1988

 

In meinen Reisetagebüchern sind immer wieder Witze und Anekdoten vermerkt, die einen Blick auf die jeweilige historische Situation gewähren und zugleich Ausdruck der betreffenden Mentalität sind. Hier ist einer:

Ein Reisender fragt den Beamten am Schalter:

„Wenn ich schwarzfahre, kann ich dann auch umsteigen oder muß ich jedesmal neu schwarzfahren?“

 

Hier folgt noch eine allgemeine Vorbemerkung:

Nachdem ich den Bericht über die Reise nach Rußland und in den Kaukasus im Juli 1987 ausführlich gestaltet hatte (34 Din-A-4-Seiten; Seite „Gelati“ unter „Pilgerreisen“), werde ich bei der Wiedergabe der folgenden Reisetagebücher nur jene Stätten darstellen, über die ich bisher noch nicht berichtet habe. Anmerkungen über die sich stark wandelnde historische Situation genießen Vorrang.

Samstag 1. Oktober 1988

Unsere 25köpfige Reisegruppe kommt in Moskau am Flughafen Šeremetʼevo 2 an, der zur Olympiade 1980 angelegt wurde. (Šeremétʼevo 1 war bereits 1959 in Betrieb genommen worden.) Die Ortschaft Šeremetʼevo war Sitz der Adelsdynastie Šeremétev, die seit dem 14. Jahrhundert erwähnt wird. Es handelt sich um einen turksprachigen Spitznamen mit der Bedeutung „armer Mann“.

Wir werden im Hotel Ukraína untergebracht. Dieses Gebäude ist eines der Sieben Schwestern, die im sogenannten Zuckerbäckerstil errichtet wurden. Hotel Ukraina wurde 1953 bis 1957 erbaut, ist 198 m hoch, hat 34 Stockwerke und verfügt über 1.018 Zimmer.

Der Umtauschkursus ist interessant: Für fünfzig Deutsche Mark erhalte ich 16 Rubel und 20 Kopeken.

Die Kirche des heiligen Nikolaus im Viertel der Weber (хамовники), wurde 1679-1682 erbaut. Wir erleben die Vesper. (Metro: Парк культуры). Hier zelebriert Patriarch Pimen (ποιμήν – Hirte; Izvekov; 1910-1990). Verehrt wird die Ikone „Helferin der Sünder“. Der Schriftsteller Lev Nikolaevič Tolstoj gehörte zu dieser Gemeinde. Die Sängerin Mireille Mathieu besucht diese Kirche jedesmal, wenn sie in Moskau ist.

Sonntag, 2. Oktober 17. Sonntag nach Pfingsten

Besuch des Neujungfrauenklosters, das 1524 vom Großfürsten Vasilij III. Ivanovič (1479-1533) zur Feier der Einnahme der Stadt Smolensk gegründet wurde. Es ist der Gottesmutterikone von Smolensk gewidmet und wurde als Neues Jungfrauenkloster zur Unterscheidung vom alten genannt, dem Himmelfahrtskloster im Kremlʼ.

Ich kaufte ein großformatiges Buch zur Tausendjahrfeier der Taufe der Russischen Lande.

In der Entschlafenskathedrale (Trapeza- oder Refektoriumskirche) aus den 1680er Jahren feierte Bischof Grigorij (Čirkov; 1942-2018) die Liturgie. Er wurde feierlich gewandet und zog dann zum Kleinen Einzug in den Altarraum ein. Der Chor, der aus jungen Leuten bestand, sang wunderschön. Ein Priesteramtskandidat leitete ihn sehr sensibel.

Während die Entschlafenskathedrale eine beheizbare Winterkirche ist, kann die Smolensker Kathedrale, die als Sommerkirche dient, nicht beheizt werden. Sie besticht durch ihre Fresken, die 1526 bis 1530 entstanden sind. Geschichtliche Szenen zeigen den Triumph über die Stadt Smolensk. Die fünfrangige Ikonostase (Bilderwand) stammt von 1683-1686 und hat vergoldete Säulen, die aus einem einzigen Baumstamm geschnitzt sind und emporkletternde Weinranken darstellen. Die Ikonen des vierten Ranges (von unten gezählt) stammen aus den 1590er Jahren.

Die beherrschende Gestalt dieses Klosters war Sofʼja Alekseevna (1657-1704). Die von 1682 bis 1689 in Rußland herrschte.

Pëtr I. Alekseevič, Peter der Große (1672-1725), war ihr Halbbruder. Beim Tod des Zaren Fëdor III. Alekseevič (1661-1682) war er zehn Jahre alt. Bei einem Aufstand ermordeten die Strelizen (Palastgarde, wörtlich: Bogenschützen) seine beiden Brüder und deren Ziehvater. Peter wurde zwar zusammen mit seinem Halbbruder Ivan V. Alekseevič (1666-1696) Zar von Rußland, aber aufgrund seiner Minderjährigkeit herrschte Sofʼja, die von den Strelizen unterstützt wurde. Sie regierte Rußland im traditionellen Stil, während Peter eine Öffnung zum Westen anstrebte, eine Flotte aufbauen und die Schweden bekämpfen wollte. Als Sofʼja im Jahre 1689 zusammen mit den Strelizen ein Mordkomplott anzettelte, wurde sie ins Neujungfrauenkloster verbannt und die Schuldigen wurden bestraft. Hier entfaltete sie eine reiche Bautätigkeit.

Der Glockenturm von 1690 ist 72 m hoch. Über einem achteckigen Grundriß erheben sich acht Geschosse, die von einer Zwiebelkuppel bekrönt werden.

Auf dem neuen Friedhof des Neujungfrauenklosters ist die zweite Ehefrau Stalins begraben, Nadežda Sergeevna Allilueva (1901-1932) sowie Nikita Sergeevič Chruščëv (1894-1971), dem ein Grab an der Kremlʼ-Mauer versagt wurde. Auf diesem Friedhof ruhen die Schriftsteller Andrej Belyj (1880-1934), Michail Bulgakov (1891-1940), Anton Čechov (1860-1904) und Nikolaj Gogolʼ (1860-1852; 1930 vom Danilovkloster hierher umgebettet). Hier sind die Gräber der Komponisten Sergej Prokovʼev (1891-1953) und Aleksandr Skrjabin (1872-1915), des Violinisten Igor Oistrach (1908-1974) und des Sängers Fëdor Šaljapin (1873-1938; 1988 von Paris hierher umgebettet), außerdem des Kunstsammlers Pavel Tretʼjakov (1832-1898).

Ístra liegt 56 km westlich von Moskau am Flüßchen Istra. Der Ort hieß 1791-1929 Voskresénsk. Hier gründete Patriarch Nikon (Minin; 1605-1681) im Jahre 1656 das Neujerusalemkloster zur Auferstehung Christi. Er wollte um die Stadt Moskau herum heilige Orte schaffen, da nur wenigen eine Wallfahrt zu diesen Stätten möglich war. Die Klosterkirche wurde 1656-1685 erbaut und ist der Auferstehungskirche (Grabeskirche) in Jerusalem nachgebildet. Auch sie enthält eine Rotunde mit dem Grabe Christi und eine obere Golgothakirche. Der Umgang hinter dem Altarraum entspricht nicht russischer Tradition, sondern wurde dem in der Auferstehungskirche nachempfunden. Da der Untergrund sumpfig war, wurden Entwässerungsgräben angelegt.

Dieses Kloster sollte den Anspruch Nikons „untermauern“, über dem Zaren zu stehen und der Erste aller orthodoxen Patriarchen sowie aller christlichen Konfessionen zu sein. Zar Aleksej I. Michajlovič (1629-1676) kündigte im Jahre 1658 dem Patriarchen seine Freundschaft auf, woraufhin sich der Gekränkte in dieses Neujerusalemkloster zurückzog, in der Erwartung, der Zar werde seine Meinung ändern, was jedoch nicht geschah.

1941 wurden dem Kloster schwerste Schäden zugefügt, nun (1988) beginnt die Restauration der Gebäude. Erhalten ist die farbenfroh leuchtende Baukeramik der weißrussischen Meister Stepan Ivanov Polubes (florevit 1670-1690), Pëtr Ivanov Zaborskij und Ignatij Maksimov ( 1651).

Fayence ist die französische Bezeichnung für Keramik. Abgeleitet wird der Ausdruck von der italienischen Stadt Faenza in der Provinz Ravenna, deren Handwerker sich auf die Herstellung von Majolika (obra de malica, Malagaware – Lüsterkeramik) spezialisiert hatten. Da das gesinterte Irdengut porös, also saugfähig ist, nimmt es die Farben auf.

In Istra sind 50.000 unterschiedliche Kacheln. Sie sind beispielsweise mit Seraphim oder Blumenornamenten geschmückt. Am Fries war die Passionsblume zu sehen, die auf das Leiden Christi hinweist.An der Ikonostase ersetzten Kacheln den Marmor der Auferstehungskirche.

Hier leben 33 Mönche. Es gibt die Wohnung des Klostervorstehers. Archimandrit Nikita (Latuško) leitete es von 1994 bis 2008. Sein Nachfolger ist Archimandrit Feofilakt (Bezukladnikov). Zellen der Mönche, Refektorium (trapeza) und Hospital gehören zum Kloster.

Auf einer Kreuzigungsikone aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist ein schwarzer Hintergrund. Soldaten brechen mit Knüppeln den beiden Schächern die Beine. Dies ist schreiend-realistisch dargestellt. Zu sehen sind Ketten und das Kreuz aus Metall, die Patriarch Nikon während der Fastenzeit trug.

 

Der Erlöser mit den Engelsmächten (Спас в силах), Andrej Rublëv zugeschrieben, 1410, Tretʼjakovgalerie, Moskau, Quelle: Wikipedia

 

In der Hospitalskirche sehe ich eine Ikone aus dem Jahre 1670: Der Erlöser mit den Mächten (Спас в силах), mit den Engeln, die auf die Ikonen Andrej Rublëvs, 1408, und Dionisijs aus dem Jahre 1500 zurückgeht. Thron, Fußschemel, Cherubim und Seraphim sowie die Symbole der vier Evangelisten (Stier, Adler, Löwe und Engel) geben einen Eindruck von der Vollmacht Christi, vom Überschreiten des Raumes und der Zeit, von der absoluten Transzendenz und doch Allgegenwart des Erlösers.

Im Museum von Istra waren Gemälde zu sehen, russisches Porzellan und mittelalterliche Waffen.

Peter Gustav Fabergé entstammte der Hugenottenfamilie Favry. Er wurde 1814 in Livland (heute Pärnu in Estland) geboren und starb 1894 in Dresden. Er eröffnete 1842 eine Goldschmiede- und Juwelierwerkstatt in St. Petersburg. Er verlegte im Jahre 1860 wegen des sumpfigen Klimas dieser Stadt seinen Lebensmittelpunkt nach Dresden, doch sein Sohn Peter Carl Fabergé (1846-1920) führte ab 1864 das Geschäft in St. Petersburg weiter und wurde kaiserlicher Hoflieferant. Am bekanntesten wurden die Fabergé-Eier, die zum Verschenken anläßlich des Osterfestes gedacht waren. Beispiele sind das Engel-mit-Wagen-Ei (1888), das Bergkristall-Ei mit 12 Miniaturen (1896) und das Ei mit der Transsibirischen Eisenbahn (1900).

Auf das Verbum voločí, volokú (schleppen) gehen Ortsnamen wie Vologda, Volokitino und Volokolamsk zurück. Dort konnten die Schiffe nicht auf Flüssen fahren, sondern mußten auf Rollen über Land bis zum nächsten Fluß geschleppt werden. Die Kanäle, die eine Durchfahrt vom Weißen bis zum Schwarzen Meer ermöglichten, wurden erst im 19. und 20. Jahrhundert gebaut.

Beim Mittagessen gab es als Vorspeise Tomaten, kaltes Rindfleisch, Maggikraut, Paprika, Kommißbrot und Butter. Kohlsuppe (šči). Reis und Geschnetzeltes. Eis. Tee. Mineralwasser aus Georgien (Borjomi) und Armenien (Jermuk).

In den Metrostationen Moskaus werden Bücher angeboten, Sportartikel, Plüschtiere und Waffen aus Bronze.

An der Metrostation Puškinskaja finden sich Bronzebilder Moskaus, St. Petersburgs und des Lyzeums in Carskoe Selo sowie des Grabes Puškins mit passenden Zitaten aus seiner Dichtung. Sie stammen von Jurij Viktórovič Vdovin (1925-1999). Ich lese auch Hinweise auf die Art und Weise der Dichtung Puschkins: „Er dichtet unbezahlt“, „Er dichtet für die Freiheit des Volkes“. Diese Haltestelle wurde 1975 eröffnet. Sie befindet sich 51 m unter dem Straßenniveau.

Novoslobódskaja: Sie wurde 1952 eröffnet und liegt 40 m tief. Die Haltestelle ist mit 32 Hinterglasbildern mit Bleiverglasung geschmückt. Pavel Dmitrievič Korin (1892-1967) schuf Werke, welche eine Welt im Frieden schildern. Dargestellt sind phantastische Blüten, Pflanzen und Sterne sowie die Berufe des Architekten, Geographen, Künstlers, Technikers, Musikers und Landmannes, außerdem einer Frau mit einem Kind auf dem Arm.

Prospekt mira: Diese Metrohaltestelle wurde ebenfalls 1952 eröffnet und liegt 40 m tief. Medaillons mit vergoldetem Hintergrund, welche die Umgestaltung der Natur zum Thema haben. Bauern, Blumen- und Gemüsegärtner werden bei ihrer Arbeit gezeigt. Die Entwürfe stammen von Geórgij Ivánovič Motovílov (1892-1963).

Majakovskaja: Eröffnet 1938 und 33 m tief. An der Decke Abbildungen: Zwei Flugzeuge und blühender Apfelbaum, ein Junge und ein Mädchen springen ins Wasser, die Mutter. Im Flur die Büste Majakovskijs. Vladímir Vladímirovič Majakovskij (1893-1930) war als Dichter und Dramatiker ein Futurist. Wegen des Drucks der Literaturfunktionäre, aber auch aus Gründen privater Enttäuschungen nahm er sich mit 36 Jahren das Leben.

Am Weißrussischen Bahnhof sind in der Metro (Бедорусская) weiße Gartenbänke und zwölf großformatige Darstellungen im Stile florentinischer Mosaiken aus dem Jahre 1952 nach Entwürfen des Künstlers Grigórij Ivánovič Oprýško (1911-1997). Sie stellen Arbeiterinnen, Liebende, aber auch Kämpfende dar. Diese Haltestelle wurde 1952 eröffnet und liegt 42,5 m tief.

Sevastópolʼskaja: 1983 eröffnet, 13 m tief. Mosaik mit griechischer Säule und Apfelsinen vom Künstler Oleg Antonovič Ikonnikov (1927-2004).

Komsomólʼskaja: 1952 eröffnet, 37 m tief. An der Decke ein Mosaik der Vasilijkathedrale. Dem feindlichen Heer wird die Ikone „Das grimmige Auge“ entgegengetragen. Diese Metrostation wirkt pompös. Sie soll das Reich Stalins verherrlichen, ein Jahr vor seinem Tode. Die 68 Säulen unterstreichen diesen Anspruch.

Bei dieser Metroführung, die ich veranstaltete, rief einer unserer Reiseteilnehmer: Haltestelle Knechtskaja, alles aussteigen! (Eine Station Karl-Libknechtskaja wäre möglich, existiert jedoch nicht.) Ein Russe übersetzte meinen Namen mit Михаил Иванович Работник.

Jemand sagte, er habe einen Riecher für Toiletten; er fände sie immer.

Montag, 3. Oktober

Kolomenskoe: Zarensommerresidenz südöstlich der heutigen Moskauer Innenstadt. Hier verbrachte Peter der Große seine Kindheit. Dieser Ort liegt auf dem Weg nach Kolomna, das sich 110 km südöstlich von Moskau, am Zusammenfluß von Moskvá und Oká befindet und Grenzposten zum Fürstentum Rjazanʼ ist. Kolomna ist strategisch wichtig, aber auch bedeutend als Handelsstadt.

Die Kirche der Gottesmutter von Kazanʼ wurde von Zar Aleksej 1660 als Hauskirche seines nahegelegenen Palastes erbaut. Die blauen Kuppeln sind mit Sternen verziert. Die Innenausmalung stammt aus dem 19. Jahrhundert. In der Ikonostase ist die Ikone der Gottesmutter von Kazanʼ. Dieser Ikonentyp „erschien“ nach der Einnahme Kazanʼs im Jahre 1579.

Die Christi-Himmelfahrtskirche, 1530-1532 erbaut, wurde aus Anlaß der Geburt des ersehnten Thronfolgers, des späteren Zaren Ivans des Schrecklichen (Ioann IV. Vasílʼevič; 1530-1584), erbaut. Die Kirche erhebt sich auf einer hohen Terrasse über der Moskva. Die Architektur stellt einen eklatanten Bruch mit der Tradition des Kirchenbaus dar, es handelt sich nämlich um eine Zeltdachkirche. Da sie aus weißen Steinen erbaut ist, wird sie als weiße Säule oder auch als Kerze bezeichnet. Der Bau ist 62 m hoch. Die schmalen Pilaster (pfeilerartige Formelemente) auf den Seiten des oktogonalen Baukörpers, die pfeilförmigen Fensterrahmen der drei Reihen der Kokošniki (Ziergiebel in Form der Kopfbedeckung von Frauen) und der ausgeglichene Rhythmus der Treppenarkaden sowie der offenen Galerien unterstreichen die dynamische Tendenz des Gebäudes. Umgeben wird die Kirche von Arkaden mit verschiedenen Treppenaufgängen. Aus Gründen der Statik hat der Bau drei bis vier Meter dicke Mauern. Daher ist das Innere klein. Da keine Säulen den Blick stören, ist die Wirkung stark: Durch die verhältnismäßig kleine Fläche des Bodens erscheint die Kuppel sehr hoch.

Der Sinn dieses Bautyps ist das Gedenken der Himmelfahrt Christi, das Emporstreben des Menschen zu Gott, aber auch die Verherrlichung des Russischen Reiches. Die Zeitgenossen im 16. Jahrhundert waren beeindruckt und schrieben, daß diese Kirche ein so großes Wunder in ihrer Höhe, Schönheit und Lichtheit sei, wie es früher in Rußland keines gegeben habe.

Am Turm gab es eine Uhr mit zwei Löwen, die zu jeder vollen Stunde brüllten und mit ihren Augen rollten.

Vorbilder für die Bauform der Zeltdachkirchen sind die skandinavischen Stabholzkirchen. Patriarch Nikon förderte zunächst den Bau dieses Typs, verbot ihn dann aber. Dennoch wurden einige Zeltdachkirchen auch später gebaut.

Der St.-Georgsglockenturm stammt aus dem 16. Jahrhundert; der Torturm, der das Gut mit Wasser versorgte, aus dem 17. Jahrhundert. Er wird auch Falkenturm genannt, weil die Zaren von hier aus der Beizjagd nachzugehen pflegten.

Im Park von Kolomenskoe gibt es sechshundertjährige Eichen. Der Blick auf die Moskva ist einzigartig.

Jenseits des Tales, im einstigen Dorf Dʼjakovo, steht die Kirche der Enthauptung Johannes des Vorläufers, die im Jahre 1547 zu Ehren der Krönung Ivans des Schrecklichen erbaut wurde. Sie schließt die Entwicklung von der byzantinischen Kreuzkuppelkirche zur russischen Fünfkuppelkirche ab. Die größte Kuppel in der Mitte steht für Christus, die vier umgebenden kleineren für die vier Evangelisten. Vier achteckige Kapellen umgeben den achteckigen Zentralbau. Der Tambour weist acht Halbzylinder auf.

Dienstag, 4. Oktober

Franz Josef Strauß (1915-1988) hatte am 1. Oktober 1988 das Oktoberfest in München besucht und flog dann mit dem Hubschrauber in die Nähe Regensburgs, um beim Jagdschloß Aschenbrennermarter an einer von Johannes von Thurn und Taxis veranstalteten Hirschjagd teilzunehmen. Kurz nach dem Verlassen des Hubschraubers brach er bewußtlos zusammen. Er wurde mit der Diagnose eines Schlaganfalles ins Krankenhaus verbracht und verstarb dort gestern. Einige in unserer Reisegruppe sind sehr betroffen.

Was die Politik anbetrifft, läßt sich sagen, daß Helmut Kohl einen politischen Gegner weniger hat. Nun beginnt der Kampf der Diadochen in Bayern.

Die Gebäude der Dreieinigkeits-Sergij-Lavra entstanden in drei Stufen: Der Fürstenzeit entstammen die Heilig-Geist-Kirche und die Dreieinigkeitskathedrale, der Zarenzeit die Entschlafenskathedrale und der Kaiserzeit der Glockenturm. Weiteres findet sich in meinem Bericht von 1987.

In der Museumssammlung (Kirchlich-archäologisches Kabinett) der Moskauer Geistlichen Akademie sehe ich eine Ikone des siebten Jahrhunderts: Muttergottes des Zeichens, die den präexistenten Christus darstellt. „Darum wird euch der Herr von sich aus ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben“ (Jes 7, 14). Dies ist eine enkaustische Ikone: In Wachs gebundene Farbpigmente werden bei dieser Technik heiß auf den Maluntergrund aufgetragen. Irritierenderweise steht auf dem Schild zu dieser Ikone „Hodegetria“ (Wegweiserin). Da diese Ikone aber in der Literatur nicht erwähnt wird, handelt es sich wohl um eine rezente Kopie. So erklärt sich auch die fehlerhafte Beschreibung. In der Tretʼjakovgalerie befindet sich eine Ikone der Gottesmutter des Zeichens aus dem Beginn des 12. Jahrhunderts, die aus Kiev stammt. In der Ikonostase der Novgoroder Sophienkathedrale ist eine derartige Ikone aus dem Jahre 1160. Bei beiden wird die Gottesmutter als Orantin dargestellt. Die Gebetsgebärde der erhobenen Arme geht auf die Antike zurück.

Im staatlichen Museum für Geschichte und Kunst in Sergiev Posad sehe ich Bilder von Michaíl Vasílʼevič Nesterov (1862-1942), die den Russischen Christus herausstellen: Er segnet einen Jungen in einem russischen Dorf. Bei seiner Kreuzigung stehen ein Priester, das Volk und Fëdor Michájlovič Dostoevskij mit brennenden Kerzen dabei. Das Evangelium wird der russischen Landschaft und Mentalität eingefügt. Der russische Winter ist allgegenwärtig.

Mittwoch, 5. Oktober

Túla, 170 km südlich von Moskau, wurde 1146 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Während der mongolischen Besetzung war Tula die Residenzstadt der Frau des Chans der Goldenen Horde, Ğānī Big († 1357). Nach dem Sieg über die Mongolen im Jahre 1380 am Schnepfenfeld (Куликово поле) gehörte Tula zum Fürstentum Rjazanʼ und ab 1503 zum Großfürstentum Moskau, das die Stadt zur Festung ausbauen ließ, da sie an der südlichen Grenze dieses Territoriums lag. Südlich der Stadt wurde ein undurchdringliches Waldgebiet angelegt, das zur 400 km langen Verhaulinie gehörte und die Pferde der mongolischen Angreifer aufhalten sollte. Von 1509 bis 1520 wurde am linken Upá-Ufer gegenüber der Tula (später: Túlica) - Mündung ein Kremlʼ angelegt, der zunächst von einer Palisade aus Eichenholz und später von einer 3,2 m dicken, steinernen Mauer mit neun vierstöckigen Wachtürmen aus rotem Backstein geschützt wurde. Am bekanntesten ist der Erlöserturm, da sich hier die Sturmglocke befand, welche bei feindlichen Angriffen geläutet wurde und zu den Waffen rief. Im Inneren des Kremlʼ gab es Kasernen und Kirchen, die unter Beteiligung italienischer Architekten errichtet wurden, aber nicht erhalten sind.

Die Entschlafenskathedrale wurde von 1762 bis 1766 erbaut. Im Inneren befinden sich an der Westmauer Darstellungen mit Themen aus dem Hohenlied, was in einer orthodoxen Kirche sehr selten ist. 1930 wurde die Kirche geschlossen und als Lagerhalle verwendet. 1936 brach im Dachgeschoß des Glockenturmes ein Feuer aus, sodaß er abgerissen werden mußte. 1991 wurde das Gebäude der Kirche zurückgegeben.

Die Kathedrale der Theophanie (Epiphanie) wurde 1855-1863 zum Andenken an die Soldaten aus Tula erbaut, welche 1812 im Kampf gegen das Heer Napoleons gefallen waren. 1930 wurde sie geschlossen und zunächst von einem Luftsportklub und dann von einem Gymnastikklub genutzt. Die vier kleinen Kuppeln der Kirche wurden abgebaut. Es wurde eine Zwischendecke eingezogen, damit das Gebäude auf zwei Etagen genutzt werden konnte. 1972 bis 1979 wurde die ehemalige Kirche umgebaut und beherbergt seither ein Waffenmuseum.

In der Umgebung der Stadt gibt es reiche Eisenerzvorkommen. So entwickelte sich seit dem Ende des 16. Jahrhunderts eine Fertigung von Gewehren, die aufgrund ihrer hohen Qualität begehrt waren. Tula spielte eine immer bedeutendere Rolle in der Rüstungsindustrie.

В Тулу со своим самоваром не ездят“ (Nach Tula fährt man nicht mit seinem eigenen Samovar – Selbstkocher, Teekochkessel), da in Tula auch Samovare hergestellt werden. 1990 wurde in Tula ein Samovarmuseum eröffnet.

In Tula wird Lebkuchen (пряник) gebacken, davon zeugt das Lebkuchenmuseum, das 1996 eröffnet wurde. Mit geschnitzten Holzbrettern wird die Oberfläche des Backwerks bedruckt.

Im Kunstmuseum gibt es Ikonen, außerdem Marinemalerei von Ivan Konstantinovič Ajvazovskij (1817-1900), Landschaftsbilder von Isaák Ilʼíč Levitán (1860-1900), Ilʼja Efimovič Repin (1844-1930), der dem Realismus angehört, Valentin Aleksandrovič Seróv (1865-1911), welcher dem Jugendstil angehörte, und Vasílij Ivánovič Súrikov (1848-1916), welcher der Bewegung der Wanderer (передвижники) angehörte. Sie wurden so genannt, weil sie Wanderausstellungen organisierten, um den Restriktionen der Kaiserlichen Kunstakademie Sankt-Peterburgs zu entkommen und Künstler sowie Kunstwerke bekanntzumachen.

Unsere Reisegruppe beobachtet im Kremlʼ Soldaten beim Drill. Früher wäre es nicht möglich gewesen, eine militärische Zone zu betreten. Wer Photographien von Brücken, Bahnhöfen oder Flughäfen machte, galt als Spion und wurde bestraft.

Gegenüber dem nordwestlichen Mauerabschnitt des Kremlʼs befindet sich die Kirche der Verkündigung an die allheilige Gottesgebärerin (Fest am 25. März) aus dem Jahre 1692. An den Glockenturm ist ein einstöckiger Festsaal angeschlossen. Im Keller der Kirche lagerten die Kaufleute bis zum 19. Jahrhundert ihre Waren. 1932 wurde die Kirche geschlossen und diente als Lebensmittellager. Nach 1945 wurde sie restauriert und als Kulturdenkmal erhalten. 1990 wurde sie der Kirche zurückgegeben.

Vor dem Gebäude der Stadtverwaltung am Kremlʼ steht die Entschlafenskathedrale aus dunkelrotem Backstein mit schwarzen Kuppeln. Das ursprüngliche Gebäude wurde wegen Wasserschäden abgetragen (Tula bedeutet in den uralischen Sprachen „Sumpf“) und in den Jahren 1791/1792 neu erbaut. Doch auch dieses Gebäude mußte 1899 aufgegeben und im Jahre 1902-1911 durch einen Neubau ersetzt werden. Die Oberkirche ist nicht beheizbar und dient als Sommerkirche, während die Unterkirche eine Winterkirche ist. 1909 wurden die Wände der Oberkirche mit Bildern geschmückt, die Kopien der Gemälde Viktor Michajlovič Vasnecovs (1848-1926) in der Kiever Vladimirkathedrale sind: Die heilige Olʼga, der heilige Vladimir, die Taufe der Russischen Lande, russische Bischöfe. In den 1930er Jahren wurde versucht, die Kirche zu sprengen, doch die Mauern waren festgefügt. So wurde das Gebäude als Stadtarchiv genutzt. Ende der 1980er Jahre wurde es restauriert. 2007 wurde die Kirche den Gläubigen zurückgegeben und die Gebeine des seligen Ioann (Kotelʼskij; 1773-1850), eines Toren um Christi willen, wurden in sie übertragen. In der Kirche ist auch das Grab der Klostervorsteherin Agnija (Teplova; 1822-1900), die sich um den Bau der Kirche verdient machte. Die Kuppeln der Kirche sind schwarz zum Zeichen, daß dies eine Klosterkirche ist.

Daneben steht die Verklärungskirche, die 1776 bis 1842 an der Stelle der Nikolauskirche auf dem Platz aus dem 17. Jahrhundert entstand. Die Farbe ihrer Fassade ist gelb. Das größte Heiligtum der Verklärungskirche ist die Ikone des heiligen Nikolaus von Tula, die im 16. Jahrhundert „aufgefunden“ wurde.

Von den Gebäuden des ehemaligen Frauenklosters zum Entschlafen der Gottesgebärerin, das zuerst 1649 urkundlich erwähnt wurde,  ist außer diesen beiden Kirchen nichts erhalten, da sie teils in den 1930er Jahren und teils im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden.

Das Geistliche Seminar in Tula wurde 1801 gegründet, nachdem lange über den schlechten Bildungsstand russsicher Priester diskutiert worden war. Siehe Ioann Stefanovič Beljustin (1819-1890), Описание сельского духовенства в России, Leipzig 1858; Description oft he Clergy in Rural Russia. The Memoir of a Nineteenth Century Parish Priest, Ithaca 1992.

1918 wurde das Seminar geschlossen und konnte im Jahre 2000 wieder eröffnet werden, Die Dreieinigkeitskirche, eingerichtet 1829, die ebenfalls 1918 geschlossen worden war, konnte im Jahre 2006 neu geweiht werden und zwar der Weisheit Gottes (Sophia).

Jasnaja Poljana (Helle Waldlichtung), 14 km südwestlich von Tula, war das Gut des Schriftstellers Lev Nikolaevič Tolstoj (1828-1910). Wir besichtigen sein Arbeitszimmer. Da er kurzsichtig war, schrieb er, auf einem niedrigen Schemel sitzend. Um seine Spielschulden zu bezahlen, mußte er 1854 den repräsentativen Mittelteil des Hauses verkaufen. Der Erwerber ließ den Trakt abbauen und im Dorfe Dolgoe, sechs km westlich von Tula, wieder aufbauen. Bereits sein Vater hatte das Elternhaus Tolstojs verspielt, das alte Gut Volkonskij auf diesem Gelände.

Tolstoj richtete 1853 eine Schule für Bauernkinder ein, die aber von der Zensur geschlossen wurde unter dem Vorwand, er verbreite aufklärerisches und staatsgefährdendes Gedankengut.

1862 heiratete er Gräfin Sófʼja Andréevna Behrs (1844-1919), die Tochter eines deutschstämmigen Arztes in Moskau. Sofʼja verfertigte die Reinschrift seiner Werke für die Zensur, für die Herausgabe beim Verlag, für das eigene Archiv und für Freunde. Sie mußte den großen Roman „Krieg und Frieden“ siebenmal ganz abschreiben. Sie war sechzehnmal schwanger, hatte drei Fehlgeburten und brachte dreizehn lebende Kinder zur Welt, von denen acht das Erwachsenenalter erreichten.

Tolstoj strebte nach einem einfachen Leben, verschenkte vieles, auch die Druckrechte für eine Erzählung, während Sofʼja Tolstája die große Familie ernähren und kleiden sowie zusätzlich noch zahlreiche Gäste bewirten mußte.

o   Tolstaja, Sofja Andrejewna, Tagebücher 1898-1910, übersetzt von Johanna Renate Döring-Smirnov, und Rosemarie Tietze, Frankfurt am Main 2018.

Im Winter wohnte die Familie in ihrem Haus in Moskau und im Sommer hier in Jasnaja Poljana.

Tolstoj stand häufig an der Straße vor seinem Haus und unterhielt sich mit Wallfahrern, die zum Höhlenkloster in Kiev oder gar nach Jerusalem pilgerten. Sie gingen barfuß, waren gegen Kälte, Hitze, Nässe oder Wind kaum geschützt und verfügten nur über einen kleinen Beutel als Reisegepäck.

Er besaß eine Bibliothek mit 20.000 Bänden, darunter waren die hebräische Bibel, Kirchenväter, Werke von Jan Hus und Emanuel Swedberg (Swedenborg, 1688-1772, Vera christiana religio, London 1771; Die wahre christliche Religion, 3 Bände, Stuttgart 1857), Robert Hunter (1874-1972), Poverty, London 1904; M. K. Gandhi, An Indian Patriot in South Africa, London 1909, sowie historische und literarische Werke.

Morgens um 7.30 Uhr ging er spazieren oder ritt aus. Nach der Rückkehr ins Haus trank er eine Tasse Kaffee und arbeitete dann bis 14.00 oder 15.00 Uhr.

Er hatte Kontakt mit Henry David Thoreau (1817-1862), der 1849 einen Essay über The Resistance to Civil Government geschrieben hatte, später umbenannt in: Civil Disobedience, und mit Mohandas Karamchand (Mahatma – Große Seele) Gandhi (1869-1948), welcher den passiven Widerstand gegen menschenverachtende Maßnahmen einer Regierung lehrte und praktizierte.

Die Russische Orthodoxe Kirche stellte am 24. Februar 1901 fest, Tolstoj habe sich von ihr getrennt, weil er die Lehre von der Dreieinigkeit, von der Gottessohnschaft und Auferstehung Christi, von der immerwährenden Jungfräulichkeit der Gottesgebärerin Maria und von der Realpräsenz Christi im eucharistischen Wein und Brot sowie die Wunder Christi leugne.

Am 23. Juni 1909 schenkte ihm die Moskauer Panslavische Gesellschaft Slavija ein Bild, das Jan Hus darstellt, wie er mit einer Krone auf dem Kopf am 6. Juli 1415 während des Konzils in Konstanz verbrannt wird, wobei ein Engel ihn stärkt.

 

Quelle: Wikipedia

 

Wir sahen das einfache Grab Tolstojs am Waldrand.

1928-1958 entstand eine Werkausgabe in neunzig Bänden. Im Jahre 2017 wurde eine hundertbändige Ausgabe seiner Werke in 120 Büchern angekündigt.

Что написано пером, того не вырубишь топором“ (Was mit der Feder geschrieben wurde, kann man nicht mit der Axt zerhauen).

Befremdlich fand ich das vehemente Schimpfen eines Reiseteilnehmers, warum wir denn kostbare Zeit sinnlos verplempert hätten, um zu einem Landhaus zu fahren.

o   Borisov, Sergej, Jasnaja Poljana. Herrensitz von Lew Tolstoi. Bildreiseführer, übersetzt von Alexander Kossarew, Moskau 1982.

o   Puzin, Nikolaj Pavlovič, Дом музей. Очерк. Путеводитель. Музей-узадьва Л. Н. Толстого (Museum. Versuch. Reiseführer. Museum des Herrensitzes von L. N. Tolstoj), Tula dritte Auflage 1956; Jasnaja Poljana. Das Tolstoj-Haus. Kurzer Führer, Moskau 1964.

o   Библиотека Льва Николаевича Толстого в Ясной Поляне. Библиографическое описание (Die Bibliothek von Lev Nikolaevič Tolstoj in Jasnaja Poljana. Bibliographische Beschreibung), Moskau und Tula 1972.

o   Ščerbakov, Boris Valentinovič (1916-1995), Здесь жил и работал Лев Толстой (Hier lebte und arbeitete Lev Tolstoj), Moskau 1978.

o   Ясно-Полянская школа; Die Schule von Jasnaja Poljana, Bibliothek der Schulkritiker, Band 1, Wetzlar zweite Auflage 1980.

 

1978 wurde der erste Reaktorblock des Kernkraftwerkes Černóbyl im Norden der Ukraine in Betrieb genommen. Die Lage ist an der Grenze zu Weißrußland, am Ufer des Flusses Pripjat, 140 km nordwestlich von Kiev. Bei den Reaktoren handelt es sich um graphitmoderierte, wassergekühlte Siedewasser-Druckröhrenreaktoren. Am 26. April 1986 wurde unter der Leitung des Ingenieurs Anatolij Stepanovič Djatlov (1931-1995) ein Versuch gestartet, der nachweisen sollte, daß bei Stromabschaltung die Hauptturbine des Blocks 4 sich so lange dreht und genügend elektrische Energie produziert, um die Kühlsysteme mit elektrischer Energie zu versorgen, bis die Dieselgeneratoren anspringen. Um den Versuch durchführen zu können, wurden mehrere Sicherheitssysteme abgeschaltet. Als manuell die Reaktorschnellabschaltung ausgelöst wurde, fuhren viele Steuerstäbe gleichzeitig ein. Der Reaktor des Blocks 4 wurde überkritisch und explodierte.

Apokalyptiker zitierten gleich Offb 8, 10f: „Der dritte Engel blies seine Posaune. Da fiel ein großer Stern vom Himmel; er loderte wie eine Fackel und fiel auf ein Drittel der Flüsse und auf die Quellen. Der Name des Sterns ist Wermut. Ein Drittel des Wassers wurde bitter; und viele Menschen starben durch das Wasser, weil es bitter geworden war.“

Das Problem ist nur, daß das russische černobyl nicht „Wermut“ bedeutet, sondern „Beifuß“. Ganz abgesehen davon, daß der Urtext der Apokalypse nicht russisch, sondern griechisch ist. So werden Bibelverse für den jeweiligen Zweck zurechtgezimmert!

Aufgrund der Furcht vor Verstrahlung gab es in Kiev kaum noch Touristen. Unsere Reisegruppe bekam einen großzügig langen Moskauaufenthalt zugebilligt unter der Bedingung, daß wir auch Kiev besuchten.

Nachts flogen wir 760 km nach Kiev.

Donnerstag, 6. Oktober

Unsere Dolmetscherin Irina liest uns gleich zu Beginn die Leviten: „Sagen Sie den Leuten nicht, sie seien Russen; sie sind nämlich Ukrainer!“

Nach Rußland und Kasachstan ist die Ukraine das drittgrößte Land der Union (es ist so groß wie Frankreich), nach der Bevölkerung das zweitgrößte. Kiev hat drei Millionen Einwohner. Von der Stadtmitte bis zur Stadtgrenze Kievs sind es 25 km.

Die hellblaue Fahne der Flagge deutet auf das Azovsche und das Schwarze Meer. Der 2.201 km lange Fluß Dnepr (Dnipro) verbindet die Ostsee mit dem Schwarzen Meer. Er entspringt in den Valdajhöhen, 200 km westlich von Moskau.

Irina sagt, die Kommunisten seien keine Funktionäre, sondern „Positionäre“. Sie üben keine Funktion aus, sondern kämpfen lediglich um den Erhalt ihrer Position.

Früher hatte man Angst, zur Kirche zu gehen, weil man gesehen werden konnte. Studenten, welche die Kirche besuchten, wurden exmatrikuliert. Früher mußte die Taufe eines Kindes registriert, das heißt, den Behörden gemeldet werden. Das hatte in der Regel negative Konsequenzen. Priester, die sich über dieses Gesetz hinwegsetzten, spendeten die Taufe „ohne Papiere“. Im Park und in der Metro sah ich junge Menschen, welche in der Bibel lasen. Das war früher unmöglich. Es ist wieder üblich geworden, sich zu bekreuzigen, wenn man an einer Kirche vorübergeht.

Die ukrainische Politikerin Valentyna Semenivna Ševčenko (1935-2020) sagte einmal: Die Männer leiten die Welt und die Frauen leiten die Männer.

Taras Hryhorovyč Ševčenko (1814-1861) stammte aus einer Leibeigenenfamilie. Er las die literarischen und philosophischen Werke seiner Zeit und hatte auch ein Talent zum Zeichnen und Malen. Nachdem seine Eltern gestorben waren, wurde er Kammerdiener beim baltischen Großgrundbesitzer und Offizier Pavel Vasilʼevič Engelhardt/Ėngelʼgardt (1798-1849). In den Pausen seines Dienstes malte Taras die Lithographien des Hauses ab, wofür ihn sein Dienstherr auspeitschen ließ. Dennoch war er stolz, einen leibeigenen Künstler zu besitzen und nahm ihn bei seinen Reisen mit. In St. Petersburg lernte Ševčenko Russisch, Polnisch und Französisch und beschäftigte sich mit Malerei, Theater und Literatur. Seine künstlerischen Freunde veranstalteten eine Lotterie, um 2.500 Rubel zu sammeln, den Preis für seine Freilassung aus der Leibeigenschaft.

Er trug entscheidend zur Gestaltung der heutigen ukrainischen Literatur bei. Seine ersten acht Gedichte erschienen 1840 in St. Petersburg unter dem Titel „Kobzar“. Der Kobzar war ein Barde, der die Schalenhalslaute Kobza spielte. Dieses Musikinstrument hat sechs Darmsaiten und wird gezupft. Inhaltlich geht es in diesen Gedichten um Liebessehnsucht, um die Fremde und um den Tod.

Da er sich der Kyrill-und-Method-Bruderschaft angeschlossen hatte, die revolutionäre Ansichten vertrat, wurde er 1847 verhaftet und als einfacher Soldat nach Orenburg verbannt. Er wurde denunziert, gegen das Verbot gemalt und gedichtet zu haben und wurde 1850 erneut verhaftet und an das Kaspische Meer verbannt. 1857 wurde er begnadigt und erhielt die Auflage, in Nižnij Novgorod zu wohnen. 1858 durfte er nach St. Petersburg und 1859 in die Ukraine. Dort wurde er allerdings wiederum verhaftet und nach St. Petersburg zurückgeschickt. 1861 litt er an Angina pectoris und starb im Alter von 47 Jahren.

o   T. Ševčenko, Кобзар Kiev 1994.

o   T. Ševčenko, Собрание сочинений, 5 Bände, Moskau 1964f.

o   T. Ševčenko, Ausgewählte Gedichte, Viersen 1994.

 

Wer Ševčenko nennt, muß auch von Grigórij Sávvič Skovorodá (1722-1794) berichten. Er wurde in Čornúchy, Gouvernement Kiev, als Sohn eines Kosaken geboren. Nach dem Besuch der Dorfschule wurde er 1734 in die berühmte Mohyla-Akademie in Kiev aufgenommen. 1741-1744 war er Sänger am Hofchor des Zaren in St. Petersburg. 1745-1750 war er als Begleiter diplomatischer Missionen in Österreich, Ungarn und der Slowakei. 1751 veröffentlichte er sein erstes Buch: Разсуждение о поэзии и руководство к оной (Erwägung über die Poesie und Anleitung zu derselben), In diesem Buch schlug er vor, die individuelle Begabung der Schüler zu fördern. Gelernt hatte er dies von Johann Amos Segeš (Comenius; 1592-1670). Dies stand in krassem Gegensatz zu den Erziehungsmethoden seiner Zeit, die bedingungslosen Gehorsam und mechanisches Nachsprechen des Vorgetragenen forderten. 1753 war er Lehrer der Poetik am Kolleg in Perejaslav. Daraufhin distanzierte sich sein Arbeitgeber, Bischof Nikodim (Srebnickij; 1751), Bischof von Perejaslav, von ihm und Skovoroda wurde aus dem Mohyla-Kolleg entlassen. 1755 war er im Dreieinigkeits-Sergij-Kloster, von 1756 bis 1759 arbeitete er als Hauslehrer in der Familie eines Gutsbesitzers in Kovraj bei Zolotonóša im Zentrum der heutigen Ukraine und dann am Kolleg in Charkiv. Dort gab er im Schuljahr 1759/1760 einen Kurs in Ethik. Da er aber nicht Mönch werden wollte, mußte er das Kollegium verlassen. Er wurde erneut eingestellt, diesmal als Griechischlehrer (September 1762 bis Juni 1764) und wiederum entlassen, da er zahlreiche Schüler um sich versammelt hatte, was dem Bischof Porfirij (Krajskij; 1707-1768) von Belgorod nicht gefiel. Er wurde ein drittes Mal ins Kollegium aufgenommen, um dort Katechese (Vermittlung der Glaubenslehre) zu unterrichten (1768 bis zum Frühling 1769), aber entlassen, da Metropolit Samuil (Mislavskij; 1731-1796) von Belgorod der Meinung war, ein Laie (Nichtpriester) dürfe nicht Katechese dozieren.

„In Einsamkeit bin ich nicht allein, untätig bin ich tätig, in Abwesenheit gegenwärtig, bei einem Unfall unverletzt, in Sorge zufrieden.“ (Brief aus Charʼkov/Charkiv an Mychajlo Kovalynskij vom 25. Juni 1867, London 2016, 138f).

Ein Traum, den er bereits im November 1758 in Kavray gehabt hatte, bewog ihn, nunmehr alles Materielle hintanzulassen. Im Alter von 47 Jahren entschloß Skovoroda sich zu einem Leben als Wanderphilosoph, das er 25 Jahre lang führte. Er schrieb unter anderem den Garten göttlicher Lieder (1757) und die Einführung zur christlichen Ethik (1769-1780) sowie im Jahre 1776 sein Werk allegorischer Bibelauslegung: Книжечка, называемая Silenus Alcibiadis, сирѣчь икона Алкивiадская (Израильскiй змiй).

Bereits dieser Titel ist erklärungsbedürftig. Wörtlich übersetzt lautet er: „Büchlein, genannt Silenus Alcibiadis, das heißt die Ikone des Alkibiades (Die Israelische Schlange).“

Salopp gefragt: Alles klar? Die Antwort lautet: Nein.

Skovoroda läßt den Leser lange warten, bis er den Titel dieses Werkes erklärt. Erst im letzten, dem 17. Kapitel (предел), gibt er Hinweise. Da sie seine Art des Denkens illustrieren, seien sie hier dargelegt.

Bei einem Gastmahl soll der betrunkene Alkibiades ebenfalls, wie die anderen vor ihm, eine Rede über den Eros, die Liebe, halten. Er verwendet ein Bild (εἰκών) und sagt, Sokrates gleiche äußerlich einem Silen, einem Satyr im Gefolge des Dionysos: Seine Reden erscheinen bei oberflächlichem Zuhören lächerlich und eintönig. Wer sich aber auf diese Aussagen einläßt, wird ergriffen sein und spüren, daß es hier um Göttliches geht.  (Platon, Symposion 212c-222b, geschrieben um 380 vor Christus).

Wer Skovorodas Werke oberflächlich überfliegt, wird sie als Sammelsurium verschiedener unzusammenhängender Versatzstücke empfinden. Wer sich aber auf seine Aussagen einläßt, spürt das Feuer der Mystik.

Mit dem Bild der Schlange hat es folgende Bewandnis. Hier wird deutlich, wie Skorovoda die Bibel auslegt.

Das erste Zeichen vor dem Pharao ist der Stab, der zur Schlange wird (Ex 7, 10). „Die Schlange aber war klüger als alle anderen Tiere“ (Gen 3,1). Moses erhöhte die Schlange, damit Israel nicht sterbe (Num 21, 8f). Ebenso sagt die Schlange des Evangeliums: „Wenn ich erhöht bin von der Erde“ (Joh 3,14), „werde ich alles an mich ziehen“ (Joh 12, 32).

Bei dem Symbol der Schlange geht es also darum, verborgene Weisheit zu entdecken. Dies steht in einem Kontext der Bedrohung, daher geht es um Rettung, Erlösung und Befreiung.

In diesem Werk sinnt Skovoroda über den Urgrund nach: ἀρχή, начало – Anfang, Beginn, Anfangspunkt, Ursprung, Ursache, erste Verursachung, Prinzip, Element. Die Aufgabe des Menschen sei es, zu diesem Urgrund zu streben und sich von ihm läutern und erleuchten zu lassen, um zur Wahrheit und zur Versöhnung zu gelangen. Dabei verwendet er den Begriff acumen, der, wörtlich übersetzt, Scharfsinn bedeutet. Er versteht ihn als die Fähigkeit, Verbindungen wahrzunehmen. Das Emblem weist über sich selbst hinaus, das Symbol macht auf die Tiefe und Fülle des Seins aufmerksam.

Skovoroda übersetzte Abschnitte aus den Moralia Plutarchs und aus Ciceros Traktat De senectute ([Cato der Ältere,] Über das Alter).

Skovoroda war Gast bei seinen zahlreichen Freunden, die ihn nährten, kleideten und sorgfältig seine Manuskripte sammelten. Während seiner Lebenszeit wurden seine Werke wegen der kirchlichen Zensur nicht gedruckt. Sie konnten erst ab1861 erscheinen. Seine exegetischen Werke hielt die Zensur zurück; erst 1912 wurden sie gedruckt. Einige Manuskripte gingen leider verloren. Seine Philosophie hatte als Quellen den Neuplatonismus, die Stoa, die Bibel, die Kirchenväter und die Mystik. Seine Gedanken sind frei und von keiner Konfession abhängig.

Er spielte Querflöte sowie Geige und komponierte Musikstücke. Er verfaßte seinen eigenen Grabspruch: Мир ловил меня. но не поймал (Die Welt jagte mich, konnte mich aber nicht ergreifen).

o   Skovoroda, Grigorij Savvič, Сочинения, St. Petersburg 1861.

o   Skovoroda, Grigorij Savvič, Собрание сочинений, Band 1, Материалы к истории и научению сектантства и старообрядчества, Band 5, herausgegeben von Vladímir Dmítrievič Bonč-Bručévič (1873-1955), St. Petersburg 1912.

o   Skovoroda, Grigorij Savvič, Повне зiбрання творiв, herausgegeben von Volodýmyr Ilariónovyč Šynkarúk (1928-2001), 2 Bände, Kiev 1973.

o   Hoggan-Kloubert, Tetyana, Hryhorij Skovoroda – „ein ukrainischer Sokrates“ mit Skovorodas „Narziss“, übersetzt von Veronika Jeremowa, Königsdorf 2020.

o   The Complete Correspondence of Hryhory Skovoroda Philosopher and Poet, übersetzt von Eleonora Adams und Michael M. Naydan, herausgegeben von Liliana M. Naydan, London 2016.

o   Erdmann-Pandžić, Elisabeth, Bemerkungen zu Leben und Werk von H. S. Skovoroda, in: Zeitschrift für Slawistik 35 (1990), Nr. 5, 645-653.

o   Vozdvizhensky, Vadim, In Search of Gregory Skovorodaʼs Motivation, in: Across Borders. Literatures in Dialogue 17 (2018), Nr. 21/22, 137-149.

 

Bei den ersten Prüfungen an der 1833 gegründeten Kiever Universität waren die Ergebnisse so miserabel, daß der Großfürst die Außenwände rot streichen ließ, mit der Bemerkung, sie schämten sich wegen dieser Fehlleistung.

Der Hintergrund dieser Anekdote ist, daß die Universität die Russifizierung in der Ukraine vorantreiben sollte. Daß sich die Studenten dagegen wehrten, ist begreiflich.

In Wirklichkeit war die Ausbildung in Kiev so gut, daß Metropoliten von dort in Rußland eingesetzt wurden, etwa Dimitrij Tuptalo (1651-1709), der die Eparchie (Diözese) Rostov leitete, oder Stefan Javorskij (1658-1722), der Metropolit von Rjazanʼ und Murom sowie Präsident des Heiligsten Sinods wurde, außerdem Feofan Prokopovič (1681-1736), Erzbischof von Novgorod und Vizepräsident des Heiligsten Sinods.

Der Grund dafür war, daß Archimandrit Petru Movilă / Petro Mohyla (1596-1647) eine Klosterschule im Kiever Höhlenkloster einrichten ließ, in der in lateinischer und polnischer Sprache nach dem Vorbild der Jesuitenschulen unterrichtet wurde. Sie entwickelte sich zu einer berühmten Akademie.

An der Einstiegsstelle zur Metro werfe ich eine Fünf-Kopeken-Münze ein. Ich fahre bis zur Haltestelle Arsenalʼna. Sie ist mit 105, 5 m unter der Erdoberfläche die tiefstgelegenste Station einer Untergrundbahn in der Welt. Als ich an der Aufwärtstreppe einen Milizionär frage, wie ich zum Höhlenkloster kommen kann, brüllt er mich an: „Was wollen Sie dort?“

Ich gehe den Weg mit den Gläubigen, vorbei am Kassenhäuschen, dessen Eintrittskartenverkäufer mich mißtrauisch beäugt, was ich natürlich nicht bemerke. Um die Nahen und die Fernen Höhlen besuchen zu können, muß ich eine Kerze kaufen, da unten kein elektrisches Licht ist. Ich mache die vorgeschriebenen Kreuzzeichen mit drei Fingern von rechts nach links und werde zu den Heiligtümern zugelassen. Der Gang des Pilgers durch diese Höhlen ist eine geistliche Seelenreise.

Antonij (983-1073) aus Ljubeč (bei Černigov) wollte als Mönch leben, hatte aber keine Lust, in ein Kloster einzutreten, das von Fürsten gestiftet worden war. Nicht Reichtum und Üppigkeit sollten das Fundament eines Klosters bilden, sondern Tränen, Wachen, Fasten und Gebet. Er begann 1030 ein Leben in einer Höhle, die von Varägern gegraben worden war und siedelte 1051 in eine Höhle um, die Ilarion in Berestovo angelegt hatte.  Als sich ihm Brüder anschlossen, welche wie er diese Lebensart führen wollten, wurden die sogenannten Fernen Höhlen gegraben, da sie weiter vom späteren Zentrum des Höhlenklosters entfernt waren. Er bestimmte einen von ihnen namens Varlaam zum Vorsteher der Gemeinschaft und Antonij selber zog sich in eine Höhle zurück, die später Teil der Nahen Höhlen wurde. Im Jahre 1064 wurde Feodosij (um 1036-1074) aus Kursk Klostervorsteher. Antonij war die meiste Zeit seines Lebens Eremit, während Feodosij die koinobitische (gemeinschaftliche) Lebensweise einführte. Weitere kleine und große Höhlen wurden in das weiche Gestein gegraben, eine Kirche und Gemeinschaftsräume angelegt. Die Höhlen Antonijs und Feodosijs, aber auch des Chronisten Nestor, des Ikonenschreibers Alipij, des Arztes Agapit, der vielleidenden Ioann sowie Moisej und des Toren um Christi willen Isakij besuche ich und bete dort.

Zum Kloster gehören heute 70 Gebäude, darunter die Entschlafenskathedrale, die 1073 zuerst erwähnt, 1941 gesprengt und 1999 bis 2001 wieder aufgebaut wurde.

Warum wurde diese Kathedrale gesprengt? Die damalige offizielle Version war, daß die Deutschen den Befehl dazu gegeben hatten. Immerhin waren sie ja zu dieser Zeit die Besatzungsmacht in Kiev. Ingrid Parigi, Südrußland, Stuttgart zweite Auflage 1983, 45, schrieb dementsprechend:

„Von der ältesten, und, wie man sagt, schönsten Kirche des alten Klosters, der Mariä-Himmelfahrt-Kathedrale (Uspénskij sobor) – um 1078 erbaut – ist nichts mehr erhalten. Sie wurde 1941 von den deutschen Besatzungstruppen gesprengt.“

Günther Schäfer schrieb jedoch aufgrund neuerer Forschungen in seinem Buch „Kiev entdecken“, Berlin 2004, 283:

„Zwei Stunden, nachdem am 3. November 1941 Josef Tiso, der Präsident des unter dem Deutschen Reich stehenden Protektorats Böhmen und Mähren, die Kirche besucht hatte, zerstörte eine ungeheure Dynamitladung das Gotteshaus, von dem nur der barocke Anbau auf der Südseite stehenblieb. Der Attentatsversuch einer sowjetischen Untergrundbewegung war fehlgeschlagen, die Kathedrale und fast alle Kunstschätze gingen dabei verloren. Zerstört wurden auch alle Grabmäler von rund 300 geistlichen und weltlichen Persönlichkeiten, unter ihnen das des heiligen Feodosij, des Metropoliten Petro Mohyla und das Grab von Jevpraksija, der Schwester des Fürsten Volodymyr Monomach, und Ehefrau des deutschen Königs Heinrich IV. sowie viele bedeutende Reliquien wie die wundertätige Ikone und der Schädel des Großfürsten Volodymyr, den Petro Mohyla 1635 von der zerstörten Desjatinkirche hierherbringen ließ.“

Die Auseinandersetzungen um das Kiever Höhlenkloster zeigen einerseits, daß es für alle Ostslaven ein geistlicher Mittelpunkt ist, andererseits aber in den Strudel des verheerenden russischen Angriffskrieges geriet, sodaß die Nutzungsverträge mit den russischen Mönchen gekündigt wurden.

Die Druckerei des Kiever Höhlenklosters wurde 1615 installiert. Sie druckte vor 1917 jährlich dreizehn Millionen religiöse Bücher. 1975 wurde in diesem Gebäudekomplex ein Buchmuseum eröffnet, das heute (2023) über 56.000 Exponate verfügt. Darunter befinden sich Originaldrucke aus dem 16. Jahrhundert. Ältere Bücher und Handschriften liegen in Facsimile vor. Es gibt liturgische und weitere kirchliche Bücher sowie die Werke von Petro Mohyla, Innokentij (Gizelʼ), Lazarʼ Baranovič und Dimitrij (Tuptalo).

Das Wirtschaftstor des Höhlenklosters führt nach Berestovo. Diese Ortsbezeichnung geht auf den Birkenwald zurück, der das Dorf umgab. Hier ließ Fürst Vladimir im Jahre 988 die Apostelkirche erbauen. Der Priester Ilarion grub 1030 in der Nähe der Kirche eine Höhle, die Antonij seit 1051, dem Jahr, in welchem Ilarion Metropolit von Kiev wurde, nutzte. 1072 wird die Erlöserkirche urkundlich erwähnt. Im Jahre 1970 wurde in ihr ein Fresko aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entdeckt, das zeigt, wie Petrus mit zweifelndem und zugleich hoffendem Antlitz in den See springt, um schneller beim Auferstandenen zu sein, der am Ufer des Sees Genezareth auf einem Kohlenfeuer Fische brät (Joh 21, 7.9). In der Kirche befindet sich der Sarkophag, der 1947 für den hier begrabenen Großfürsten Jurij Dolgorukij (1090-1157) anläßlich der Achthundertjahrfeier Moskaus, das er gegründet hatte, aufgestellt wurde.

Im Jahre 980 ließ Fürst Volodymyr (Vladimir, Waldemar) seinen Südpalast bauen, der vergleichsweise klein war und von dem Mauerreste übriggeblieben sind. Im Festsaal ließ er die Vornehmen bewirten. Die Stätte liegt in der Nähe der Andreaskirche, die 1744-1755 an der Stelle der Kreuzerhöhungskirche aus dem Jahre 1212 erbaut worden war.

Die Desjatinkirche lag gleich neben dem Südpalast. Sie wurde 989 bis 996 erbaut an der Stelle, an welcher der Christ Fedir und sein Sohn Ioann gelyncht worden waren, weil Fedir sich geweigert hatte, seinen Sohn dem Gewittergott Perun zu opfern. Fürst Volodymyr gab ein Zehntel seiner Domäneneinkünfte für den Unterhalt des Bischofsitzes ab, daher nannte man die Kirche „Zehntkirche“. Sie besaß sechs Kuppeln, Mosaiken, Fresken und Marmorsäulen. Beim Angriff der Mongolen am 6. Dezember 1240 flüchteten viele Menschen auf das Dach der Kirche, das unter dieser Last zusammenbrach. Es sind nur noch die Fundamente der Kirche und zwei Mosaikfragmente des Bodens erhalten.

Großfürst Jaroslav hatte die Pečenegen 1036 besiegt. Beçeneg ist die alttürkische Bezeichnung für dieses oghusische Volk, das zu den Turkvölkern gehört. Am Ort des Schlachtfeldes ließ Jaroslav 1037 bis 1054 zum Dank für den Sieg die Sophienkathedrale erbauen. Das Vorbild ist die Hagia Sophia, die 532-537 erbaute Kathedrale der Heiligen Weisheit zu Konstantinopel. Christus ist die Weisheit selbst: „Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten für Juden ein empörendes Ärgernis, für Griechen eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (1 Kor 1, 23f). Damit ist die Philosophie, die Liebe zur Weisheit, christianisiert. Vladimir Sergeevič Solovʼëv (1853-1900) entwickelte eine Sophiologie, die allerdings auf die Allheilige Gottesgebärerin zielte.

Der Bau ist großzügig, prächtig und repräsentativ: fünf Schiffe, fünf Apsiden und dreizehn Kuppeln (Christus und die zwölf Apostel). Die Kirche ist 45 m lang, 45 m breit und 29 m hoch. Der Altarraum ist groß, es gibt zwei Galerien, die Kirche ist reich mit Fresken und Mosaiken ausgestattet. In der Kiever Sophienkirche fanden Empfänge für Fürsten und ausländische Gesandtschaften statt, hier wurden Staatsverträge unterzeichnet und Synoden abgehalten, Fürsten wurden hier gekrönt und nach ihrem Tode beigesetzt. An die Kirche wurden verschiedene Räume angebaut: Die Residenz des Metropoliten, eine von Mönchen geleitete Schule, ein Archiv, eine Bibliothek und das Scriptorium, in dem Chroniken geführt, Bücher abgeschrieben und ins Slavische übersetzt wurden. Nach Zerstörungen durch die Mongolen und die Krimtataren wurde die Kirche von 1685 bis 1707 im ukrainischen Barockstil rekonstruiert. 1934 wurde der Komplex zum Museum deklariert; dadurch blieb ihm ein Abriß erspart. Es ist fast ein Wunder, daß so viele Fresken (3.000 qm) und Mosaiken erhalten geblieben sind und daß der Innenraum seinen byzantinischen Charakter im Wesentlichen bewahren konnte. Von 640 Quadratmetern der Mosaiken sind 260 erhalten. Die Fresken haben 177 unterschiedliche Farbtönungen und zeigen neben religiösen Themen auch Abbildungen der Fürstenfamilien, das Leben am Hof, die Bärenjagd, Dompteure, Musiker, Tänzer und Gaukler, das Pferderennen in Konstantinopel, stellen also die gesamte Welt mit all ihren Aspekten dar. Leider sind nur wenige Fresken im ursprünglichen Zustand erhalten. Die Gestalt des Pantokrators, des wiederkehrenden Allherrschers, in der Kuppel ist umgeben von den vier Erzengeln: Michael, Gabriel, Raphael und Uriel. Darunter befinden sich die Mosaiken der zwölf Apostel. In den Bogenecken die vier Evangelisten. An dem Pfeilern des Triumphbogens ist Gabriel dargestellt, wie er der Jungfrau Maria verkündet, daß sie einen Sohn gebären wird (Fest am 25. März), die Darstellung der Inkarnation Gottes in einem Menschen.

Am beeindruckendsten ist die Orantin in der Apsis aus dem 11. Jahrhundert. Das Mosaik ist sechs Meter hoch. Sie stellt die betende Kirche dar, zugleich die Heilige Weisheit. Sie wird auch Unzerstörbare Mauer genannt, da diese Mauer beim Überfall der Mongolen im Jahre 1240 stehenblieb. Der Ausdruck geht auf die unzerstörbare Stadt zurück, die in Ps 45, 6 genannt wird.

Links und rechts des Kopfes steht: ΜΡ ΘΥ – Mutter Gottes. Auf dem Dritten Ökumenischen Konzil von Ephesos (431) wurde definiert, daß Maria θεοτόκος – Gottesgebärerin ist.

Was das kleine Tuch bedeutet, das sie am Gürtel hängen hat, konnte mir keine der Reiseleitungen erklären; es sei ein Gebetsteppich oder ein Altartuch, wurde gerätselt. Tatsächlich handelt es sich um eine weiße Mappula, die mit zwei goldenen Bändern bestickt ist und unten Fransen hat. Sie ist oben nur lässig in den Gürtel eingehängt. Eine Mappula ist ein Vortuch (eine Serviette), welche die Gäste selber mitbringen mußten. Zu diesen Gastmählern waren nur die Vornehmsten geladen. Somit stellt dieses kostbar gearbeitete Tuch, ungeachtet seines profanen Zweckes, ein Dignitätszeichen dar.

 

Quelle: Wikipedia

 

Der Gesamteindruck dieser Orantin ist bewegend. Ich habe jedesmal einen anderen Eindruck, wenn ich das Mosaik kurz vor der Ikonostase, von der Mitte des Raumes, von der Rückwand oder von der höheren Galerie aus ansehe. Die Mosaiksteinchen funkeln. Es geht eine Gegenwart (Präsenz) von dieser Darstellung aus, eine Kraft und eine starke Ausstrahlung.

In der Ikonostase ist eine Ikone der Weisheit (Sophia), symbolisiert durch die allheilige Gottesgebärerin. Sechs Stufen führen zu ihr hoch: Hoffnung, Liebe, Lauterkeit, Bescheidenheit und Gnade. Denn auf sechs Stufen stieg man zum Throne Salomons empor (1 Kön 10, 19). Die Salomonische Weisheit ist sprichwörtlich, siehe die drastische Methode, die König Salomon anwandte, um herauszufinden, welches Kind welcher Mutter gehörte (1 Kön 3, 25). Über der Ikone steht: „Die Weisheit hat ihr Haus gebaut“ (Sprüche Salomons 9, 1).

Als ich bei einer späteren Reise wieder einmal hier war, fand ich vor dem Glockenturm der Kirche (1699-1706 errichtet) das Grab des Patriarchen Volodymyr (Romamjuk; 1925-1995), der sich 1992 vom Moskauer Patriarchat getrennt und das Kiever Patriarchat gegründet hatte. Er sollte innerhalb der Sophienkathedrale bestattet werden. Da die Behörden den Trauerzug aufhielten, grub man kurzerhand an Ort und Stelle ein Grab.

Das Himmelfahrts-Florivskij/Florovskij-Frauenkloster, das um 1500 im Kiever Stadtteil Podil (Unterstadt der Handwerker, Händler und Fischer) erbaut wurde, ist neben der Himmelfahrt Christi auch den heiligen Florus und Laurus geweiht. Sie waren Steinmetze, errichteten einen heidnischen Tempel, den sie aber dann mit einem Kreuz ausstatteten. Sie starben für ihren Glauben. An ihrem Todestag endete eine Pferdepest, daher werden sie stets mit Pferden dargestellt und als Patrone der Pferdezucht verehrt.

Das Florovskijkloster geriet 1811 in Brand Vierzig Schwestern, die Kirchenschätze retten wollten, starben an Rauchvergiftung. Das Kloster wurde neu errichtet, jedoch im Jahre 1929 geschlossen. 1934 wurde die Dreieinigkeitskirche abgerissen. Da Stalin die Unterstützung der Kirche für den Krieg gegen das Deutsche Reich brauchte, durfte das Kloster 1941 wieder geöffnet werden. Die Auferstehungskirche wurde in diesem Winter (1987/1988) renoviert. In ihm leben 55 Schwestern. Die Zahl verdreifachte sich in den folgenden Jahren. Hegumenin Antonija (Filʼkina; 1934-2018) war seit 1985 Klostervorsteherin. Die Schwestern stehen morgens um vier Uhr auf, verrichten ihre Gebetsregel und nehmen von sieben bis elf Uhr an der Göttlichen Liturgie teil, danach essen sie. Nach einer Zeit der Arbeit (Stickarbeiten, Ikonenschreiben) folgt um 16.30 Uhr die Vesper. Während der Arbeit verrichten die Schwestern das Herzensgebet. In der Ukraine gibt es im Jahre 1988 zwölf Frauenklöster. 2021 gibt es insgesamt 399 Frauen- und Männerklöster.

Die Ikonen der Ikonostase schufen die Schwestern im Stile des 19. Jahrhunderts. Das Jüngste Gericht wird in dieser Kirche nicht dargestellt. „Man soll es in der Seele bewahren“, sagte die Hegumenin. An seiner Stelle ist die allheilige Gottesgebärerin im Unverbrennbaren Dornbusch dargestellt. Das geht auf das Erlebnis Moses in Midian zurück: „Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht“ (Ex 3, 2). Dies wird auf die allheilige Gottesgebärerin bezogen, welche die Gottheit in sich aufnahm, ohne zu sterben. Die Ikone zeichnet den geistlichen Weg des Menschen vor, der sich mit Gott verbindet.

Die Vladimirkathedrale wurde 1862 bis 1882 erbaut. Die Querbögen konnten aber das Gewicht der oberen Teile nicht halten, sodaß Strebemauern eingebaut werden mußten. Da die Innenausmalung lange dauerte, konnte die Kirche erst 1896 eingeweiht werden. Es handelt sich bei dem eklektizistischen Bau um ein Gemisch aus pseudobyzantinischem Stil, aus alten Bauelementen der Kiever Rusʼ und aus dem Russischen Stil der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie ist 49 m hoch und hat sieben vergoldete Kuppeln

1934 wurde in der Kathedrale das Museum des Atheismus untergebracht, danach war der Kirchenraum Behördenarchiv und schließlich Buchlager der Pädagogischen Hochschule. Ab 1944 durfte sie ab und an auf Antrag für eine Liturgie genutzt werden. 1992 wurde sie der Kirche zurückgegeben.

Die Gläubigen küssen die Bronzereliefs der Eingangsportale, auf denen die heilige Olʼga und der heilige Vladimir dargestellt sind. Die Abbildungen sind mit frischen Blumen geschmückt.

Beeindruckend sind die Gemälde Viktor Michajlovič Vasnecovs (1848-1926): Die heilige Olʼga, der heilige Vladimir, die Taufe der Russischen Lande, russische Bischöfe.

Quelle: Wikipedia

 

Monumental ist das Bild in der Apsis: Unten die Göttliche Liturgie und darüber Maria mit dem Jesuskind, das seine Arme ausstreckt, als wolle es die ganze Welt begrüßen. Dies ist das Gegenbild zur Orantin in der Sophienkathedrale.

 

Entwurf zum Apsisbild; Quelle: Wikipedia

 

Hier ist Maria menschlich, sehnsüchtig, zerbrechlich, gleichsam hilfeheischend und zugleich erbarmungsvoll dargestellt, dort ist sie hoheitsvoll, hieratisch und machtvoll. Neunhundert Jahre liegen zwischen den beiden Darstellungen!

 

Quelle: Wikipedia

 

Vasnecov malte auch die Heiligen am Südaltar, die Propheten am Nordaltar, den Pantokrator in der Hauptkuppel sowie Boris und Gleb und den Chronisten Nestor an den Pfeilern. Feodosij vom Kiever Höhlenkloster, Basileios der Große, Johannes Chrysostomos, Gregorios von Nazianz und Gregorios von Nyssa.

Von Michaíl Vasílʼevič Nesterov (1862-1942) stammen: Die Geburt, Taufe und Auferstehung Christi. Michail Aleksandrovič Vrubelʼ (1856-1910) schuf die Skizze für die Ikone des heiligen Georgs des Drachentöters.

In der Kirche sind die Reliquien der heiligen Barbara von Nikomedien, der ihr eigener Vater zunächst die rechte Hand und dann das Haupt abschlug, weil sie sich als Christin bekannt hatte, und des heiligen Makarij (Čërt), Metropoliten von Kiev, der 1497 in einer weißrussischen Kirche von Krimtataren ermordet wurde, als er auf dem Weg von Wilna nach Kiev war.

Um 17.00 Uhr wird die Vesper gefeiert. Danach zieht eine Prozession von Priestern zum Altar des heiligen Makarij. Dort wird der Hymnos Akathistos gesungen, dem stets stehend beigewohnt wird (a-kathistos bedeutet „nicht sitzend, α-privativum). Manche Anrufungen der Lauretanischen Litanei stammen aus diesem Hymnos: Königin des Friedens, Sitz der Weisheit, Mutter der Barmherzigkeit.

Das Magdeburger Stadtrecht geht in seinen Anfängen auf das Jahr 1188 zurück. Der litauische Großfürst Vytautas verlieh der Stadt Kiev in den Jahren 1492 bis 1497 dieses Recht. Der Vorteil war, daß sich eine Stadt des Magdeburger Rechts selbst verwalten konnte, anstatt einem Feudalherrn unterstellt zu sein. Der Magistrat setzte Richtlinien für Straftaten fest und verwaltete den Haushalt der Stadt. Zarin Katharina II. die Große (Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst; 1729-1796) nahm der Stadt Kiev das Magdeburger Recht, doch 1798 gab es Zar Pavel I. Petrovič (1754-1801) wieder zurück. Als Zar Aleksandr I. Pavlovič (1777-1825) nach der Ermordung von Zar Pavel I. im Jahre 1801 Zar wurde, beschlossen die Bürger, auf eigene Kosten ein Denkmal aufzustellen, um an das Magdeburger Stadtrecht zu erinnern. Die mit einem Kreuz überhöhte Säule wurde in den Jahren 1802 bis 1808 errichtet. Im Unterbau befindet sich eine Kapelle, da die Säule an der Stelle steht, an der Fürst Vladimir seine zwölf Söhne taufen ließ.  Leider verlor Kiev 1825 diese Rechte. In der Zeit der atheistischen Regierung wurde das Kreuz auf der Säule entfernt und die untere Kapelle zerstört. Erst 1999 konnte sich Kiev wieder selbst verwalten. Das Denkmal wurde wiederhergestellt. Es ist das einzige Denkmal für das Magdeburger Stadtrecht in der ganzen Welt.

Freitag, 7. Oktober Gedenktag der apostelgleichen Thekla

Während der Liturgie in der Vladimirkathedrale, von Vater Ioann gefeiert, beichten fünfzig Gläubige und empfangen die Heiligen Geheimnisse. Als bei der anschließenden Wasserweihe das Evangelium verlesen werden soll, beugen einige Gläubige ihr Haupt, der Priester legt ein Epitrachil (Stola) auf und darauf das Evangeliar. In einer Seitenkapelle werden Kiever Torten gesegnet. Dabei spendet der Priester ausgiebig Weihwasser, sodaß die Torten durchnäßt werden.

Vater Ioann erklärt: Die Bilder in dieser Kirche sind Gottes Wort in Farbe. Wir suchen das Urbild der Ikone in unserer eigenen Seele. Wenn wir unsere Seele öffnen, kommen wir der Schönheit der Ewigkeit näher.

Am Samstag werden hundertundfünfzig Kinder getauft. Vater Michail sagt, es sei wichtig, die Gebete ruhig und leise zu sprechen. Wenn nämlich das erste Kind erschrickt und schreit, schreien auch alle anderen mit. Manchmal wissen die Mütter selbst nicht, ob sie in der Kindheit getauft wurden, da die Taufe ja geheimgehalten werden mußte. In diesem Falle gibt es besondere Gebete für Eltern und Kinder.

Florenskij und Losskij seien führende theologische Kapazitäten, sagt Vater Ioann. Pavel Aleksandrovič Florenskij (1882-1937) reüssierte 1908 mit seiner Dissertation: Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit (in Moskau 1914 veröffentlicht). Er brachte frischen Wind in eine festgefahrene Theologie, indem er die Naturwissenschaften miteinbezog. Gegen den Kantschen Agnostizismus setzte Florenskij im zweiten Brief seiner Arbeit die Erkenntnis der Wahrheit, die dem Menschen geschenkt wird. Das Wort „Wahrheit“ ist im Slavischen ontologisch (истинаесть), im Griechischen gnoseologisch (ἀλήθεια), im Hebräischen historisch (אמת) und im Lateinischen juridisch (veritas). Es handelt sich um vier verschiedene Zugänge zur Wahrheit. Der Slave stellt sich die Wahrheit als atmend vor, da sie für ihn seinshaft ist. Die Wahrheit, das Gute und die Schönheit hängen zusammen. Die Liebe hat eine transzendente Quelle und strebt nach Ewigkeit.

Vladimir Nikolaevič Losskij (1903-1958) ist durch seinen Essai über die mystische Theologie der Ostkirche bekanntgeworden (Paris 1944). Leider prägte er das Schema: „rationalistische Scholastik des Westens und mystische Theologie des Ostens“, das seither durch zahlreiche Publikationen geistert. In Wirklichkeit gibt es auch Scholastik in der orthodoxen Theologie (Photios, Feofan Prokopovič) und Mystik im Westen (Meister Eckhart, Teresa von Ávila).

Auch Bulgakov werde hier studiert, fügt Vater Ioann hinzu. Sergej Nikolaevič Bulgakov (1871-1944) war Professor für politische Ökonomie in Kiev, Moskau und Simferopol. Er war zunächst Marxist, wandte sich aber dann unter dem Einfluß der Philosophen Vladimir Solovʼëv und Pavel Florenskij zum Christentum. 1918 wurde er in Moskau zum Priester geweiht und 1922 des Landes verwiesen. In Paris wurde er Professor für Dogmatik und Dekan des Instituts für orthodoxe Theologie Saint Serge. Seine Sophiologie wurde 1935 vom Moskauer Patriarchatsverweser Sergij I. (Stragorodskij; 1867-1944) als nicht orthodox verurteilt. Ich persönlich (HMK) schätze sehr sein christologisches Werk Агнец Божий (Das Lamm Gottes), das er 1933 in Paris veröffentlichte. Ich habe darüber in meinem Buch: Das Leben spendende Kreuz, Studien zur russischen Spiritualität IX, Kamen zweite Auflage 2021, 44-65, referiert.

Zu den Ikonen sagt Vater Ioann: Es kommt darauf an, sich auf sie einzulassen, vor ihnen zu beten, mit ihnen zu sprechen. Da wird deutlich, daß von ihnen eine Kraft ausgeht. Nur wer gläubig ist, kann eine Ikone schreiben, sonst würde es ein bloßes Bild ohne Ausstrahlung werden. Ein Ikonenschreiber muß vor dem Beginn seiner Arbeit ein Zeichen in seiner Seele empfangen. Er empfängt die Ikone, gleichzeitig ist sie aber auch ein Ausdruck seines eigenen Wesens. Sein Fasten, seine geistliche Lektüre und sein Gebet drücken sich in der Ikone aus. Seine innere Energie, aber mehr noch, die ungeschaffene Energie sind spürbar für diejenigen, die vor einer Ikone beten. Wer eine Ikone betrachtet, wird von ihr ergriffen, bewegt und umgewandelt. In Wirklichkeit ist es nicht der Beter, welcher die Ikone anschaut, sondern es ist die Ikone, welche den Beter anschaut und ihn fragt, wie er lebt. Dies ist die Umgekehrte Perspektive:

o   Florenskij, P. A, Обратная перспектива, in: Сочинения, Band 3 (1), Moskau 1999, 46-98; Die umgekehrte Perspektive, Übersetzung und Nachwort von André Sikojev, Wachtendonk zweite Auflage 2023.

Vater Ioann fährt fort: Es gibt Ikonen, die sehr schön sind und mit hohem Aufwand gemalt wurden; sie lassen aber das Herz kalt, sprechen den Menschen nicht an und rufen nichts in ihm hervor. Nicht das Äußerliche zählt, sondern das Innerliche: die Augen schauen nicht nach außen, sondern nach innen.

Die Treppe zur Empore war wackelig; der Starosta droht mit dem Zeigefinger. Da sagt ein Reiseteilnehmer: In der Kirche wiegen nicht die Körper, sondern die Seelen. Jedenfalls können wir uns die oberen Bilder anschauen. Fürst Vladimir wird in Cherson getauft. Seine Krieger nehmen ihre Helme nicht ab, weil sie die Taufe als Verrat an der überlieferten Religion und Tradition sehen. Daraufhin sagte der Fürst: Wer sich nicht taufen läßt, ist nicht mehr mein Freund. Wer von den Gefolgsleuten seine Position behalten wollte, ließ sich daraufhin taufen.

Beim „Jüngsten Gericht“ ist auch ein Zar unter den Verdammten. Er streckt hilfesuchend seine Hände aus. Vater Ioann erklärt in allgemeiner Weise: Die Entschlafenen bitten um unser Gebet und versprechen, daß sie auch uns bei ihren Gebeten nicht vergessen werden.

Samstag, 8. Oktober

Im Bus müssen wir die Fahrkarten kompostieren (lochen, entwerten): Без компостера не действителен (Ohne Kompostierung/Lochung nicht gültig), steht auf den Fahrscheinen.

Redensart: Hundert Kilometer sind keine Entfernung, hundert Rubel kein Geld, hundert Gramm Vodka kein Getränk, hundert Jahre kein Alter und hundert Kilogramm kein Gewicht für einen schönen Menschen.

Das Museum der ukrainischen Kunst (heute: Nationalmuseum der Bildenden Kunst) wurde 1897 bis 1900 erbaut. Zu sehen ist eine Skulptur des heiligen Georgs mit Vita aus dem 12. Jahrhundert, die Brandspuren aufweist, und eine Ikone der Gottesgebärerin des Zeichens aus dem 12. Jahrhundert (mit Покров beschriftet), die im Boden einer zerstörten Kirche vergraben worden war. Die Muttergottes aus Wolhynien aus dem 14. Jahrhundert wird mit einem Jesus dargestellt, der einem Dorfjungen gleicht. Eine erzählende Ikonenreihe aus dem 15. Jahrhundert „Die Leiden Christi“ zeigt die Jünger beim Abendmahl ohne Heiligenschein und nach der Kreuzigung mit Heiligenschein, da sie durch das Leiden geläutert wurden. Im zweiten Saal sind westlich beeinflußte Ikonen zu besichtigen: Christus als Keltertreter; sein Blut wird am Kreuz von einem Engel in einem Kelch aufgefangen.

Das Kiever Museum der russischen Kunst wurde 1922 als staatliches Museum gegründet. Die erste Sammlung stammt von der Familie Tereščenko, deren Kunstwerke enteignet und verstaatlicht wurden. Die Ikone der heiligen Boris und Gleb stammt aus dem 13. Jahrhundert. Beide haben mutige Gesichter. Die Schwerter in ihrer Linken weisen auf ihren Martyrertod hin. In der Rechten tragen sie ein Kreuz, das höher erhoben ist als das Schwert: Das Kreuz siegt durch die nachfolgende Auferstehung über den Tod. Diese Darstellung wurde zur Eingangsikone der Gemeinde der heiligen Boris und Gleb in Horneburg gewählt. Die Ikone des heiligen Georgs mit dem Drachen aus dem 15. Jahrhundert zeigt Georg auf einem Schimmel. Er trägt ein rotes Gewand, das wie eine Fahne wirkt. Sein Helm gleitet ab, da er vom Heiligenschein behindert wird. Das Abendmahl aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zeigt den Apostel Johannes als bartlosen Jüngling. Auch Paulus wird hier dargestellt; immerhin hat er die Abendmahlsworte überliefert (1 Kor 11, 23-25). Die Iberische (georgische) Gottesmutterikone aus dem 16. Jahrhundert entstammt der Novgoroder Schule, die strahlende und helle Ikonen hervorbrachte. Das Jüngste Gericht aus dem 16. Jahrhundert zeigt eine gewaltige Schlange. Die Ringe um den Schlangenkörper tragen die Bezeichnungen der Verfehlungen: Trunksucht, Völlerei, Unzucht, Habsucht, Eifersucht, Neid, Haß, Lüge, Stolz, üble Nachrede, Spielsucht, Vergnügungssucht. „In jedem Menschen wohnt ein Teufel“, erklärte unsere Dolmetscherin Irina. Im Hades findet sich auch ein Priester. Auf der Ikone wird dargestellt, daß die Engel versuchen, die Menschen zu retten. Es gibt die Leiter, die zum Himmel führt, aber auch die Leiter, die zum Abgrund führt.

Pavel Andreevič Fedotov (1815-1852), Der Spieler.

Am meisten hat mich Ivanovs Erscheinung Christi vor dem Volk berührt. Aleksandr Andreevič Ivánov (1806-1858) hatte seinen Wohnsitz seit 1830 in Rom. Er reiste in ganz Italien umher, um einen Mann zu finden, den er als Vorbild für Christus malen konnte. Er fertigte dreihundert Skizzen an, bevor er sich auf das Malen des Gesamtbildes einließ. Einige Skizzen waren hier zu sehen. Seine Freunde beschworen ihn, das Bild doch endlich zu vollenden, doch er hatte einen sehr hohen Anspruch an sich selbst. Die Idee zu diesem Bild hatte er 1833, doch das Malen dauerte von 1837 bis 1857; ein Jahr vor seinem Tod schloß er die Arbeit ab und kehrte nach Rußland zurück. Dort starb er an der Cholera.

 

Quelle: Wikipedia

 

Christus erscheint dem Volk. Er kommt von Ferne herbei, still, und doch erregt er ein ungeheures Aufsehen. Johannes der Vorläufer verweist mit beiden Händen auf ihn, die soeben im Jordan Getauften blicken sich um, noch halbnackt, jeder auf seine Weise: erstaunt, betroffen, skeptisch, abwägend, voller Hoffnung und Erwartung: Ist dieser der Messias, der uns befreien wird?

Vasílij Grigórʼevič Peróv (1833-1882), Osterprozession im Dorf. Der Diakon liegt bereits unten an der Treppe der Kirche, der Pfarrer versucht zu gehen, dies fällt ihm aber wegen des Genusses starker Getränke schwer und er hält sich am Stützbalken fest, eine junge Frau trägt gläubig eine Gottesmutterikone mit Oklad (Metallbeschlag), junge Männer tragen Kirchenfahnen, der Chorleiter blickt in ein Notenbuch und singt. Das ist kirchliche Realität.

 

Quelle: Wikipedia

 

1875 bis 1879 malte Perov den Toren um Christi willen. Er trägt sommers wie winters die gleiche ärmliche und dünne Kleidung, läuft barfuß durch den Schnee, pilgert von Kloster zu Kloster und sagt den Menschen in prophetischer Weise, wenn auch mit dunklen Worten, was ihnen zum Heil dient.

 

Quelle: Wikipedia

 

Er hat ein strahlendes Gesicht, wenn es auch seltsam aussieht. Seine Augen blicken durchdringend. Die linke Hand hält er hinter seinen Kopf, die rechte ist, vom Ärmel verhüllt und die Faust geballt, vor seiner Brust, als friere er. Links fliegt ein Vogel auf ihn zu. Tatsächlich ist der Tor frei wie ein Vogel, er sät nicht und erntet nicht und lebt doch.

Ein Tor um Christi willen saß in Moskau nackt im Schnee und bat Borís Fëdorovič Godunóv (1552-1605; Zar seit 1598) um eine Kopeke. Dann warf er ihm den Mord an Zarevič Dimitrij Ivanovič von Uglič (1582-1591) vor. Dies stellte Modést Petróvič Músorgskij (1839-1881) in der Oper Borís Godunov (1870) dar. Vasilij von Moskau warf dem Zaren Ivan dem Schrecklichen vor, daß er zwar in der Fastenzeit auf das Fleisch der Tiere verzichte, aber das Fleisch der Menschen fresse.

Viktor Michájlovič Vasnecóv (1848-1926), Drei Königinnen des unterirdischen Königreiches (1881), gemalt im Künstlerdorf Abrámcevo (60 km nordöstlich von Moskau, gegründet 1843). Die rechte Königin mit schwarzem Hintergrund, die mittlere nur zur unteren Hälfte vor dem schwarzen Hintergrund und die linke im Licht. Die eine ist Königin über das Erz, die andere über das Silber und die dritte über das Gold. Es handelt sich um ein Auftragswerk, das für die Eisenbahnverwaltung der Stadt Donéck gemalt wurde. Das Gemälde ist eine Illustration zum Märchen „Unterirdische Königreiche“. Das Schwarze ist Steinkohle, die im Donecker Kohlebecken (Донецкий угольный бассейн: Донбáсс) reichlich vorhanden ist. Die Eisenbahnverwaltung akzeptierte das Bild Vasnecovs nicht, da sie der Auffassung war, ein Märchenthema sei für ein Dienstgebäude unpassend.

 

Quelle: Wikipedia

 

Es handelt sich um ein Märchen aus dem Ural. Ein König schickt Diener, um die drei unterirdischen Königinnen zu holen, da er eine von ihnen heiraten wollte. Die Diener kommen mit Seilen und Messern, werden aber von den Königinnen geblendet und lassen sich nicht ihre Freiheit rauben. Das bedeutet, daß die Schätze der Erde nicht ohne weiteres geplündert werden können.

Nikolaj Konstantinovič Rërich/Roerich (1874-1947), Nikolausikone mit Kirchen, 1916 gemalt. Sein Vater stammte aus Lettland und wurde in einer deutschbaltischen Familie geboren. 1923 reiste er nach Indien und fand in Naggar im Kullutal (Himalaja) eine neue Heimat.

 

N. K. Roerich, Wir öffnen die Tore, 1922, Quelle: Wikipedia.

 

Der heilige Nikolaus, gewandet wie ein orthodoxer Bischof, wandert über die Russischen Lande, auf seinen Bischofsstab gestützt und die Rechte segnend erhoben. Neben ihm ist eine große, weiße Kirche, im Hintergrund sind zwei weitere Kirchen in einem Kremlʼ. Er ist bereit, allen zu helfen, die sich an ihn wenden und denen er auf seiner Wanderung begegnet.

Die Bilder von Roerich haben eine eigenartige Ausstrahlung. Dies wird besonders deutlich, wenn ein ganzer Museumsraum mit ihnen bestückt ist. Roerich war ein Sucher. Christentum, Buddhismus uind Schamanismus gehen bei ihm Hand in Hand. Er vermag es, eine Himalajalandschaft so darzustellen, daß etwas Transzendentes in ihr aufscheint.

 

N. K. Roerich, Jetsün Milarepa (1040-1123), Der Hörende, 1925. Quelle: Wikipedia.

o   Decter, Jacqeline, Nicholas Roerich. Life and Art of a Russian Master, Rochester, Vermont, und London 1989; Nicholas Roerich. Leben und Werk eines russischen Meisters, Übersetzung von Wolfgang Müller, Basel 1989.

 

 

Irina sagte zum Abschied:

Ich wünsche Ihnen sibirische Gesundheit,
kaukasische Langlebigkeit,
zigeunerisches Glück und
ukrainischen Humor!

Сыт, пьян и нос в табакедоволен (Satt, betrunken und die Nase im Tabak – einverstanden).

Abends gibt es Horilka und wir singen: „Irina von Kiev istʼs, die mir gefällt!“

Der Reiseleiter fragte vor dem Kiever Bahnhof: „Hat jemand etwas im Bus liegengelassen?“ Eine Reiseteilnehmerin antwortete: „Das wissen wir doch jetzt noch nicht!“

23.20 Uhr Abfahrt ab Kiev mit dem Budapest-Moskau-Express. 2.00 Uhr in Konotop (Gebiet Sumy, im Nordosten der Ukraine), 6.40 Uhr in Suchiniči (Gebiet Kaluga) und 11.00 Uhr in Moskau, Kiever Bahnhof.

Sonntag, 9. Oktober

Das Kloster der Gottesmutter vom Don (Донской монастырь) wurde 1591 vom Zaren Fëdor I. Ioannovič (1557-1598) zum Dank für den Sieg über die Krimtataren gegründet. Das Kloster liegt südlich der heutigen Moskauer Innenstadt. Es handelt sich um eines der Wehrklöster, die vor allem den Süden Moskaus sicherten. Die kleine Kathedrale wurde 1593 erbaut. Die große Kathedrale stammt von 1698. Auf dem Gebiet des Klosters wurde 1687 die erste Hochschule Rußlands gegründet, die Slavisch-Griechisch-Lateinische Akademie.

1771 erließ Katharina die Große den указ (Erlaß), daß Begräbnisse nicht mehr innerhalb der Stadt möglich seien. Damit begann der Friedhof des Donklosters eine vornehme Begräbnisstätte zu werden. In der Nekropole der Kleinen Kathedrale ruhen Patriarch Tichon (Bellavin; 1865-1925), Fürstin Sofʼja Semënovna Volkonskaja (1707-1777), Fürst Pëtr Michajlovič Golycin (1738-1775), Vasilij Vasilʼevič Naryškin (1712-1779) und Baron Grigorij Nikolaevič Stroganov (1734-1777).

Auf dem Friedhof im Freien ruhen der Dichter und Dramaturg Vasilij Ivanovič Majkov (1728-1778), der Maler Vasilij Grigorʼevič Perov, der Historiker Vasilij Osipovič Ključevskij (1841-1911), der eine zwölfbändige Geschichte Rußlands veröffentlichte, der Philosoph Pëtr Jákovlevič Čaadáev (1794-1856), der gegen die Leibeigenschaft schrieb, deswegen vom Zaren für verrückt erklärt wurde und daraufhin „Die Apologie eines Wahnsinnigen“ schrieb. Hier ruht auch die Großmutter des Schriftstellers Lev Nikolaevič Tolstoj, Pelageja Nikolaevna Tolstaja, geborene Gorčakova (1762-1838). Im Jahre 2008 wurden die Gebeine des Schriftstellers Aleksandr Isaevič Solženicyn auf diesen Friedhof umgebettet.

In Rußland gab es nie Freiheit. Die einfachen Menschen litten unter den häufigen Kriegen, unter Plünderung, Seuchen, Teuerung, Unterdrückung und Gewalt jeder Art. So wurden sie still und apathisch, schränkten sich so viel wie möglich ein und versuchten zu überleben. Dies illustriert folgende Anekdote (se non è vero, è ben trovato):

In einem nordamerikanischen Kinderkrankenhaus legte die Krankenschwester aus Versehen das Kissen auf das Kleinkind anstatt unter dessen Kopf. Das Kleinkind schleuderte das Kissen in weitem Bogen von sich.

Das Gleiche geschah in einem russischen Kinderkrankenhaus. Die Folge war, daß das Kleinkind sparsamer atmete.

Der Kaufmann Grigorij Nikitnikov ließ 1631 bis 1634 auf dem Gelände seines Handelshofes die Dreieinigkeitskirche errichten. Sie hat rote Wandflächen, grüne Kuppeln und bunte Keramikfriese. Die Fresken aus den 1650er Jahren zeigen Szenen aus dem Leben Jesu. Die Personen tragen die Kleidung des 17. Jahrhunderts. Bemerkenswert ist der riesige Balken im Auge desjenigen, der versucht, seinem Bruder einen winzigen Splitter aus dessen Auge zu entfernen (Mt 7, 3: „Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders und nimmst den Balken in deinem eigenen Auge nicht wahr?“).

Nikita-Ikone mit Vita von 1579. Georgische (Iberische) Gottesgebärerin von 1654.

Ikone von 1659 der Verkündigung an die allheilige Gottesgebärerin mit dem Hymnos Akathistos von Simon Fëdorovič Ušakóv (1626-1686): Bei den Byzantinern waren die Gesichtszüge streng und hoheitsvoll, hier werden sie weich. Diese späten Ikonen bieten viele Einzelheiten, während die alten sich auf das Wesentliche konzentrierten.

Ikone von 1668, Simon Ušakov: Ikone der Gottesgebärerin von Vladimir mit russischen Heiligen, die in die Zweige eines Baumes eingefügt sind.

o   Ovčinnikova, Ekaterina Sergeevna, Церковь Троицы в Никитниках. Памятник живописи и зодчества XVII века, Moskau 1970.

o   Церковь Троицы в Никитниках, Moskau o. J.

Ikone des seligen Vasilij von Moskau (1468-1552/1557) in der Vasilijkathedrale, eigentlich Kathedrale Mariä Schutz und Fürbitte (1561 vollendet): Vasilij steht nackt da (nudus nudum Christum sequi), bärtig und mit langem Haar, demütig geneigt, seine Rippen treten hervor, so mager ist er, seine Füße stehen parallel nebeneinander, er schaut in die Ferne, die Hände in Form einer Schale nach oben geöffnet: Christus erscheint ihm (links oben) in einem Strahlenkranz, er streckt ihm die Hände entgegen, die Handflächen nach unten geöffnet: Geben und Empfangen. Vasilijs Augen leuchten, aber nicht schwärmerisch, sondern nüchtern (sobria ebrietas), sehnsüchtig und hingebungsvoll. Sein Mund ist wie zu einem Kuß geformt. Er steht gespannt da, als warte er auf die Ankunft seines Herrn: „Seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, , wenn er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit sie ihm sogleich auftun, wenn er kommt und anklopft“ (Lk 12, 36). Sein Herz hört: „Verleih deinem Diener ein hörendes Herz!“ (1 Kön 3, 9).

Der Tor um Christi willen besitzt nichts, kein Hab und Gut, keine Kleider, kein Nahrungsvorrat für den nächsten Tag, keine Macht, keine Ehre, doch er läßt seine leeren Hände füllen und seine Persönlichkeit hat Ausstrahlung bis heute. – Wer in seinem Leben keinen allgemein anerkannten Weg geht, kann zu ihm als Vorbild aufschauen.

Die neun Kapellen dienen der многогласие: Da die Liturgie im Laufe der Zeit zu lang geworden war, wurden verschiedene Abschnitte gleichzeitig gesungen, um nichts auslassen zu müssen. Dies ist eine Entartung.

In der Dreieinigkeitskapelle ist eine achtarmige Spirale in der Kuppel:

 

Vom unteren Geschoß aus sind der Glockenturm und die angebaute zehnte Kapelle mit den Gebeinen des seligen Vasilij erreichbar.

Das Mandylion in der Kapelle Aleksandrs von der Svirʼ (16./17. Jahrhundert) ist ausdrucksstark: Die Augen Christi durchdringen den Betrachter und stellen ihm die Frage, wie er lebt. Das eine Auge drückt die Aufforderung zur Umkehr auf, es entspricht der Gerechtigkeit, das andere Auge blickt ihn mitleids- und liebevoll an, es drückt die Barmherzigkeit aus. Er ist zugleich unendlich tzranszendent und doch näher, als der Mensch sich selber ist. Wer Ihm nachfolgt, verwirklicht beide Aspekte in seinem Leben.

Montag, 10. Oktober

Die Mariä Schutz-und-Fürbitte-Kirche in Fili wurde 1693/1694 von Lev Kiríllovič Narýškin (1664-1705), einem Onkel Peters des Großen, errichtet. Er gab dem Naryškin-Barock (Moskauer Barock) den Namen.

Die Kirche wirkt wie eine überdimensionale Geburtstagstorte. Das weiße Kalksteindekor hebt sich vom roten Mauerwerk ab. Im Sockel befindet sich die heizbare Winterkirche. Die holzgeschnitzte Ikonostase hat beeindruckende zehn Ränge und wurde von Karl Zolotarëv und Kirill Ulanov im 17. Jahrhundert geschaffen.

Im Gespräch mit einem Sachverständigen kam das Thema der gesundheitlichen Versorgung auf. Wir Touristen hoben hervor, daß das Gesundheitssystem kostenlos zu nutzen sei. Er aber erzählte, dass es in den Krankenhäusern für die einfachen Patienten fast nichts zu essen gebe, Besteck, Bettwäsche und Seife fehlten. Für jede Tasse Tee oder für das Reichen der Bettpfanne müsse bezahlt werden. Wer einen künstlichen Darmausgang habe, käme nur schwer an die notwendigen Beutel. Die Medikamente müsse jeder selbst bezahlen. Parteifunktionäre oder Ausländer würden besser behandelt. Darüber hinaus verfügten viele Krankenhäuser nicht über eine eigene Kanalisation.

Die Rente läge meist zwischen 50 und 100 Rubel. Ein Kilogramm Äpfel schlechter Qualität koste drei Rubel.

Es gäbe keine Grundlage für eine Wirtschaftsreform. Die letzte Erneuerung hatte Stalin während des Zweiten Weltkrieges verfügt, als er die Schwerindustrie aus Sicherheitsgründen hinter den Ural verlegte.

Der größte Fehler ist der Gleiche, den die sogenannten Entwicklungsländer machen: Bodenschätze werden ungereinigt und unveredelt verkauft. Eine Industrie der Weiterverarbeitung ist unterentwickelt. Innovationen fehlen weitgehend.

Zur gegenwärtigen Situation wurde eine Anekdote erzählt:

Eine Krähe flog mit dem Rücken zur Erde und forderte den Fuchs auf, das Gleiche zu tun. Er versuchte es, wurde aber von einem Bären vergewaltigt.

Fazit: Die Perestrojka (den Umbau des gegenwärtigen Systems) kann sich nur der leisten, der oben „fliegt“.

Die Perestrojka konnte nicht das System der Bezugsscheine abschaffen. Die Lebensmittelmarken sehen pro Person und pro Jahr 2 kg Fleisch und 400 g Kochwurst pro Monat vor.

„Rede nie mit Menschen außerhalb Moskaus über die Perestrojka; sie werden dich zusammenschlagen!“

„Was war eher, das Huhn oder das Ei?“ – „Früher gab es hier beides!“

Zur Versorgungslage wurde zusammenfassend gesagt: Es gibt alles ab und zu, aber unregelmäßig und nicht an allen Orten.

Die Russen schauen immer auf unsere Schuhe. Da erkennen sie, daß wir nicht in diesem Land wohnen.

Deutschland wird mit drei Begriffen identifiziert: Mercedes, BMW und Beckenbauer.

Eine weitere Anekdote:

Stalin rief den konservativen Egor Kuzʼmič Ligačëv (1920-2021) an und trug ihm auf, die Hälfte aller Parteifunktionäre zu erschießen, die andere Hälfte nach Sibirien zu deportieren und außerdem den Weißrussischen Bahnhof schwarz anzustreichen. Ligačëv fragte, warum er diesen Bahnhof schwarz anstreichen solle. Darauf entgegnete Stalin: „Dachte ich es mir doch, daß wir uns über die ersten beiden Aufträge einig sind!“

Der Vortragsredner schloß: „Am Gefährlichsten ist die sich stark ausweitende Tendenz nach rechts.“

Dies hat sich in der Folgezeit in erschreckender Weise bewahrheitet.

Dienstag, 11. Oktober

Der Arbát: Dieses Wort hört sich im Russischen genauso fremd wie im Deutschen an. Daher sang Bulat Šalvovič Okudžava (1924-1997), der einen georgischen Vater und eine armenische Mutter gehabt hatte, in seinem Lied „Арбат, мой Арбат“ (Arbat, mein Arbat): странное название (eine fremdartige Namengebung).

Das Wort „Arbat“ hängt möglicherweise mit dem kirgisischen Wort „yrabat – Wirtschaftsgebäude“ zusammen. Andere Etymologien folgen lediglich dem Klang des Wortes.

Das Wohnviertel Arbat wurde zum erstenmal am 28. Juli 1493 erwähnt, als die dort befindliche hölzerne Nikolauskirche abbrannte und große Teile der hölzernen Häuser Moskaus in Brand setzte.

Der Arbat war Ausgangspunkt einer Handelsstraße, die über Polen nach Westeuropa führte. Das dortige Viertel wurde zunächst mehrheitlich von Händlern und Handwerkern, aber seit 1750 immer flächendeckender von adligen Familien bewohnt. Seit 1850 wurde das einstige Nobelviertel immer mehr zu einem Ort, an dem Künstler lebten und ihre Werke schufen. Darunter sind Čechov, Gogolʼ, Puškin, Tolstoj, der Komponist und Pianist Aleksandr Nikolaevič Skrjabin (1871-1915), der am Schluß seines Lebens eine Symphonie aus Wort, Ton, Farbe, Duft, Berührungen, Tanz und bewegter Architektur plante, und die Dichter des Symbolismus, Aleksandr Aleksándrovič Blok (1880-1921) und Borís Nikoláevič Bugáev (Pseudonym: Andréj Bélyj; 1880-1934).

Die Cafés und Geschäfte auf dem Arbat lassen ein wenig vom Flair des alten Moskaus ahnen.

Der Ikonenschreiber, Porträt- und Wandmaler Pável Dmítrievič Kórin (1892-1967) zog 1917 in das Haus Arbatstraße 23. Nach der Revolution trug er dazu bei, daß die größten Schätze altrussischer Kunst und Architektur bewahrt wurden. Ab 1951 erstellte er Wandmosaiken für die Metrostation Komsomolʼskaja (Vasilijkathedrale, das grimme Auge). Er schuf die Hinterglasmalereien der Station Novoslobodskaja: „Die Welt im Frieden“.

Wir besuchen das Museum, das seinem Werk gewidmet ist, an der Malaja Pirogovskaja. Mich beeindruckt die Ikone des Erlösers. Die Augen schauen durchdringend, magisch, suggestiv. Die S-chimnika (eine Nonne, welche das höchste Gelübde des Immerwährenden Gebetes abgelegt hat) trägt eine brennende Kerze in der Hand. Ihre weitgeöffneten Augen schauen wissend in große Ferne. Auf ihrem Gewand ist ein Hahn gestickt, Symbol der Wachsamkeit.

Bauern werden wie die Erde dargestellt; sie sind Teil der Erde, sie gehören zu ihr.

Ein junger Priester blickt finster, er preßt seinen sinnlichen Mund verbittert zusammen. Er ist begabt. Die Frage stellt sich aber, ob er den Härten des Lebens standhalten kann.

 

Das Wunder von Chonae, Ikone durch die Hand von Monika Urban,
Photographie von H. M. Knechten

 

Das Wunder von Chone: Der Einsiedler, Priestermönch Archipp, dessen Kirche seine Widersacher durch das Umleiten zweier Flüsse zerstören wollten, steht gebeugt da, ohnmächtig und flehend, während der Erzengel Michael, der den Fluß leichthin abfließen läßt, strahlend schön dasteht, ernsthaft und bestimmt, ein Abbild der Gottheit. Der Einsiedler hält seine Hände bittend und geöffnet nach oben, während Michael seine Hände, gebend und spendend, geöffnet nach unten hält.

Mittwoch, 12. Oktober

In Moskau begann an der Straße nach Vladímir (Владимирский тракт, heute: Šossé ėntuziástov) der Zug derer, welche nach Sibirien verbannt worden waren, von 1807 bis 1863 waren es jährlich durchschnittlich 8.213 Menschen, danach waren es bis 1881 jährlich etwa 15.733. Im Jahre 1935 wurden zehntausende Finnen in das Gebiet Vologda umgesiedelt. Am 1. Januar 1939 befanden sich 1.317.195 Häftlinge in Straf- und Arbeitslagern. Während des Zweiten Weltkrieges wurden Deutsche, Karačaer (ein Turkvolk), Kalmücken, Inguschen, Čečenen, Balkaren und Krimtataren vollständig deportiert. Viele kamen infolge der ungenügenden Versorgung und der Strapazen um. Auch heute wird eine Verbannung zu einem Straflager in Sibirien benutzt, um die Opposition zu schwächen.

Vladímir, 190 km östlich von Moskau am Fluß Kljazʼma, wurde im Jahr 900 als Gründung des Fürsten Vladimir I. Svjatoslavič / Valdamarr Sveinaldsson (um 960 - 1015) in der Ipatʼevchronik genannt. Im Jahre 1108 ließ Vladimir II. Vsevolodovič Monomach (1053-1125), Fürst von Černigov, der nach seinem Großvater, dem byzantinischen Kaiser Konstantin Monomach, benannt war, die Stadt befestigen. Sein Enkel, Großfürst Andréj Júrʼevič Bogoljúbskij ( 1174), verlegte im Jahre 1157 die Hauptstadt seines Territoriums von Suzdalʼ nach Vladimir. 1238 verwüsteten die Mongolen de Stadt. 1299 wurde der Metropolitensitz von Kiev nach Vladimir verlegt. 1328 verlegte Metropolit Pëtr (um 1260 - 1326) ihn jedoch nach Moskau. 1363 unterwarf sich der Großfürst des Fürstentums Vladimir - Suzdalʼ - Nižnij Novgorod, Dmitrij Konstantinovič (1322-1383) dem Moskauer Großfürsten Dmitrij Ivánovič Donskój (1350-1389).

Ein Goldenes Tor gibt es in Konstantinopel, Kiev und Vladimir, in letzterer Stadt 1158 bis 1164 erbaut. Man konnte nur durch eines der Stadttore in den Ort gelangen. Das Goldene Tor führte auf die westliche Straße, nach Moskau, das Silberne nach Osten, das Kupferne nach Norden und das Volgator nach Süden. Es handelt sich um den äußeren Verteidigungsring. Die Wälle waren sieben bis neun Meter hoch und zwanzig bis vierundzwanzig Meter stark. Außen waren sie von einem acht Meter tiefen und zweiundzwanzig Meter breiten Graben umgeben. Oberhalb des Tores befindet sich die Kirche zur Gewandniederlegung der Gottesgebärerin. Sechzig Stufen führen zu ihr hinauf.

Die Demetrioskathedrale entstand 1194-1197 als Palastkirche des Großfürsten Vsévolod III.  Júrʼevič Großes Nest (1154-1212) anläßlich der Geburt seines Sohnes Dmitrij/Vladimir (1192-1227). Demetrios von Thessalonich ( um 306) ist Schutzpatron von Konstantinopel, Thessalonich und Venedig sowie der Soldaten. Sein Gedenktag am 26. Oktober wird feierlich begangen.

Es handelt sich um eine einkupplige Vierpfeilerkirche. Sie gehört zu den sieben erhaltenen vormongolischen Kirchen am Goldenen Ring. Sie weist drei hohe, halbrunde Apsiden auf, eine dreiteilige Fassadengliederung mit halbrundem Mauerabschluß, Schlitzfenster und Lichttrommel. Die Schlankheit der Halbsäulen, welche die Außenflächen vertikal gliedern, die plastische Energie der Apsiden, das majestätische Aufsteigen der Kuppel tragen zur Apotheose herrscherlicher Macht bei. Es ist eine elegante Hofkirche, die gleichzeitig Macht und Reichtum des Großfürstentums Vladimir repräsentiert. Auf dem Kuppelkreuz ist eine Taube, Symbol des Heiligen Geistes, der Liebe und der nach der Sintflut erneuerten Schöpfung. Das Kreuz durchschneidet einen Halbmond; dies besagt den Sieg des Christentums.

 

Vladimir, Demetrioskathedrale, Lächelnde Löwen; Quelle: Wikipedia

 

Die Fassaden sind mit aus Stein geschnittenen Wesen verziert. Da gibt es Greife mit vier Füßen, Satanshunde mit drei Schwänzen, Löwen, Vögel, Sirenen und Reiter, welche den König, Propheten und Psalmisten David, der auf dem Thron sitzt und eine Schriftrolle hält, umgeben. David weist auf Vsevolod III., der seinem Großfürstentum die Kiever Lande, Novgorod und Smolensk einverleibt hatte. An der der Stadt zugewandten Nordfassade ist er selbst mit seinen Söhnen dargestellt. An der Südfassade zeigt sich die Himmelfahrt Alexanders des Großen. Dieses Motiv stammt aus dem Alexanderroman von Pseudo-Kallisthenes von Olynth, die älteste Fassung stammt aber erst aus dem vierten Jahrhundert, eine spätere Nachdichtung aus dem 10. Jahrhundert. Wirkmächtig waren die volkssprachlichen Ausgaben des 12. Jahrhunderts. An der Westfassade können einige Heldentaten des Herakles bewundert werden: Der Kampf mit dem Nemeischen Löwen, mit den menschenfressenden Löwen von Stymphalos und mit der Hydra von Lerna, hier als riesengroßer Vogel dargestellt. Der Mut, die Kraft und Geschicklichkeit des Herakles werden dem Herrscher Vsevolod III. zugeschrieben. An den Gewölben der Emporen im Westteil des Innenraumes sind Fresken aus der Zeit Vsevolods III. mit Szenen des Jüngsten Gerichtes. Die strenge Auffassung der Gestalten stammt von griechischen Meistern, welche fast das gesamte Gewölbe ausmalten: die Philosophenversammlung der Apostel, die Scharen der Erzengel mit schmalen, gebogenen Nasen und mandelförmigen Augen. Die stehenden Engel hinter den Aposteln an der Nordseite stammen dagegen von ihren russischen Gehilfen. Die Gesichter sind einfacher, runder und herzlicher. Am südlichen Gewölbe haben die Frauen beim Einzug der Gerechten, von Petrus angeführt, slavische, ovale Gesichter und sie tragen altrussischen Kopfschmuck. Beim Ruhen der Gerechten in Abrahams Schoß (Lk 16, 22) sind Pflanzen und Tiere des Paradieses in liebevoller Kleinarbeit und mit zarter Lyrik dargestellt.

1158-1160 wurde die Entschlafenskathedrale an der höchsten Stelle der Festung erbaut. Wie sich am Totenbett der allheiligen Gottesgebärerin alle Apostel einfinden, so sollten auch alle russischen Fürsten zusammenfinden und ihre Streitigkeiten beenden, natürlich unter Leitung des Großfürstentums Vladimir, das Kiev in der Vorherrschaft ablösen wollte. Die fünfkupplige Kathedrale ist 42 m hoch. Der Bogen- und Säulengurt weist Frauen- und Tiermasken auf. Innen sind sechs Pfeiler und eine Empore im Westteil. Andrej Rublëv und Daniil Čėrnyj schufen 1408 mit ihren Helfern die Fresken der Ausgießung des Heiligen Geistes, der Greise, des Erlösers  und der Führung der Gerechten ins Paradies durch Petrus. Wunderbar ist, daß beim Jüngsten Gericht (страшный суд – schreckliches Gericht) kein Schrecken, keine Angst, keine Panik, keine Rache noch Vergeltung dargestellt wird, sondern die unendliche Freude, das erlöste Lächeln, die Überwindung und Befreiung. Es ist ein Unterschied wie zwischen Mozarts Dies iræ und dem tröstlichen Requiem von Brahms oder Fauré.

Bogoljubovo war der von Gott geliebte und auserwählte Ort, der dazu beitrug, die Verschiebung des Machtzentrums von Kiev in den Norden zu markieren. Dies gehörte zum Gebiet des залесье, jenseits der Wälder, also nördlich des Waldgürtels, der wie ein Sperrriegel zwischen dem Süden und dem Norden der Russischen Lande lag.

In Vladimir waren die Bojaren (die Adligen) mächtiger geworden und spannen Intrigen, um den Einfluß des Fürsten zu begrenzen. Daher ließ Andrej Bogoljubskij (um 1111-1174) sich nicht in dieser Stadt nieder, sondern zehn Kilometer östlich von ihr. 1158 bis 1165 entstand die Festung von Bogoljubovo. Andrej war es, der die heute als Gottesmutter von Vladimir bekannte Ikone von Kiev hierhinbrachte.

Wir fahren mit unserem Reisebus von Bogoljubovo aus einen Kilometer weiter in Richtung Gorkij (vor 1932 und seit 1990: Nižnij Novgorod), dann gehen wir ein kurzes Stück auf einem steinigen Weg hinunter auf die Ebene der Äcker und wenden uns nach links. Auf einem abgeernteten Feld geht es weiter, links sind die Straßenbäume und der Straßengraben. Vor uns wächst allmählich die Erscheinung einer kleinen, zierlichen Kirche, die an dem Fluß Nerlʼ liegt. Es ist die Kirche Mariä Schutz und Fürbitte, 1165 errichtet. Fürst Andrej Bogoljubskij hatte dieses Fest am 1. Oktober ohne Absprache mit dem Patriarchen von Konstantinopel eingeführt. Dies zeigt das gestärkte Selbstbewußtsein der Russischen Kirche.

Die weißen Steine der Kirche an der Nerlʼ erinnern an ein Brautkleid. Einsam und wehmutsvoll steht sie da als Relikt einer fernen Vergangenheit.

 

Bogoljubovo, Kirche Mariä Schutz und Fürbitte am Fluß Nerlʼ,
Quelle: Wikipedia

 

Da die Kirche auf einer Wiese steht, die jedes Frühjahr überschwemmt ist, hat sie ein fünf Meter hohes Steinfundament, um das ein Hügel mit einem Entwässerungssystem aufgeschüttet wurde. Die Kirche ist an der Längsseite ein wenig langgezogen und die Mauern sind zum Mittelpunkt hin ein wenig abgeschrägt. Die Bogenfenster im zweiten Geschoß und an der Kuppeltrommel sind schmal. Dadurch wirkt das Bauwerk schlank, leicht und emporstrebend.

 

König David verzaubert Löwen und Greife mit seinem Harfenspiel,
Quelle: Wikipedia

 

In den Hauptsakomaren (halbrunde Mauerabschlüsse) ist König David dargestellt, der Löwen und Greife mit seinem Harfenspiel verzaubert und friedfertig macht. Ringsum sind Häupter von Frauen dargestellt. Dadurch wird nicht nur auf die Patronin dieser Kirche hingewiesen, sondern auch auf jene Zeiten, in denen Frauen Rang und Namen haben (Olga von Kiev, Tamara von Georgien).

Innen lauert vor den Bogenfüßen ein Steinlöwe und übt Wächterfunktion aus. 1877 fand eine Renovierung statt, bei der innen die kostbaren Fresken abgehauen wurden und außen das Dach eingebaut wurde, welches den unteren Teil der Trommel verdeckte.

Donnerstag, 13. Oktober 1988

Suzdalʼ liegt 35 km nördlich von Vladimir und 210 km nordöstlich von Moskau. Die Bevölkerung dieser Gegend war ursprünglich finnisch; daher liegt es nahe, den Ortsnamen mit susi – Wolf zu erklären, vgl. Hans Saffer, Finnisch, Leipzig 2017, 544.

990 wurde der Ort im Zusammenhang mit der Christianisierung dieses Gebietes genannt. 1024 gab es infolge von Mißernten eine Hungersnot, daher machten die Ackerbauern einen Aufstand. Vertreter der alten Religion dieses Gebietes versuchten, diese Erhebung zu nutzen, um das Christentum in Mißkredit zu ziehen: „Weil den Göttern der Fruchtbarkeit nicht die erforderlichen und vorgeschriebenen Opfer dargebracht worden waren, gab es Mißernten.“ Jaroslav der Weise (um 978 - 1074) eilte aus Kiev herbei und schlug den Aufruhr grausam nieder.

Fürst Jurij Dolgorukij verlegte die Hauptstadt der Russischen Lande nach Suzdalʼ, residierte aber wegen der Intrigen der Bojaren in Kidekša, fünf km östlich.

Der Kremlʼ ist von einem Erdwall des 11. Jahrhunderts umgeben, der einst 15 Wehrtürme besaß. Auf dem Gelände waren vierzehn Holzkirchen. Der Grundstein für die heute noch stehende Kathedrale der Geburt der Gottesgebärerin wurde 1222 gelegt. An den Kapitellen der Pilaster sind Frauenköpfe und Löwenfiguren. In die Portale der Bögen sind Löwen, Greife und Märchengestalten geschnitten.

Am Süd- und Westportal sind feuervergoldete Kupfertore, hergestellt im Auftrage Mitrofans, der von 1227 bis 1238 Bischof von Suzdalʼ war. Es sind Bildtüren. Am Südportal ist dargestellt: Erschaffung Adams, Adam gibt den Tieren Namen, der Erzengel Michael lehrt Adam die Erde umgraben (ein äußerst seltenes Motiv), Opfer Abels, Kain erschlägt Abel.

Am Westportal: Cherubim, Maiestas Domini, alttestamentliche Dreieinigkeit (drei Engel bei Abraham: Gen 18, 2), Seraphim. Die Begegnung an der Goldenen Pforte von Elisabeth und Zacharias, Geburt Mariä, ihre Einführung in den Tempel, Verkündigung, Geburt Christi, Darstellung im Tempel, Taufe Christi, seine Verklärung, Auferweckung des Lazarus, Einzug in Jerusalem, Kreuzigung, die Myronträgerinnen am Grabe, die Auferstehung, Pfingsten, Entschlafen Mariens, ihre Grabtragung, Niederlegen des Gewandes (Gedenktag: 2. Juli) und des Gürtels der allheiligen Gottesgebärerin (31. August), Mariä Schutz und Fürbitte (1. Oktober). Je zwei Löwen und zwei Greife.

 

Suzdalʼ, Mariä-Geburtskathedrale, Westportal, Quelle: Wikipedia.
Für dieses Gemeingut bin ich dankbar; denn meine Diapositive aus dem Jahre 1988 sind stark verblaßt.

 

 

Im Inneren der Mariägeburtskathedrale gibt es im oberen Teil der Südapsis Fresken von 1233: zwei Greise mit strengem Antlitz. Es finden sich Reste der Fresken von 1635: am Gewölbe der Nordvorhalle aus dem Leben der allheiligen Gottesgebärerin, am linken Teil der Nordwand Apostelfiguren und an der Westwand der Vorhalle Posaunenengel.

Das Frauenkloster Mariä Schutz und Fürbitte wurde 1364 errichtet und diente seit dem 16. Jahrhundert als Gefängnis für in Ungnade gefallene Zarinnen und Fürstinnen. Siehe Angelika Schmähling, Hort der Frömmigkeit – Ort der Verwahrung. Russische Frauenklöster im 16. - 18. Jahrhundert, Stuttgart 2009.

1923 wurde dieses Kloster geschlossen und ruiniert. 1933 stellten Gefangene an diesem Ort biologische Waffen her. 1934 wurde hier ein biochemisches Labor eingerichtet. In den 1950er und 1960er Jahren erfolgte die Restaurierung klösterlicher Gebäude und es wurde ein Museum eröffnet. Seit 1980 dienten die Gebäude als Hotel, Restaurant und Bar. In der Kathedrale war ein Konzertsaal. Bei einer anderen Reise übernachtete ich in einem der Holzhäuser. Es war später Herbst und die Heizung „bullerte“. Die einzige Möglichkeit, die Raumtemperatur zu regulieren war, das Fenster zu öffnen.

Die Mariä-Schutz-und-Fürbitte-Kathedrale dieses Klosters wurde 1510-1514 errichtet. Ihre klaren Linien nehmen die Tradition der vormongolischen Baukunst auf. Sie wirkt pyramidenartig. Die Ikone der Verkündigung an die allheilige Gottesgebärerin aus dem 15. Jahrhundert befand sich in dieser Kirche und ist heute im Museum Suzdalʼ.

Der untere, doppelgeschossige Teil des Glockenturmes entstand 1515, das obere Geschoß und das Zeltdach entstammen dem 17. Jahrhundert.

Die Torkirche Mariä Verkündigung wurde 1518 erbaut, als Solomonija Jurʼevna Saburova (um 1490 - 1542) noch in der Residenz des Zaren Vasilij III. Ivanovič (1479-1533) wohnte. Da sie keinen Thronerben gebar, machte der Zar dem Kloster reiche Schenkungen, was eine Serie wunderschöner Bauten hervorrief, bevor er seine Frau 1525 hierhin verbannte. Sie empfing bei der monastischen Tonsur den Namen Sofija und Vasilij heiratete 1526 die schöne Polin Helena Glińska (Eléna Vasílʼevna Glínskaja; 1508-1538), die Mutter Ivans des Schrecklichen.

Das Erlöser-Evfimij-Kloster am Nordrand der Stadt wurde 1352 als Wehrkloster gegründet, als das Fürstentum Suzdalʼ - Nižnij Novgorod gegen das Großfürstentum Moskau opponierte. Es hieß ursprünglich Kloster zur Verklärung Christi. 1657 wurde es nach dem Klostervorsteher Evfimij von Suzdalʼ (1316-1404) umbenannt.

Anstelle eines hölzernen Vorgängerbaues entstand in den Jahren 1507-1511 eine kleine, säulenlose Erlöserkirche aus Stein, erbaut über dem Grab des Klostergründers Evfimij. 1594 wurde sie in eine große Kathedrale der Verklärung Christi umgewandelt, die vier Säulen hatte. Die kleine Vorgängerkirche wurde umbenannt in den Evfimij-Seitenaltar im südöstlichen Teil der Kirche.

Neben der Nikolaus-Hospitalkirche sind Gefängniszellen, von denen eine für den Schriftsteller Lev Nikolaevič Tolstoj vorgesehen war. Nur aufgrund seiner Zugehörigkeit zum hohen Adel und seiner weltweiten Bekanntheit wurde er vor diesem Schicksal bewahrt.

Das Handwerkerhaus neben diesem Kloster stammt aus dem 17./18. Jahrhundert, ist aus Stein gebaut, ähnelt aber einem altrussischen Holzhaus. Die Satteldächer sind sehr hoch und die Fensterrahmungen prachtvoll. Das Gebäude diente als Bäckerei und Gaststube, im oberen Stockwerk lebte der Besitzer. Seine Rechnungsbücher befinden sich in der Schönen Ecke, in der die Ikonen verehrt werden.

Die Handelsreihen in der Stadtmitte entstanden 1811. Das lange, rechteckige, klassizistische Gebäude ist von einer Galerie aus Doppelsäulen umgeben. Es gibt Läden und eine Gaststätte. Die frühere emsige Betriebsamkeit des Handels, Reichtum und Prunk sind allerdings verschwunden.

 

 

 

Kleine Bibliographie zur Ukraine

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© Dr. Heinrich Michael Knechten, Stockum 2024

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