gewitter auf und der Tabak wurde vom Regen durchnäßt. Es folgte schönes Wetter und der Tabak fermentierte durch die Sonnenwärme. Er galt als verdorben, aber eine Rauchprobe in der Pfeife zeigte, daß dies nicht der Fall war. (Kentuckytabak wird nach dem Lufttrocknen noch rauchgetrocknet.) So wurde er als Tabak minderer Qualität eingestuft, zu Zigarren gedreht und verkauft, fand aber wider Erwarten hohen Zuspruch. Die Besonderheit dieses Tabaks ist seine Hitzefermentation.

Daher gründete Großherzog Ferdinand III. (1769-1824) im Jahre 1818 in Florenz eine Manufaktur für Zigarren aus fermentiertem Kentuckytabak.

 

Vorderfront der ehemaligen Toscano-Tabakmanufaktur
in SantʼAgata di Mugello

 

35 Kilometer nördlich von Florenz, befindet sich der Ort SantʼAgata di Mugello (Mucellium), der zur Gemeinde Scarperia gehört. Hier war die größte Arbeitgeberin für Frauen die Tabakmanufaktur Toscano, welche Anfang der 1930er Jahre gegründet wurde. Die Tätigkeit in dieser Manufaktur ermöglichte den Frauen eine gewisse Selbständigkeit. Etwa hundert Personen saßen an langen Tischen in Reihen hintereinander und drehten die Zigarren, das Füllgut wurde vom Deckblatt umwickelt. Bei karibischen Zigarren wird zunächst ein Umblatt um das Füllgut gewickelt. Dies entfällt bei den Toscani, da ihr Deckblatt aufgrund seiner Stärke die Spannung hält. Das Füllgut stammt hauptsächlich aus Italien und das Deckblatt aus den Vereinigten Staaten von Amerika.

 

 

Infolge einer großen Absatzkrise wurde die Tabakmanufaktur Ende der 1970er Jahre in SantʼAgata geschlossen. Heute wird das Gebäude allmählich von der Natur zurückerobert.

Heute werden die Toscani in Lucca und Cava deʼTirreni (Provinz Salerno) hergestellt.

Da Kentuckytabak in erster Linie ein Pfeifentabak ist, sind die Toscani sehr würzig und gehaltvoll. Daher zirkuliert der Ausspruch, es seien drei Personen notwendig: eine, die raucht, und zwei zum Festhalten. Don Camillo (Autor: Giovannino Guareschi) rauchte natürlich Toscano.

 

 

Eine solche Zigarre hat eine Länge von bis zu 160 mm, die Sorte „Il moro“ sogar 230 mm. Damit ist sie zu lang, um sie durchgehend zu rauchen. Sie wird daher in der Mitte durchgebrochen oder mit einem scharfen Messer durchgeschnitten und die beiden Hälften werden zu verschiedenen Zeiten geraucht, traditionell eine am Vormittag und eine am Nachmittag. Zu diesem Zwecke hat sie an beiden Enden Mundstücke.

Es gibt verschiedene Sorten. Am beliebtesten sind Originale, Classico, Antico, Extra Vecchio und Garibaldi.

Toscano Classico und halbierte Zigarre. Die Unregelmäßigkeiten im Äußeren sind gewollt.

 

Da Giuseppe Garibaldi (1807-1882) sowohl in Italien als auch in Brasilien und Uruguay für die Freiheit kämpfte, werden für die Garibaldizigarren Tabake aus Italien und aus Südamerika verwendet, also aus den beiden Welten, in denen er lebte. Der Geschmack hat Anklänge an Mandeln, Süßholz und Leder.

Die Zigarre Toscano Classico ist im Geschmack intensiver und rauchiger. Die Sorte Originale wird mit der gleichen Verfahrensweise wie im 19. Jahrhundert hergestellt. Die Sorte Extra Vecchio, deren Tabak ausschließlich aus der Toscana stammt, hat eine neunmonatige Reifung durchgemacht, besitzt ein lebhaftes Temperament und weist eine mittlere Stärke auf. Die Sorte Antico hat ein kräftiges und vollmundiges Aroma, da ihr Tabak zwölf Monate lang gereift ist.

 

 

Bibliographie

o  Marconi, Aroldo, und Francesco Testa, Il Toscano. Guida completa al sigaro italiano, Florenz 2001; Florenz 2008.

o  Marconi, Aroldo, und Francesco Testa, Manuale del sigaro Toscano. Storia e produzione. Degustazione e abbinamenti, Florenz 2020.

o  Santini, Aldo, Il sigaro Toscano. Storia, curiosità, personaggi, Lucca 1996.

 

Alle Photographien von H. M. Knechten

 

© Dr. Heinrich Michael Knechten, Stockum 2024

Hauptseite